Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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beachtet worden ist, BGH NStZ-RR 2010, 88. Floskeln wie „erzieherisch ausreichend, aber auch erforderlich“ sind nur in Ausnahmefällen ausreichend, z.B. wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass sich der Angriff des Angeklagten gegen einen an einer vorangegangenen Auseinandersetzung Unbeteiligten richtet. Die für das Erziehungsbedürfnis bedeutsameren Bezüge zur charakterlichen Haltung und zum Persönlichkeitsbild können in den festgestellten Taten zum Ausdruck gekommen sein, vgl. BGH NStZ 2007, 522. Maßgeblich sind also begründete jugendspezifische Strafzumessungskriterien. Zu Recht warnt Albrecht S. 250 davor, die flexible Rechtsprechung des BGH zu nutzen, Zumessungsentscheidungen insgesamt an unzulässigen Strafzwecken zu orientieren, sie aber gleichzeitig mit spezialpräventiv-erzieherischen Begriffen zu verkleiden. Ein richtig verstandener Erziehungsgedanke sollte zur Einheitlichkeit von Herstellungs- und Darstellungsebene führen; vgl. auch Streng StV 1998, 336.

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      Aus der Tatsache, dass Strafrahmen und Strafänderungsgründe des allgemeinen Strafrechts nicht gelten, hat der BGH die Zulässigkeit einer achtjährigen Jugendstrafe in einem Fall hergeleitet, in dem ein Heranwachsender einen Totschlag unter den Voraussetzungen des § 213 StGB begangen hatte (zulässige Höchststrafe fünf Jahre) (BGH MDR 1955, 372; vgl. auch BGH StV 1982, 27). Diese Entscheidung ist falsch und dürfte inzwischen auch überholt sein. Es gibt zwar keine Bindung der Jugendstrafe an die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts, und die allgemeinen Zumessungskriterien sind auch keine Leitlinien, doch muss wegen der gesetzgeberischen Gewichtung des Tatunrechts eine Beziehung zu den Strafdrohungen des allgemeinen Strafrechts hergestellt werden (Schaffstein/Beulke/Swoboda S. 180 f.). Mit einer vergleichbaren Begründung hat der BGH eine Jugendstrafe von sechs Jahren wegen Totschlags i.S. von § 213 StGB aufgehoben (BGHR JGG § 18 Abs. 1 S. 3 minder schwerer Fall 2). Verhängt der Tatrichter eine verhältnismäßig hohe Jugendstrafe, so muss das Urteil erkennen lassen, dass er in seine Prüfung das Vorhandensein aller im Sinne des § 267 Abs. 3 StPO bestimmenden strafmildernden Umstände einbezogen hat, BGH StV 1993, 531; vgl. auch BGH StV 1996, 269 = DVJJ-J 1996, 300. Begrenzungen ergeben sich aus einer verfassungskonformen Auslegung von § 18 Abs. 2 gleich unter zwei Verfassungsgesichtspunkten. Das Schuldprinzip ist verfassungsrechtlich als Grundrecht anzusehen (BVerfGE 20, 329 f.; Loos 1990, S. 89 f.). Damit gilt auch im Jugendstrafrecht das verfassungsrechtliche Schuldüberschreitungsverbot (grundlegend Miehe 1964, S. 118 ff.). Auch bei einem besonderen Erziehungsbedürfnis darf deswegen die obere Grenze der schuldangemessenen Strafe nicht überschritten werden (BGH StV 1998, 334; NStZ 1990, 389 = StV 1990, 505 = DVJJ-J 1991, 167; BGH NStZ 1986, 71; BVerfGE 50, 214 f.). Trotz ihrer nur mittelbaren Bedeutung begrenzen die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts einschließlich ihrer Änderungen die Jugendstrafe nach oben.

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      Eine Parallelwertung zwischen allgemeinem und Jugendstrafrecht ist auch unter dem verfassungsrechtlichen Verbot der Benachteiligung junger Menschen gegenüber Erwachsenen in vergleichbarer Verfahrenslage geboten (Albrecht S. 255; Eisenberg § 18 Rn. 11; Nothacker ZfJ 1985, 337; Ostendorf § 18 Rn. 5; Streng GA 1984, 149, 163f.). Problematisch ist aber, wann eine Benachteiligung gegeben ist. Miehe schätzt Jugendstrafe erheblich milder als Freiheitsstrafe ein und legt einen Maßstab von 2 zu 3 zu Grunde (Miehe 1964, S. 122). Eine Jugendstrafe von sechs Monaten würde einer schuldangemessenen Freiheitsstrafe von vier Monaten entsprechen. Maßgebend ist jedoch der Verlust an persönlicher Freiheit, so dass Jugend- und Freiheitsstrafe insoweit gleichzusetzen sind. Im Beispielsfall dürfte dann im Hinblick auf das Mindestmaß überhaupt keine Jugendstrafe verhängt werden.

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      Aus § 18 Abs. 2 ergeben sich ebenso wie schon aus § 2 Abs. 1 Beschränkungen hinsichtlich der zulässigen Strafzwecke. Die Zumessungserwägung, Straftäter wie der Angeklagte seien dafür verantwortlich, dass sich normale Bürger bei Dunkelheit allein nicht mehr auf die Straße wagen könnten, ist rechtsfehlerhaft, wenn damit eine über den erzieherischen Zweck hinausgehende Dauer der Jugendstrafe begründet wird (BGH StV 1990, 505 = DVJJ-J 1991, 167). Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte ist unzulässig (BGHSt 15, 224; 16, 263; BGH NStZ 1986, 160 [Theune]; BGH NJW 1994, 395 = NK 1994, 41). Gemeint ist damit die negative (Abschreckungs-)Generalprävention. Die Unzulässigkeit ergibt sich aus einem gesetzessystematischen Vergleich z.B. zwischen § 21 JGG und § 56 Abs. 3 StGB (Verteidigung der Rechtsordnung). Die Gegenposition hält die Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte nur auf der Ebene der Strafverhängung, nicht aber bei der Bemessung der Jugendstrafe für ausgeschlossen. So soll es z.B. nach Schaffstein/Beulke 13. Aufl., S. 152 zulässig sein, bei gehäuften Autoplünderungen und Diebstählen durch jugendliche Banden gegenüber einem Bandenmitglied, bei dem schädliche Neigungen festgestellt worden sind, bei der Bemessungsdauer auch die abschreckende Wirkung einer exemplarischen Strafe auf andere jugendliche Autodiebe zu berücksichtigen. Diese inzwischen aufgegebene Position lässt sich jedoch nicht mit dem Normprogramm des § 18 Abs. 2 in Einklang bringen. Ein Teil der Literatur will wenigstens Aspekte der positiven (Integrations-)Generalprävention berücksichtigt wissen (Bottke 1984, S. 36; Maurach/Gössel/Zipf Strafrecht, Allgemeiner Teil, Tb. 2, 7. Aufl. 1989, S. 725). Positive Generalprävention ist dabei als Bestärkung und Stützung der Rechtstreue der Bevölkerung, als Normvertrauen und Normstabilisierung und als „Einübung in Rechtstreue“ (Jakobs Strafrecht, AT, 1983, S. 15) zu interpretieren. Abgesehen von den empirisch nicht nachweisbaren generalpräventiven Wirkungen bei Jugendlichen (Schumann/Berlitz/Guth/Kaulitzki Jugendkriminalität und die Grenzen der Generalprävention, 1987, S. 161 und KrimJ 1987, 13) widerspricht eine unmittelbare Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte dem Vorrang des Erziehungsgedankens in § 18 Abs. 2. Da neben dem primären Zumessungskriterium der erforderlichen erzieherischen Einwirkung sekundär auch der Schuldausgleich bei der Bemessung der Jugendstrafe eine Rolle spielt, behalten generalpräventive Elemente eine mittelbare Bedeutung, weil der Schuldausgleichsgedanke seine innere Rechtfertigung von generalpräventiven Fernwirkungen erhält (Ostendorf § 17 Rn. 5). Eine ausschließlich oder im Wesentlichen auf das Tatunrecht abstellende Sanktionsbestimmung ohne Eingehen auf Gesichtspunkte der Erziehung ist rechtsfehlerhaft, BGH NStZ-RR 2006, 27; NStZ 2010, 281. Bei Verhängung der mit „höchst schwerer Schuld“ begründeten Höchststrafe muss aber nicht näher dargelegt werden, dass erzieherische Zwecke dieses Strafmaß erfordern, BGH NStZ 2007, 522 m. Anm. Eisenberg/Schmitz NStZ 2008, 94–96 zur Tötung aus Mordlust durch einen Jugendlichen.

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      Ziel von § 18 Abs. 2 ist die positive Spezialprävention, d.h. die Verhinderung erneuter Straftaten durch einen Beitrag zur Sozialisation des straffällig gewordenen jungen Menschen. Die negative Spezialprävention (individuelle Abschreckung, Sicherung) ist nur zweitrangig.

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      Bei der Bestimmung

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