Strafrecht Besonderer Teil. Olaf Hohmann
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Gemeingefährlich sind solche Mittel, deren konkreter – vom Täter nicht beherrschbarer (vgl. Rn. 49) – Einsatz geeignet ist, eine Mehrzahl von Menschen an Leib oder Leben zu gefährden. Dazu zählen typischerweise etwa Brandsetzungsmittel und Explosionsstoffe.[74]
Beispiele:
A setzt ein von mehreren Mietparteien bewohntes Haus mit Benzin in Brand, um den ebenfalls dort wohnenden B zu töten.[75]
C zündet in einer von über 200 Menschen besuchten Diskothek eine Bombe.[76]
D öffnet das Ventil einer Gasflasche, so dass sich in einer Garage ein Luftgasgemisch bildet, das beim Einschalten des Lichtschalters explodieren und in einer Entfernung von 50 Metern Zerstörungen verursachen kann.[77]
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Die Einbeziehung der Leibesgefahr ist grundsätzlich zu befürworten, nachdem der Gesetzgeber den vergleichbaren Streit im Rahmen des § 221 ungeachtet der Überschrift des Sechzehnten Abschnitts des StGB mit dem 6. StrRG i.d.S. entschieden hat.[78] Jedoch bedarf es zumindest der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung.
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Das Mordmerkmal hat seinen Grund in der besonderen Rücksichtslosigkeit, mit der der Täter sein Ziel durch die Schaffung unberechenbarer Gefahren für andere durchzusetzen sucht.[79] Daraus ergibt sich, dass die Verwendung eines abstrakt-generell gefährlichen Mittels für sich allein nicht ausreicht. Vielmehr muss sein Einsatz derart erfolgen, dass der Täter eine Ausdehnung der Gefahr über das von ihm gezielt angegriffene Tatopfer hinaus nicht in seiner Gewalt hat.[80] Kann er die konkrete Situation dagegen ausnahmsweise – evtl. aufgrund besonderer Fähigkeiten – in diesem Sinn kontrollieren, ist das Merkmal „gemeingefährlich“ zu verneinen.[81]
Beispiele:
A tötet B zwar mittels einer Bombe. Als Tatort wählt er aber ein einsames Waldgebiet, so dass eine Gefährdung Dritter ausgeschlossen ist.[82]
C wirft einen 30 kg schweren Stein von einer Autobahnbrücke auf das allein nahende Fahrzeug des D.[83]
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Dasselbe gilt grundsätzlich erst recht, wenn der Täter sein Opfer mit einem typischerweise beherrschbaren Tatmittel (z.B. einer Pistole) angreift, selbst wenn er dabei in Kauf nimmt, dass der Schuss fehlgeht und einen Unbeteiligten aus einer größeren Personengruppe treffen kann.[84] Denn bei dieser Konstellation fehlt es an der für das erhöhte Unrecht des Mordtatbestands erforderlichen Möglichkeit der kumulativen Gefährdung mehrerer Menschen.[85]
Vertiefungshinweise:
Will der Täter durch sein Vorgehen mehrere individualisierte Opfer töten, so handelt es sich nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung um eine das Mordmerkmal nicht erfüllende „schlichte Mehrfachtötung“,[86] solange nicht wiederum weitere Zufallsopfer gefährdet werden. Neuerdings hat der Bundesgerichtshof bedenkenswerte Zweifel geäußert, ob hieran festzuhalten sei. Denn dieses Verständnis führe zu einer unberechtigten Privilegierung des von vornherein größeres Unrecht anstrebenden Täters.[87]
Geht es um den Einsatz eines Kraftfahrzeuges, ist zu differenzieren: Die Gemeingefährlichkeit ist etwa zu bejahen, wenn der Täter „zügig“ über Caféterrassen und Gehwege fährt und es dabei nicht in der Hand hat, wie viele der sich dort aufhaltenden Menschen er als „Repräsentanten der Allgemeinheit“ gefährdet.[88] Ist es dagegen in der konkreten Tatsituation ausgeschlossen, dass über das ausersehene Opfer hinaus andere Personen gefährdet werden, lenkt der Täter das Fahrzeug z.B. auf eine neben der Straße befindliche leere Grünfläche, so setzt er es nicht gemeingefährlich ein.[89]
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Ebenfalls genügt es nicht, wenn der Täter nur eine bereits vorgefundene gemeingefährliche Situation zur Tat ausnutzt. Insofern ist es gleichgültig, auf welche Weise diese Lage entstanden ist. Abzulehnen ist hingegen die Ansicht, das Mordmerkmal des „gemeingefährlichen Mittels“ sei generell durch ein Unterlassen nicht zu verwirklichen, weil es dann nicht „eingesetzt“ werde.[90] Denn zumindest dann, wenn der Täter selbst – noch ohne Tötungsvorsatz – der Gefahrenverursacher ist und ihm hieraus eine Garantenstellung erwächst, ist nicht ersichtlich, weshalb sein garantenpflichtwidriges Unterlassen, die von ihm als unkontrollierbar erkannte Gefahr abzuwenden, das in Rede stehende Mordmerkmal nicht erfüllen soll.[91]
1. Vorsatz
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In Bezug auf die Tötung eines Menschen genügt bedingter Vorsatz. Insoweit sind die zum § 212 dargestellten Maßstäbe (vgl. § 1 Rn. 12 f.) bei Mord ebenfalls anzulegen.
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Bedingter Vorsatz reicht nach h.M. auch als subjektive Entsprechung der objektiven Mordmerkmale aus.[92] Der Täter muss aber insbesondere die Umstände kennen, aus denen die Gemeingefährlichkeit des eingesetzten Tatmittels folgt. Ebenso verhält es sich bei der Bewertung einer Tötung als heimtückisch oder grausam.[93] Der Täter muss jedoch zur Einschätzung seiner Tat als sozialethisch unerträglich nicht selbst gelangen.[94]
Merke:
Für Heimtücke ist es zudem erforderlich, dass der Täter die Situation, aus der sich vor allem die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ergibt, bewusst zur Tötung ausnutzt.[95] Anzustreben braucht er die Arglosigkeit nicht,[96] auch längerer Überlegung oder planvollen Vorgehens bedarf es nicht.[97]
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Das Ausnutzungsbewusstsein kann daher bereits bejaht werden, wenn es aufgrund des objektiven Tatbildes „auf der Hand“ liegt, dass der Täter alle wesentlichen Umstände erfasst hat.[98] Ist seine Unrechtseinsicht unbeeinträchtigt, so gilt dies regelmäßig in gleicher Weise für die Fähigkeit, die Tatsituation realistisch einzuschätzen.[99] Hieran kann er freilich u.a. aufgrund seiner psychischen Verfassung gehindert sein, wenn er beispielsweise aus plötzlich aufsteigender Verbitterung und Wut,[100] in einer verzweifelten und affektiv angespannten Lage[101] oder unter einem verminderte Steuerungsfähigkeit (§ 21) herbeiführenden Einfluss von Alkohol und Medikamenten[102] oder einer psychischen Erkrankung handelt.[103] Ein Ausnutzungsbewusstsein liegt auch bei demjenigen fern, der seine Tat wenige Minuten oder direkt zuvor angekündigt hat und daher regelmäßig nicht mehr damit rechnen wird, sein Opfer werde noch arglos sein.[104] Anders kann es sein, wenn der Täter ungeachtet der Drohung seinem Opfer auflauert, um es mit dem Angriff zu überraschen.[105] Die strenge Prüfung dieser Voraussetzung stellt – besonders in der Praxis – ein wichtiges Instrument der gebotenen restriktiven Auslegung dieses Mordmerkmals dar (vgl. Rn. 40).
Beachte:
Hat die Prüfung zur Annahme lediglich bedingten Tötungsvorsatzes geführt, scheidet Mordlust als Tatmodalität stets aus (vgl. Rn. 57). Auch die Begehung einer Tötung in Ermöglichungs- bzw. Verdeckungsabsicht, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs sowie aus Habgier ist damit unter bestimmten Umständen nicht kompatibel (vgl. Rn.