Handbuch des Strafrechts. Группа авторов
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Selbst die Zwangsauflösung des Verbandes, gewissermaßen die „Todesstrafe“, ist bei einer Gefährdung des Gemeinwohls möglich (siehe § 396 AktG; § 62 GmbHG; § 81 GenG; § 87 BGB). In der Praxis haben diese Vorschriften jedoch bislang nur in einem Fall aus den 1930er Jahren[172] Bedeutung erlangt. Denn sie sind sehr eng gefasst. Die Auflösung ist subsidiär zu anderen Maßnahmen (wie der Abberufung der Leitungspersonen), sie kann durch die Herbeiführung der Insolvenz und die Errichtung von Nachfolgegesellschaften ausgehebelt werden und hat in sozialer, arbeitsrechtlicher und wirtschaftspolitischer Hinsicht gravierende Konsequenzen.[173]
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Schließlich ermöglichen §§ 3, 17 Nr. 1, Nr. 2 VereinsG das Verbot einer Wirtschaftsvereinigung, sofern diese sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet oder gegen staatsschützende Strafnormen verstößt. Damit soll verhindert werden, dass ein Vereinsverbot umgangen wird.[174] Das gewöhnliche Auflösungsverfahren führt nämlich nicht zu einer raschen und effektiven Zerstörung einer Gesellschaft, da die Liquidation regelmäßig von selbst eingesetzten Organen durchgeführt wird und die Gefahr besteht, dass das Gesellschaftsvermögen unter anderweitiger Tarnung missbraucht wird.
6. Registereinträge
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Eine rechtskräftig festgesetzte Verbandsgeldbuße von mehr als 200 Euro ist in das Gewerbezentralregister einzutragen, das durch das Bundesamt für Justiz (BfJ) geführt wird (§ 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO). Damit soll den zuständigen Gewerbebehörden Tatsachenmaterial an die Hand gegeben und ein wirksamer Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden ermöglicht werden.[175]
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Darüber hinaus haben in den vergangenen beiden Jahrzehnten die meisten Bundesländer per Gesetz oder ministeriellem Erlass Korruptions- und Vergaberegister geschaffen, mit denen – freilich unter stark divergierenden Voraussetzungen – Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden können.[176] Auf Bundesebene scheiterten dagegen lange Zeit alle Pläne zur Einrichtung eines zentralen Registers.[177] Erst mit dem „Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters und zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ vom 18. Juli 2017[178] wurde ein Wettbewerbsregister geschaffen, das vom Bundeskartellamt als Datenbank geführt wird (§ 1 WRegG), im Jahr 2020 funktionsfähig sein soll und die Landesregister ablösen wird. Eingetragen werden unter den Voraussetzungen von § 2 WRegG rechtskräftige Verurteilungen, Strafbefehle oder bestandskräftige Bußgeldentscheidungen.
12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 49 Strafbarkeit juristischer Personen › D. Die Diskussion um die Einführung eines Verbandsstrafrechts
I. Dogmatische Aspekte
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In der deutschen Strafrechtswissenschaft bestehen traditionell grundlegende Bedenken gegenüber einem Verbandsstrafrecht. Nach h.M.[179] stehen ihm die strafrechtlichen Grundkategorien entgegen. Verbände seien weder handlungs-, schuld- noch straffähig. Auch wären Doppel- und Kollektivbestrafungen zu befürchten. Für die gerade in den letzten Jahren weiter vordringende Gegenauffassung[180] sind diese Hindernisse dagegen überwindbar, da dogmatische Grundsätze „nicht in Stein gemeißelt“[181] seien.
1. Handlungsfähigkeit
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Traditionell[182] wird bereits die Handlungsfähigkeit von Verbänden verneint. Juristischen Personen und Personenvereinigungen fehle es als juristischen Konstrukten an der psychisch-geistigen Substanz, sie seien unfähig, einen eigenen „natürlichen“ Willen zu bilden und zu handeln. Das Handeln von Verbänden sei stets von Menschen abgeleitet, ein eigenes Handeln sei nur im Zivilrecht normativ anerkannt.
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Die Gegenauffassung bejaht die Handlungsfähigkeit. Ein älterer Ansatz[183] nahm an, dass ein Verband durch seine Mitglieder „selbst“ handelt, also i.d.S. über eine „natürliche“ Handlungsfähigkeit verfügt. Jedes Mitglied des Verbands unterwerfe sich mit seinem Beitritt den in der Satzung geregelten Modalitäten der Beschlussfassung. Der Verbandswille manifestiere sich in der Beschlussfassung der Mehrheit, das Verbandsverhalten bestehe in der Umsetzung durch die Vertreter. Der Verband habe damit einen Sonderwillen, der sich vom Einzelwillen der Mitglieder unterscheiden könne. Gegen diese Sichtweise ist aber einzuwenden, dass dieser Verbandswille kein „eigener“ ist, sondern auf der vorgelagerten Willensbildung von Menschen fußt.[184] Zudem handelt bei der Umsetzung der Beschlüsse nicht der Verband, sondern ein Vertreter, der auch auf eigenen Entschluss hin tätig werden kann. Im Übrigen ist es wenig plausibel, dass die Mitglieder die Begehung von rechtswidrigen Handlungen stets billigen bzw. sich solchen Mehrheitsentscheidungen unterwerfen wollen.[185]
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Ein neuerer Ansatz[186] erblickt den „eigenen“ Verbandswillen und die „natürliche“ Handlungsfähigkeit des Verbands im „realen“ Tätigwerden des Verbands, das er als dessen (originär) „eigenes“ Handeln begreift. Angeknüpft wird hierbei insb. an die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit von Otto v. Gierke, wonach Verbände reale, eigenständige soziale Subjekte seien und „selbst“ durch ihre Vertreter handeln (Rn. 7), aber auch an die Systemtheorie von Niklas Luhmann, wonach sich das Verhalten eines sozialen Systems als dessen eigenes Handeln begreifen lasse. Teilweise wird auch in Anlehnung an Immanuel Kant angenommen, dass jede Handlung natürlicher Personen, die als Teil einer juristischen Person vollzogen wird, „eine Handlung des Ganzen, mithin jedes einzelnen Teiles“ darstellt.[187] Freilich ist gegen diese Sichtweisen erneut einzuwenden, dass nicht der Verband „selbst“ handelt, sondern dass Menschen „für ihn“ handeln, womit aus der Perspektive des Rechts (nur) eine Zurechnung von Handlungen an den Verband als „eigene“ stattfindet.
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Überzeugender ist die verbreitete[188] Annahme, dass einem Verband die willensgetragenen Handlungen seiner Leitungspersonen auch strafrechtlich als „eigene“ zuzurechnen sind, mithin eine „Form des eigenen Handelns durch einen anderen“[189] vorliegt. Teilweise[190] werden einem Unternehmen sogar die Handlungen aller Personen zugerechnet, die ihm angehören. Maßgebend ist in jedem Fall die normative Anerkennung. Prägnant formulierte dies Franz v. Liszt bereits im Jahr 1881: „Wer Verträge schließen kann, der kann auch betrügerische oder wucherische Verträge schließen“.[191] Soweit hierdurch aber auf das Zivilrecht und speziell auf § 31 BGB[192] abgestellt wird, wonach Vereine für Handlungen ihrer Organe „haften“, ist dem entgegenzuhalten, dass der Schluss von der zivilrechtlichen Haftung auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht zwingend ist.[193] Auch der Hinweis darauf, dass dem Strafrecht die Zurechnung eines Verhaltens „als eigenes“ nicht fremd sei, weil bei § 25 StGB dem mittelbaren Täter das Verhalten des Tatmittlers zugerechnet wird und auch bei der Mittäterschaft Tatbeiträge wechselseitig zugerechnet werden,[194] verfängt nicht. In diesen Fällen liegt ein (originär) eigenes Handeln und Wollen des Täters vor, an das die Zurechnung anknüpft.[195] Durchgreifend ist