Die Rechte des Verletzten im Strafprozess. Klaus Schroth
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Diese Überlegungen mündeten im Jahr 1984 in die auf dem 55. Deutschen Juristentag erhobene Forderung, die Schutzrechte des Verletzten auszubauen und insbesondere die sich aus rechtlich zulässigen Verteidigungsstrategien des Angeklagten ergebenden Härten für den Verletzten so weit als möglich auszugleichen und die Mitwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten des Verletzten so auszugestalten, dass er seine legitimen Interessen im Falle ihrer Bedrohung selbst zur Geltung bringen kann.[8] Daneben fanden gerade in dieser Zeit einige öffentlichkeitswirksame Strafverfahren im Zusammenhang mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung statt, die für die Betroffenen erhebliche Belastungen mit sich brachten.
Vor diesem Hintergrund nahm sich der Gesetzgeber sehr schnell dem Problem der Stellung und der Rechte des Verletzten an. Während man noch kurz zuvor in Erwägung gezogen hatte, die Rechte der Verletzten zugunsten einer Entlastung der Justiz im Bereich des Strafverfahrens einzuschränken, änderte sich diese Meinung rasch in entgegengesetzter Richtung. Nach Schünemann hatte sich der Gedanke einer Verbesserung der Verletztenposition so rasch um sich gegriffen, dass alle anderen Ansätze überflügelt wurden und „in Windeseile“ konnten die dem Bundestag vorliegenden Gesetzesentwürfe durchgebracht werden.[9] Nachdem auch der Bundesrat in seiner Sitzung vom 28.11.1986 keinen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 GG auf Einberufung des Vermittlungsausschusses gestellt hatte[10], trat das sog. „Opferschutzgesetz“ vom 18.12.1986[11] am 1.4.1987 in Kraft.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › III. 1. Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren vom 18.12.1986 › 2. Wesentlicher Inhalt
2. Wesentlicher Inhalt
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Schwerpunkt des sog. „Opferschutzgesetzes“ war eine Neuordnung der Beteiligungsrechte des Verletzten im Strafverfahren. Der Begriff des Verletzten wurde allerdings nicht definiert, sondern seine normative Ausfüllung sollte der Auslegung im jeweiligen Funktionszusammenhang überlassen bleiben. Das Gesetz sah nicht für jeden in irgendeiner Weise Verletzten die gleichen Rechte vor, sondern differenzierte bei bestimmten Befugnissen nach der Intensität der Beeinträchtigung.
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Wichtige und umfangreiche Änderungen durch das „Opferschutzgesetz“ ergaben sich im Bereich der Nebenklage, die somit einen Kernpunkt des Schutzes des Verletzten bildete.[12] Es blieb zwar wie bisher bei der Nebenklagebefugnis für Angehörige eines durch die Tat Getöteten sowie bei der Befugnis derjenigen, die die Anklageerhebung im Klageerzwingungsverfahren herbeiführen mussten; die vormalige, nur schwer einzusehende[13] und daher heftig kritisierte Verbindung der Nebenklagebefugnis mit der Berechtigung zur Privatklage wurde hingegen aufgegeben. Vielmehr zählte das neue Gesetz nunmehr enumerativ überwiegend schwere, gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtete Straftaten auf, die zukünftig die Nebenklagebefugnis begründen sollten. Hierzu gehörten insbesondere Kapitaldelikte, Körperverletzungen und Sexualstraftaten. Leichtere Straftaten aus dem Katalog der Privatklagedelikte, wie z.B. Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung, berechtigten nicht mehr zur Nebenklage. Die in der Praxis häufigen Fälle einer fahrlässigen Körperverletzung führten nicht mehr generell zur Nebenklagebefugnis; hier bedurfte es besonderer Gründe, z.B. schwere Verletzungsfolgen. Im Bereich der Straftaten gegen den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht wurde die bis dato geltende Regelung beibehalten.
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Die Verletzten erhielten in einem neu eingefügten 4. Abschnitt des 5. Buches in den §§ 406d bis 406h StPO das Recht auf Akteneinsicht sowie auf Beistandschaft eines Rechtsanwalts. Zudem wurden der Persönlichkeitsschutz und die Möglichkeiten zur Schadenswiedergutmachung verbessert. Im „Opferschutzgesetz“ wurde außerdem ferner der Versuch unternommen, das Adhäsionsverfahren aufzuwerten, da dieses zuvor in der Praxis nur eine geringe Rolle gespielt hatte. Die Streitwertgrenze wurde aufgehoben und der Erlass von Grund- und Teilurteilen ermöglicht. Außerdem konnte dem Antragsteller im Adhäsionsverfahren auf Antrag auch Prozesskostenhilfe gewährt werden. Das Absehen von einer Entscheidung blieb jedoch für das Gericht weiterhin möglich.
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Weitere bedeutende Neuerungen brachte das „Opferschutzgesetz“ im Bereich des Schutzes der Persönlichkeitssphäre: Die Änderungen der §§ 68a und 247 StPO waren gewissermaßen ein „gesetzgeberischer Appell“, der alle Prozessbeteiligten „über den unmittelbaren, in seiner Wirkung wohl eher begrenzten Anwendungsbereich hinaus zu möglichst schonendem Umgang miteinander“ aufforderte.[14] Schließlich enthielt das „Opferschutzgesetz“ auch eine Neuregelung der Vorschriften über den Ausschluss der Öffentlichkeit.
Anmerkungen
Kaiser Kriminologie, S. 1.
Jung JR 1984, 309.
Jung ZStW 1981, 1109 ff.
Vgl. dazu Schöch NStZ 1984, 385, 386; vgl. Weigend ZStW 1984, 761; Kaiser Kriminologie, S. 191 ff.; Granderath MDR 1983, 797.
Rieß Gutachten zum 55. DJT, S. 9, 47 ff., 51 f., 55.
BVerfGE 38, 105.