Handbuch des Strafrechts. Группа авторов
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3. Umsatzbezogene Geldbußen
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Umsatzbezogene Geldbußen sieht das Kartellordnungswidrigkeitenrecht seit dem 1. Januar 2005[161] vor. Kartellordnungswidrigkeiten können nicht nur mit einer Geldbuße von bis zu 1 Mio. Euro geahndet werden, sondern darüber hinaus kann gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung eine höhere Geldbuße verhängt werden, die 10 % des Gesamtumsatzes erreichen kann, der in dem Geschäftsjahr erzielt wurde, das der Entscheidung vorausging (§ 81 Abs. 4 S. 2 GWB). Zugrunde zu legen ist der „weltweite Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen, die als wirtschaftliche Einheit operieren“ (§ 81 Abs. 4 S. 3 GWB). Auch der wirtschaftliche Vorteil gemäß § 17 Abs. 4 OWiG kann abgeschöpft werden (§ 81 Abs. 5 S. 1 GWB). Die Umsatzabführung hat die mehrerlösbezogene Bemessung abgelöst, die nur die Abschöpfung bis zur dreifachen Höhe des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses gestattete (§ 81 Abs. 2 GWB a.F.). Anlass war, dass der Europäischen Kommission das neue Kartellrechtssystem die Verhängung umsatzbezogener Geldbußen ermöglicht hatte (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003). Nunmehr musste sichergestellt werden, dass auch die deutschen Kartellbehörden hohe Bußgelder verhängen können, um der dezentralen Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts praktische Wirksamkeit zu verschaffen und die volkswirtschaftlichen Schäden durch einen Kartellrechtsverstoß zu kompensieren.[162] Darüber hinaus wurde in den vergangenen Jahren in weiteren Deliktsbereichen – in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben – ebenfalls die Möglichkeit geschaffen, sehr hohe umsatzbezogene Verbandsgeldbußen zu verhängen, nämlich im Bilanzrecht (§ 334 Abs. 3a und 3b HGB) und im Wertpapierrecht (§ 120 Abs. 17–23 WpHG). Ebenso sieht das Datenschutzrecht umsatzbezogene Geldbußen vor (Art. 83 DSGVO). Es ist zu erwarten, dass diese Form der Geldbuße künftig in weiteren harmonisierten Rechtsbereichen Einzug halten wird.
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Umsatzbezogene Geldbußen, die bei Großunternehmen hohe Geldbußen im Milliardenbereich ermöglichen, unterliegen im Schrifttum starker Kritik:[163] die dem Gesetzgeber obliegende Bestimmung des Bußgeldrahmens werde auf den Rechtsanwender übertragen (Gewaltenteilung); der Gesamtumsatz stehe in keinem zwingenden Zusammenhang zum Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat und deren Auswirkungen (Schuldgrundsatz); extrem hohe Geldbußen, die den Höchstbetrag einer Geldstrafe um ein Vielfaches übersteigen, seien kein bloßes Ordnungsunrecht (Rechtsstaatsprinzip). Die Gerichte der EU[164] haben umsatzbezogene Geldbußen aber bislang nicht beanstandet, da hierdurch weder der allgemeine Rechtsgrundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Tatbestand und Strafe noch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen (Art. 7 Abs. 1 EMRK) verletzt werde.
4. Einziehung von Gegenständen (§ 74e StGB, § 29 OWiG)
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Weiter kommt nach § 74e StGB (§ 75 StGB a.F.), § 29 OWiG die Einziehung von Verbandseigentum in Betracht, wenn eine Leitungsperson gehandelt hat und unter den übrigen Voraussetzungen der §§ 74–74c StGB (Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten) bzw. §§ 22–25, 28 OWiG (Einziehung von Gegenständen) die Einziehung zulässig ist. Der Kreis der in § 74e S. 1 StGB, § 29 Abs. 1 OWiG genannten Organe und Vertreter sowie Verbände deckt sich mit § 30 OWiG, da er zum 30. August 2002 (Rn. 29) ebenfalls erweitert worden war. Dieser „Gleichklang“ sollte verhindern, dass Einziehungsanordnungen durch die Verlagerung der Verantwortung unterlaufen werden können.[165] Bei vorsätzlichen Straftaten ist die Einziehung von Tatprodukten und Tatmitteln stets zulässig (§ 74 Abs. 1 StGB), im Übrigen muss sie besonders zugelassen sein (§ 74 Abs. 3 S. 2 StGB, § 22 Abs. 1 OWiG), wobei es i.d.R. um die Einziehung von Gegenständen geht, auf die sich die Tat bezieht (sog. Beziehungsgegenstände, heute als Tatobjekte bezeichnet, vgl. § 74 Abs. 2 StGB; Beispiele: § 150 StGB, § 129 OWiG). Die Tat muss grds. schuldhaft bzw. vorwerfbar begangen worden sein (Umkehrschluss aus § 74b Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 22 Abs. 3 OWiG).
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Die Einziehung von Gegenständen gilt als „schillerndes Rechtsinstitut“.[166] Im Strafrecht ist sie eine Nebenstrafe[167] und Teil der Strafzumessung, wenn sie gegen einen Täter oder Teilnehmer angeordnet wird, der schuldhaft gehandelt hat. Fehlt es hieran, ist sie eine Sicherungsmaßnahme, um gefährliche Gegenstände aus dem Verkehr zu ziehen (vgl. § 74b Abs. 1 StGB). Darüber hinaus gibt § 74a StGB die Möglichkeit der strafähnlichen Dritteinziehung ungefährlicher Gegenstände.[168] Gegenstände eines Tatunbeteiligten werden eingezogen, wenn er mindestens leichtfertig zur Verwendung als Tatmittel oder Tatobjekt beigetragen (§ 74a Nr. 1 StGB) oder den Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben hat (§ 74a Nr. 2 StGB). Da dem Dritten ein „quasi-schuldhaftes Verhalten“ angelastet wird, dürfte die Dritteinziehung nur dann mit dem Schuldgrundsatz vereinbar sein, wenn der Dritteigentümer zumindest mittelbar in die Tatbegehung „verstrickt“ war.[169] Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist die Einziehung eine Nebenfolge, der ebenfalls eine Doppelfunktion
5. Verwaltungsrechtliche Maßnahmen
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Schließlich steht ein umfangreiches verwaltungsrechtliches Instrumentarium zur Verfügung. Hierbei geht es allerdings nicht um die (repressive) Sanktionierung eines schuldhaften Verhaltens, sondern ausschließlich um die (präventive) Abwehr von Gefahren, die von Betrieben und Unternehmen ausgehen.
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Zunächst besteht die Möglichkeit der Gewerbeuntersagung, womit quasi ein „Berufsverbot“ verhängt werden kann. So kann nach § 35 GewO von der zuständigen Behörde die Ausübung eines stehenden Gewerbes ganz oder teilweise auf Dauer – mit der Möglichkeit der Wiedergestattung – untersagt werden, „wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist“. „Erforderlich“ ist eine Untersagung, wenn zum Schutz kein milderes Mittel zur Verfügung steht (z.B. Auflagen, Abmahnung). Eine „Volluntersagung“ kommt nur ausnahmsweise in Betracht.[171] Auch weitere Vorschriften ermöglichen die Untersagung gewerblicher Betätigungen: § 59 GewO (Reisegewerbe); § 15 GastG (Gaststättengewerbe); § 16 Abs. 3 HWO (Handwerk).
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Weiter ist die Untersagung der Benutzung von Anlagen möglich. Die zuständige Behörde kann die Benutzung gewerblicher Anlagen wegen überwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl zu jeder Zeit untersagen (§ 51 GewO). Den Betrieb genehmigungspflichtiger Anlagen kann sie