Die Verfassungsbeschwerde in Strafsachen. Matthias Jahn
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Dies ist im Sinne einer „selbsterfüllenden Prophezeiung“ auch insofern bedenklich, als es dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer umso schwerer fallen wird, auch nur die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde zu erfüllen[57] – womit gleichzeitig die Erfolgsaussichten im Ganzen regelmäßig verneint werden müssen. Das Gericht verfehlt hier unter offensichtlich fiskalischen Vorzeichen teilweise die von ihm selbst bei den Fachgerichten angemahnte Rechtsprechung,[58] wonach an die Antragstellung einer unbemittelten Partei im Prozesskostenhilfeverfahren und an die Verfassungsbeschwerde eines nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürften.
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Wird dem PKH-Gesuch und dem Beiordnungsantrag ausnahmsweise (im Beschlusswege) doch einmal stattgegeben, werden von der Erstattung in der Regel die Kosten für ein verfassungsrechtliches Gutachten eines früheren Bundesverfassungsrichters oder Universitätsprofessors nicht umfasst, es sei denn, die Beschwerde betrifft die Klärung einer außergewöhnlich schwierigen Frage.[59] Das Gericht erwartet von dem Rechtsanwalt, der das Mandat annimmt, dass er sich mit der verfassungsrechtlichen Materie selbst ausreichend vertraut macht und auseinandersetzt, die Rechtsprechung des Gerichts zu den aufgeworfenen Fragen prüft, die Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Verfassungsbeschwerde eingehend abwägt und sich entsprechend den Ergebnissen seiner Prüfung verhält.[60]
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Dieser Auffassung der Karlsruher Judikatur lässt sich aus praktischer Sicht entgegenhalten, dass es dem Anwalt innerhalb der vorgegebenen Zeit von einem Monat kaum einmal möglich sein wird, sich ein wirklich umfassendes Bild der verfassungsrechtlichen Lage zu machen. Im Gegensatz zu den sachkundigen staatlichen Äußerungsberechtigten (§ 27a BVerfGG), die sich ihre Arbeitsanteile zudem regelmäßig in mehrköpfigen Arbeitsgruppen aufteilen können, wird den im materiellen Verfassungsrecht regelmäßig unerfahrenen Rechtsanwalt auch die intensive Lektüre der einschlägigen Kommentare, Aufsätze und Entscheidungen nur schwerlich in die Lage versetzen, ein ähnlich fundiertes Vorbringen formulieren zu können.[61]
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Der Antrag auf Prozesskostenhilfe erledigt sich denknotwendig mit der bei erfolgreicher Verfassungsbeschwerde ergehenden Anordnung der Kostenerstattung nach § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.[62]
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Es ergibt sich aus alledem, dass ein Verfassungsbeschwerdeverfahren jedenfalls vom wirtschaftlichen Standpunkt aus keine lohnende Investition für den Rechtsanwalt und Strafverteidiger ist. Ob sein Einsatz durch die ungewisse Aussicht auf eine gewonnene Beschwerde – mit der seit BVerfGE 27 üblichen Nennung der Kanzlei in der amtlichen Sammlung oder als Einsender in einer der strafrechtlichen Fachzeitschriften – zumindest immateriell ausreichend entlohnt wird, muss jeder Berufsträger für sich entscheiden. Es wird deshalb in der Regel zur Gebührenvereinbarung zu raten sein.[63]
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Hinweis
Es empfiehlt sich im Rahmen einer Honorarvereinbarung in den Grenzen des § 3a Abs. 2 RVG die Vereinbarung einer Pauschalvergütung.[64] Bereits vor der abschließenden Entscheidung, ob Verfassungsbeschwerde erhoben werden soll, kann zudem eine gesonderte Honorarvereinbarung allein hinsichtlich der vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussichten getroffen werden.[65] Die endgültige Entscheidung zur Übernahme des Verfassungsbeschwerdemandats kann dabei ausdrücklich unter den Vorbehalt eines positiven Ergebnisses dieser Prüfung gestellt werden.
Teil 1 Die Aufgaben des Strafverteidigers im Verfassungsbeschwerdeverfahren › A. Überlegungen vor Mandatsannahme › V. Zeitfaktor
V. Zeitfaktor
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Insbesondere dann, wenn der nunmehr mit der (Prüfung der Erfolgsaussichten der) Verfassungsbeschwerde beauftragte Anwalt im fachgerichtlichen Verfahren noch nicht mandatiert war, ist ein Monat eine bedrückend knappe Frist. Dem Zeitfaktor muss daher schon im Vorfeld besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
1. Begründung innerhalb der Frist des § 93 BVerfGG
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Gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG ist die Verfassungsbeschwerde gegen Gerichtsentscheidungen innerhalb eines Monats zu begründen. Diese Frist wurde trotz erheblich gestiegener Anforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde seit ihrer Einführung im Jahre 1951 nicht verändert. Sie ist nicht verlängerbar. Vor der endgültigen Übernahme des Verfassungsbeschwerdemandats empfiehlt es sich daher, die Fristenproblematik zu klären. Regelmäßig wird dem Anwalt das Mandat gegen eine gerichtliche Entscheidung erst kurz vor Ablauf der Verfassungsbeschwerdefrist angetragen.[66] Handelt es sich dabei nicht um den Rechtsbeistand des (gesamten) Ausgangsverfahrens, steht der Anwalt bereits im Hinblick auf die Begründung der Verfassungsbeschwerde unter Beifügung sämtlicher relevanter Unterlagen aus dem fachgerichtlichen Verfahren unter erheblichem Zeitdruck. Er steht vor der mühevollen Aufgabe, die entscheidungserheblichen Unterlagen zusammenzutragen und innerhalb der Frist vollständig an das Gericht zu übermitteln. Dies kann vor allem dann längere Zeit in Anspruch nehmen, wenn die Unterlagen vom dem oder den Vorgängern nicht zügig weitergeleitet werden.[67]
2. Grundsatz der Subsidiarität
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Das Augenmerk des Verteidigers sollte sodann insbesondere auf der Erfüllung der Anforderungen liegen, welche das BVerfG unter Berufung auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde stellt. Denn tatsächlich beginnt die Verfassungsbeschwerde natürlich auch in Strafsachen schon im Ausgangsverfahren – auch dies macht sie dem Verhältnis des Verfahrens in der Tatsacheninstanz zum strafprozessualen Revisionsverfahren vergleichbar. Ein wesentlicher Teil der Arbeit muss hier bereits erledigt worden sein, soll die Beschwerde nicht bereits als unzulässig zurückgewiesen werden.[68] Ein nicht unerheblicher Anteil der zu ergreifenden prozessualen Behelfe ist zudem im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen und wird dem Beschwerdeführer bzw. seinem Anwalt erst recht nicht mittels Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gemacht.[69] Nimmt der – erstmalig mit dem Verfassungsbeschwerdeverfahren betraute – Rechtsanwalt unser Buch erst am Ende des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens zur Hand, sind daher nicht selten sämtliche Chancen für die Erhebung einer zulässigen Verfassungsbeschwerde längst dahin. Er muss also in seinem eigenen Interesse entsprechende Nachforschungen über das Prozessverhalten im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren anstellen, will er nicht für dessen Fehler – auch finanziell – büßen (§ 34 Abs. 2 BVerfGG).[70] Er hat daher festzustellen, ob bereits sämtliche Rechtsbehelfe – auch solche, deren Statthaftigkeit gegebenenfalls zweifelhaft ist – ergriffen wurden oder zumindest noch ergriffen werden können. U.U. kann es geboten sein, diese Rechtsbehelfe neben der Verfassungsbeschwerde zu aktivieren, um sowohl das Risiko einer Zurückweisung wegen Verfristung als auch wegen Nichterfüllung der Anforderungen an die Subsidiarität zu minimieren.
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Hinweis
Sollte