Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung. Markus Berndt
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Allerdings muss der Compliance-Officer den Pflichtenkreis tatsächlich übernommen haben, während die bloße Denomination nicht genügt.[80] Eine Haftung ist überdies nur anzuerkennen, wenn die delegierte Pflicht auf die Unterbindung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gerichtet ist, was entsprechende Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse voraussetzt.[81] Sollte der Compliance-Officer im Zuge seiner Tätigkeit auf Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten der Unternehmensmitarbeiter stoßen, wird im Regelfall aber die Benachrichtigung der Unternehmensleitung genügen.[82] Eine Information von Strafverfolgungsbehörden oder gar der Öffentlichkeit ist nicht erforderlich (siehe auch Rn. 39 ff., Rn. 46 ff.).[83] Soll der Compliance-Officer die Unternehmensleitung im Umgang mit straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Risiken lediglich beraten, scheidet die Inanspruchnahme als Garant aus.[84]
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Aus Verteidigungssicht kommt es darauf an, den übertragenen Pflichteninhalt exakt zu extrapolieren, um auf diese Weise zu verhindern, dass dem vertretenen Compliance-Officer im Strafverfahren überbordende Pflichten auferlegt werden. Insbesondere ist auf die derivative Natur der Pflicht zu insistieren, damit die Haftung des Compliance-Officers nicht weiter als die des Geschäftsherrn reicht. Zudem ist Tendenzen entgegenzutreten, eine straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit allein auf die Denomination als Compliance-Officer zu stützen. Daher wird relevant, ob unternehmensseitig die zur Pflichterfüllung erforderlichen Befugnisse und sachlichen wie personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt wurden.
dd) Sonderfall der Überwachergarantenstellung: Betriebsbeauftragter
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In diesen Zusammenhang gehört ferner die Frage nach der Haftung von Betriebsbeauftragten. Sie sind ebenso wenig wie der Compliance-Officer direkt in der Unternehmensspitze, zugleich aber auch nicht auf untergeordneter Hierarchieebene angesiedelt. Es handelt sich um Personen, die unternehmensbezogen für die Einhaltung bestimmter gesetzlich vorgegebener Sicherheitsstandards zuständig sind, wobei inhaltlich nach Arbeitsschutz, Datenschutz und dem Schutz überindividueller Interessen (namentlich Umweltschutz) differenziert werden kann.[85] Betriebsbeauftragte haben in bestimmten sensiblen Bereichen die Umsetzung und Einhaltung der insoweit geltenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben zu gewährleisten.[86] Anstatt diese Aufgabe durch eigene Verwaltungsbehörden zu erfüllen, versucht der Gesetzgeber Einfluss auf die unternehmensinterne Organisation zu nehmen.[87] Ungeachtet dieses öffentlich-rechtlichen Hintergrundes wird der Betriebsbeauftragte nicht etwa als Beliehener tätig, sondern hat einen privatrechtlichen Status,[88] ohne zum Unternehmensorgan zu werden.[89] Je nachdem, ob es sich um eine innerhalb oder außerhalb des Betriebes angesiedelte Person handelt, liegt der Tätigkeit entweder ein Arbeits- oder Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde.[90] Allerdings wird die Unternehmensleitung durch die Existenz eines Betriebsbeauftragten keineswegs von ihrer Verantwortlichkeit dispensiert, sondern haftet neben dem Betriebsbeauftragten, sofern ihr eine eigenständige Verletzung von Auswahl-, Instruktions-, Kontroll- und Eingriffspflichten vorgeworfen werden kann.[91]
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Betriebsbeauftragten stehen im Regelfall keine Entscheidungsbefugnisse zu,[92] sondern die ihnen obliegenden Aufgaben lassen sich grob in Initiativ-, Kontroll-, Aufklärungs- und Berichtsfunktionen kategorisieren,[93] was Einfluss auf die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Garantenpflichten hat. Denn man wird Betriebsbeauftragte nicht als Beschützergaranten ansehen können, da die Auferlegung einer solchen Position schon mangels umfassender Entscheidungskompetenzen zweifelhaft scheint; die Einzelfunktionen sprechen vielmehr für eine Überwachergarantenstellung.[94] Betriebsbeauftragte sind daher in dem ihnen sachlich obliegenden Bereich dafür zuständig, dass sich ein betriebliches Gefahrenpotential nicht realisiert, wobei ihre Pflicht nicht weiterreichen kann als die ihnen zugewiesenen Befugnisse.[95] Dementsprechend sind sie lediglich gehalten, ihren Initiativ-, Kontroll-, Aufklärungs- und Berichtspflichten nachzukommen, während keine Verpflichtung zur Verhinderung des Eintritts straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich relevanter Erfolge besteht.[96] Nur bei Verletzung der ihnen obliegenden spezifischen Pflichten kommt eine Haftung aus einem unechten Unterlassungsdelikt in Frage. Weil die insoweit maßgeblichen Straf- und Bußgeldtatbestände oftmals Sonder- und Pflichtdelikte darstellen, setzt eine täterschaftliche Haftung voraus, dass sich die Sondereigenschaft bzw. -pflicht über die § 14 StGB, § 9 OWiG auf den Betriebsbeauftragten transferieren lässt.[97] Insoweit wäre im Zweifel auf § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB bzw. § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG abzustellen, die aber gewisse Entscheidungsbefugnisse voraussetzen, an denen es dem Betriebsbeauftragten gerade fehlt (siehe Rn. 188 ff.).[98] Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass die institutionelle Ausgestaltung der Position des Betriebsbeauftragten nicht zwingend mit den Regelungsprinzipien des Gesellschaftsrechts im Einklang stehen muss.[99]
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Auch insoweit kommt es darauf an, gerade die Grenzen der Handlungspflichten in das Zentrum der Verteidigung zu rücken, da die Voraussetzungen einer straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung durchaus hoch sind. Angesichts der ihnen zugewiesenen Funktionen ist insbesondere dem Versuch entgegenzutreten, Betriebsbeauftragten eine allgemeine Pflicht zur Unterbindung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufzuerlegen, die einer Geschäftsherrenhaftung gleichkäme. Ansatzpunkte für Verteidigungsstrategien bieten ferner die Grenzen der Transferierung von Pflichten nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB, § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG sowie gesellschaftsrechtliche Regelungsprinzipien.
ee) Beteiligung des Garanten
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Mit Blick auf die Art der Beteiligung gelten im Unterlassungsbereich die allgemeinen Grundsätze. Allerdings kann die Frage akut werden, ob das Nichteinschreiten einer Leitungsperson gegen Mitarbeiterstraftaten als Täterschaft oder Teilnahme anzusehen ist, sofern wegen der Natur des jeweiligen Tatbestandes als Sonder-, Pflicht- oder eigenhändiges Delikt die täterschaftliche Haftung nicht sowieso ausscheidet. An diesem Punkt ergibt sich eine Parallele zu der auch außerhalb des Unternehmensstrafrechts diskutierten Frage nach der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme – genauer: Beihilfe – im Bereich der Unterlassungsdelikte.[100]
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Teilweise werden von der im Bereich der Begehungsdelikte vertretenen Grundkonzeption abweichende Positionen formuliert. Auf der Grundlage der Tatherrschaftslehre argumentiert man, der Unterlassende könne niemals die Tatherrschaft im Sinne eines vom Vorsatz umfassten In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs innehaben, weshalb er als Gehilfe zu bestrafen sei.[101] Ist einer solchen Auffassung entgegenzuhalten, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Verhaltensmodalität und Tatherrschaft besteht,[102] überzeugt auch die auf dem Boden der Pflichtdeliktslehre entwickelte Gegenposition nicht, nach der