Verteidigung von Ausländern. Jens Schmidt
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Renzikowski NJW 2014, 2539, 2541.
g) Entziehung Minderjähriger
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Von praktischer Relevanz sind immer wieder Fälle der Kindesentziehung, häufig in der Weise, dass Minderjährige in das Heimatland eines Elternteils verbracht werden, um sie dort dem Einflussbereich des anderen Elternteils zu entziehen. Die einschlägigen Tathandlungen stehen unter den in § 235 Abs. 2 StGB genannten Voraussetzungen unter Strafe. Beachtung verdient insoweit eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofes,[1] wonach eine längere Abwesenheit vom ursprünglichen inländischen Aufenthaltsort einer Strafbarkeit insbesondere dann nicht entgegensteht, wenn das betroffene Kind stets davon ausgegangen ist nach Deutschland zurückzukehren. Wegen der weiteren Einzelheiten sei auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen.
Anmerkungen
BGH NStZ 2015, 338 ff.
Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz
II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz
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Erhebliche praktische Bedeutung haben auch die Strafvorschriften des AufenthG, FreizügG/EU und AsylG; einem Großteil der sog. „Ausländerkriminalität“ liegen Verstöße gegen die zuvor genannten Vorschriften zugrunde, weshalb der Verteidiger zumindest über entsprechendes Grundlagenwissen verfügen sollte.
Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz › 1. Strafbarkeit gemäß § 95 AufenthG
1. Strafbarkeit gemäß § 95 AufenthG
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§ 95 Strafvorschriften
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. | entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält, |
2. | ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn a) er vollziehbar ausreisepflichtig ist, b) ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und c) dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist, |
3. | entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist, |
4. | einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt, |
5. | entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist, |
6. | entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet, |
6a. | entgegen § 54a wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet, |
7. | wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder |
8. | im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden. |
(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. | entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1 a) in das Bundesgebiet einreist oder b) sich darin aufhält oder |
2. | unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. |
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.
(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.
(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.
(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.
a) Allgemeines
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Taugliche Täter i.S.d. § 95 Abs. 1, 2 Nr. 1 AufenthG können nur Ausländer sein, auf die die Vorschriften des AufenthG Anwendung finden;[1] andere Personen können nur als Teilnehmer bestraft werden, weshalb stets zu prüfen ist, ob der Ausländer zu dem in § 1 AufenthG genannten Personenkreis gehört. Zu nennen ist insoweit insbesondere § 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; danach findet das AufenthG keine Anwendung, wenn der Ausländer nach Europäischem Gemeinschaftsrecht Freizügigkeit genießt und durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine entsprechende Regelung enthält § 11 FreizügG/EU, welche die Straftatbestände des AufenthG in weiten Teilen für anwendbar erklärt. Ausnahmsweise können auch Deutsche[2] täterschaftlich handeln, § 95 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AufenthG findet auch auf diese Anwendung. Ändert sich aufgrund des Beitritts zur Europäischen Union der persönliche Anwendungsbereich des betroffenen Ausländers, soll die Rechtslage zum Zeitpunkt