Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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(§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 StGB; vgl. § 7), bei § 69 ist allerdings im Hinblick auf die Folgekriminalität (Fahren ohne Fahrerlaubnis) bei Jugendlichen und Heranwachsenden „Zurückhaltung angezeigt“, AG Saalfeld DVJJ-J 2001, 426, – die Vorschriften über die Einziehung (§§ 73 ff. StGB). Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, das seit dem 1.7.2017 gilt, hat zu einer Kontroverse in der Strafrechtsanwendung im Verfahren sowie in der Literatur geführt. Es geht um zwei Grundpositionen: Die Anwendung der Vorschriften soll grundsätzlich möglich sein, während die gegenteilige Meinung eine Einschränkung nach dem Leitprinzip des Erziehungsgedankens verlangt. Deutlich wird die Problematik in dem Anfragebeschluss des 1. Strafsenats zur unbeschränkten Anwendbarkeit des Gesetzes zur Vermögensabschöpfung: Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Im Jugendstrafverfahren steht die Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB und des Wertes von Taterträgen nach § 73c S. 1 im Ermessen des Tatgerichts (§ 8 Abs. 3 S. 1 JGG). Der Senat fragt bei dem 2. und 5. Strafsenat an, ob sie an der entgegenstehenden Rechtsauffassung festhalten. (BGH Beschl. v. 11.7.2019, 1 StR 478/18, JR 2019, 593 ff. mit Anmerkung Eisenberg). Dabei erscheint der Hinweis auf ein Ermessen bereits als Kompromiss zwischen der ausschließlichen Anwendung bzw. Ablehnung. Die Problematik ist nach einer Analyse von Gesetzgebung und aktueller Rechtsprechung von Schady/Sommerfeld ZJJ 2019, 235 wie folgt gelöst: Es gibt keine Sonderbestimmungen bzw. Einschränkungen im JGG, so dass die Anwendung der §§ 73 ff StGB gegeben ist. Zutreffend hat der BGH in seinem Beschluss angemerkt, dass es keinen Anhaltspunkt für eine inhaltliche Befassung mit der Einziehung im Jugendstrafverfahren oder gar mit einer Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht gegeben hat. Insoweit ist davon auszugehen, dass das Problem des Systembruchs nicht gesehen worden ist, woraus sich die Forderung nach einer Gesetzeskorrektur ergibt. Richtig ist aber, dass es keine rechtsstaatlich einwandfreie Lösung über eine gesetzeskorrigierende Auslegung geben kann. Gegenwärtig lässt sich eine Möglichkeit zugunsten von Jugendlichen und Heranwachsenden nur über eine Interpretation prozessualer Regelungen in den §§ 421 u. 435 StPO erzielen.

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      An die Stelle der allgemeinen Rechtsfolgen tritt das von den Strafrahmen des BT losgelöste Sanktionssystem des JGG (§§ 5–32, 88), das unter Reduzierung strafender Akzente vom Erziehungsgedanken beherrscht ist und so zur Subsidiarität von Strafe und Strafverfahren führt, dabei flexibler, jugendgemäßer und vor allem weniger stigmatisierend ist bzw. sein sollte. Wegen des Verbots der Schlechterstellung (vgl. § 55 Rn 6) junger Menschen gegenüber Erwachsenen bleibt aber § 60 StGB (Absehen von Strafe) anwendbar, BayObLG DVJJ-J 1993, 79; NStZ 1991, 584 m. Anm. Scheffler NStZ 1992, 491. Mangels anders lautender Vorschriften bleibt auch § 51 Abs. 2 StGB anwendbar, so dass eine bereits verbüßte Jugendstrafe kraft Gesetzes anzurechnen ist (ohne dass es eines Ausspruchs in der Urteilsformel bedarf), wenn gem. § 31 Abs. 2 unter Einbeziehung eines früheren Urteils einheitlich auf Jugendstrafe erkannt wird, BGH NStZ 1996, 279 m. zust. Anm. Brunner; § 31 Rn. 44.

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      Sondervorschriften über die Jugendgerichtsverfassung und das Jugendstrafverfahren finden sich in den §§ 33–81a. Die StPO-Regelungen über Strafbefehl und beschleunigtes Verfahren, Privatklage und Nebenklage sowie Entschädigung des Verletzten sind für die Gruppe der Jugendlichen nach den §§ 79–81 ausdrücklich ausgeschlossen. Die Nebenklage ist aber gemäß § 80 Abs. 3 S. 2 durch das 2. Opferrechtsreformgesetz seit dem 1.10.2009 begrenzt zugelassen und durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 ausgeweitet worden. Für die Gruppe der Heranwachsenden gilt § 109 Abs. 2.

      Zur Anwendungsdifferenzierung bzw. Sperrung von Normen der StPO durch Grundsätze des JGG vgl. Eisenberg NStZ 1999, 281 ff.

§ 35 Abs. 1 StPO: Die Einlegungsfrist für eine Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung beginnt mit der Verkündung der angegriffenen Entscheidung. Das JGG sieht eine hiervon abweichende Regelung nicht mit der für § 93 Abs. 1 S. 2 BVerfGG gebotenen Eindeutigkeit vor, BVerfG v. 1.3.2010 – 1 BvR 249/10.
§ 81b StPO: Kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug einer angeordneten ED-Behandlung, wenn es sich um die einmalige Tat eines Jugendlichen handelt und dessen Familie angemessen auf die Straftat reagiert hat, BayVG München StraFo 2004, 52. Nach dem VG Göttingen ZJJ 2010, 71 f. soll eine erneute Erhebung erkennungsdienstlicher Maßnahmen bei einem 17-Jährigen trotz eingestellter Verfahren wegen des Restverdachts zulässig sein. Notwendig sei die Erhebung, weil die Verfahren nicht wegen erwiesener Unschuld eingestellt worden sind und nach kriminalistischer Erfahrung prognostiziert werden könne, dass der Betroffene künftig wieder Straftaten begehen werde. Diese Entscheidung lässt aber jede jugendstrafrechtliche Orientierung vermissen, die im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips unter dem Aspekt der Angemessenheit zu berücksichtigen war, wie Bezjak und Sommerfeld zutreffend kritisieren (ZJJ 2010, 71–74).
§ 81g StPO: Die DNA-Identitätsfeststellung aufgrund eines Sexualdelikts bedarf einer einzelfallbezogenen Prognoseentscheidung in Bezug auf künftige Straftaten von erheblicher Bedeutung. Dies ist bei einer jugendtypischen Verfehlung, die mit einer Verwarnung zuzüglich 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit sanktioniert worden ist, eher fernliegend (BVerfG StV 2014, 578 = ZJJ 2014, 42: Durch die dauerhafte Speicherung eines unverwechselbaren Erkennungsmerkmals eines Jugendlichen droht eine „Brandmarkung“, „welche als determinierendes Element die Möglichkeit andauernder Straffreiheit als Grundvoraussetzung sozialer Integration einschränken kann“ – ein Beschluss, der Zustimmung verdient.
Ob der Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei gemeinschaftlichen Körperverletzungen, die nur mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln (also nicht mit einer Jugendstrafe) geahndet worden sind, überhaupt gegeben ist, hat das HansOLG Bremen bejaht (Beschl. v. 1.3.2013 – Ws 5/13): § 112a StPO und § 17 JGG sind Normen mit unterschiedlicher Zielrichtung. Eine Herausnahme von Straftaten, die nicht mit Jugendstrafe geahndet worden sind, würde dazu führen, dass der Schutz der Bevölkerung vor heranwachsenden Serienstraftätern nicht in gleichem Maße möglich wäre wie der Schutz vor erwachsenen Straftätern, zutreffend a.A. OLG Oldenburg StV 2012, 352.
§ 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO: Überlange Terminierungsfristen und unzureichende Angebote der Jugendhilfe im Bereich ambulanter Möglichkeiten in den neuen Bundesländern rechtfertigen keine Sicherungshaft wegen Wiederholungsgefahr gegen einen bisher nicht verurteilten, aber in 19 Fällen angeklagten jugendlichen „Mehrfachtäter“, LG Magdeburg DVJJ-J 1993, 413 m. zust. Anm. Breymann.
§ 121 StPO: Das berechtigte Anliegen, dass bei Jugendlichen auch in Nichthaftsachen auf eine möglichst rasche Aburteilung hinzuwirken ist, hat keinen Vorrang vor dem besonderen Beschleunigungsgebot in Haftsachen, OLG Köln StV 1997, 148.

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