Absprachen im Strafprozess. Dirk Sauer

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Absprachen im Strafprozess - Dirk Sauer Praxis der Strafverteidigung

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Schließlich ist die Perspektive der Vergeltungstheorie rückwärtsgewandt. Es geht nicht um zukünftige Entwicklungen, um Wirkungen der Verurteilung auf den Täter oder die Gesellschaft, sondern primär um das Ideal der Gerechtigkeit, um dessentwillen der in der Vergangenheit geschehene, individuell zurechenbare Rechtsbruch eine Übelszufügung zu Lasten des Zurechnungssubjektes nach sich ziehen muss. Aus diesem Verständnis heraus ist es folgerichtig, Wahrheitsfindung und strikte Grundsatztreue einschließlich der Wahrung der Formen, stets mit dem Ziel des möglichst gerechten Urteils, möglichst ohne Abstriche zu verwirklichen.

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      Die Relativierung von Idealen wie Wahrheit und Gerechtigkeit zu Gunsten eher pragmatischer und zweckorientierter Betrachtungsweisen hat eine besondere Ausprägung auch in der Stärkung der Rolle der von Straftaten (mutmaßlich) betroffenen Personen gefunden, die heute vielfach in der StPO vorzufinden ist. Vor dem Hintergrund viktimologischer Studien ist in den letzten Jahrzehnten das „Tatopfer“ vom Rand deutlich mehr in das Zentrum des öffentlichen Bewusstseins und sodann auch des Strafprozesses und des Strafprozessrechts gerückt.

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      Das zeigt sich neben anderem beispielsweise an § 46a StGB, dem so genannten Täter-Opfer-Ausgleich, der dem Beschuldigten die Möglichkeit eröffnet, durch Kontaktaufnahme mit dem (vermeintlich) Geschädigten sowie ein Bemühen um Wiedergutmachung eine mildere Strafe oder Straffreiheit zu erlangen. Es ist kein Zufall, dass in Folge der Einführung dieser Vorschrift einige Zeit danach auch § 153a geändert und die §§ 155a, 155b mit dem Ziel eingefügt wurden, eine Durchführung des so genannten Täter-Opfer-Ausgleichs in der Praxis zu erleichtern und zu fördern. Nach § 155a „soll“ die Staatsanwaltschaft sogar auf einen Ausgleich zwischen Verdächtigem und mutmaßlichem Opfer „hinwirken“.

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      Begünstigt wurde und wird die Neigung zum Verzicht auf die Durchführung des „klassischen“ Strafverfahrens weiterhin durch eine Fehlentwicklung des materiellen Strafrechts.

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      „StPO §§ 153 bis 154b sorgen dafür, dass sich die Verfolgungsbehörden und die Gerichte von der Bearbeitung bagatellarischer sowie solcher Angelegenheiten entlasten können, an deren strafrechtlicher Erledigung ein beachtliches Interesse vom Standpunkt deutscher Strafrechtspflege aus nicht besteht. So unentbehrlich das ist, darf nicht verkannt werden, dass die in den §§ 153 bis 154b StPO gefundene Lösung solange eine Halbheit darstellt, als nicht eine Generalbereinigung des Kriminalstrafrechts bis in die Tatbestände des StGB hinein von allem bloßem Verwaltungsunrecht, von allen Ordnungswidrigkeiten stattgefunden hat. Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch nach dieser Generalbereinigung nicht zum strengen Legalitätsprinzip zurückgekehrt werden kann. In welchem Ausmaß aber dann noch das Legalitätsprinzip durchbrochen werden müsste, ist eine Frage, die hier nicht erörtert werden kann.“

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