Der Dritte Weg in der Retrospektive. Julia Brandt
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Im Laufe der Jahre erfuhr die Satzung des DCV immer wieder Änderungen, insbesondere auch im Hinblick auf die innere Organisation und die Organe des DCV.153 Für die Entstehung und Entwicklung des Dritten Weges ist insbesondere die Arbeit des Zentralrates des DCV prägend, der lange Zeit das höchste Entscheidungsgremium des katholischen Spitzenverbandes bildete. Der Zentralrat wurde durch die Satzungsänderung 1917 zur Kontrolle der Verbandsführung geschaffen, ihm gehörten je zwei Vertreter der Diözesancaritasverbände und vier Vertreter der Zentrale des DCV an und ihm oblag die Finanz- und Wirtschaftsverantwortung, er hatte die Geschäftsführung des Zentralvorstands zu überwachen und alle wichtigen Angelegenheiten zu beraten.154 Während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr der Zentralrat einen Bedeutungszuwachs: er war das überregionale Caritas-Gremium mit der höchsten Arbeitskontinuität, die Bischöfe nahmen in den ersten Jahren nach 1945 häufiger und in größerer Anzahl an seinen halbjährlich stattfindenden Tagungen teil, was zu reger Unterstützung der Caritasarbeit durch den Episkopat führte und der Zentralrat öffnete sich externen Gästen, mitunter Vertretern der Militärregierungen.155
Mit der Satzungsreform 1966 gehörten dem Zentralrat die stimmberechtigten Mitglieder des Zentralvorstandes, die Vertreter der Diözesancaritasverbände, die Abteilungsleiter der Zentrale des DCV, die Vertreter zentraler Verbände, Vereine und Werke sowie die Vertreter caritativer Genossenschaften und Vereinigungen an.156 Als dem wichtigsten Verbandsorgan oblagen dem Zentralrat die Beratung und Entscheidung über Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.157 Der Zentralrat konnte zur vorübergehenden oder dauernden Aufgabenwahrnehmung Fachausschüsse bilden und über deren Zusammensetzung bestimmen, diese Ausschüsse hatten dem Zentralrat Bericht zu erstatten und unterlagen seinen Weisungen.158 Die Anfang der 1950er Jahre geschaffene arbeitsrechtliche Kommission war ein ständiger Ausschuss des Zentralrats.159
Heute übernimmt die Delegiertenversammlung die Beratung und Entscheidung über Fragen grundsätzlicher Bedeutung. In ihr sind alle Mitgliedsgruppen des Verbandes repräsentativ vertreten.160 Die Delegiertenversammlung wählt den Caritasrat. Dieser trifft wichtige verbandspolitische Entscheidungen, genehmigt den Haushalt, nimmt den Haushaltsbericht entgegen und entlastet den Vorstand. Dem Caritasrat gehören neben dem Präsidenten und dem Generalsekretär zwölf Vorsitzende und Direktoren der Diözesan-Caritasverbände sowie Vertreter der Fachverbände, Vereinigungen, Orden und der Ortsebene der Caritas an.161 Der Präsident des DCV wird von der Delegiertenversammlung auf sechs Jahre gewählt und repräsentiert den Deutschen Caritasverband gegenüber Kirche und Öffentlichkeit.162
Heute erfüllt der DCV übergeordnete Aufgaben der Koordinierung, Interessenvertretung und Qualitäts- und Strukturentwicklung. Nicht der DCV selbst, sondern seine Mitglieder und deren Untergliederungen sind Träger karitativer Einrichtungen. Die Richtlinien für das Arbeitsrecht sind aber ausgehend vom Spitzenverband entwickelt worden. Die selbständigen Einrichtungen sollten diese anwenden, was zunächst nicht ohne Schwierigkeiten blieb.
3.Zwischenergebnis: Vergleich der Strukturen
Zwischen beiden Akteuren gab und gibt es durchaus Verflechtungen: ein katholischer Kindergarten kann etwa als typische caritative Einrichtung der katholischen Kirche innerkirchlich mehrfach in Erscheinung treten. Als Einrichtung der katholischen Pfarrgemeinde ist er zugleich korporatives Mitglied des DCV, seine Mitarbeiter können nach den AVR der Caritas, nach anderen kircheneigenen Vergütungsordnungen oder anderen übernommenen Tarifen entlohnt werden.163
Die überbetrieblichen Mitbestimmungsordnungen haben sich unterschiedlich entwickelt. Der DCV als weltlich eingetragener Verein hat trotz eigener Diözesancaritasverbände seit jeher die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter überdiözesan organisiert.164 Die Normierung des Dritten Weges beruht in der Caritas nicht auf der Gesetzgebungsgewalt der Bischöfe, sondern auf der Satzungsautonomie des DCV.165 Die Caritas hatte mit dem DCV bereits früh einen Dachverband, in dessen Gremien die AVR entwickelt und die Bildung der Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen wurde. Allgemein sind die konfessionellen Wohlfahrtsverbände im Gegensatz zu den verfassten Kirchen überwiegend als kollektive Akteure aufgebaut, bei ihnen ist zudem weniger hierarchische Steuerung möglich.166 In der verfassten katholischen Kirche war und ist jede Diözese mit ihrem Bischof als Gesetzgeber eigenständig auch für die Regelung der Dienstverhältnisse verantwortlich, was sich auch am Bestand diverser arbeitsvertraglicher Regelungen zeigte.167 Hier übernahm der VDD als überörtliche Instanz die Entwicklung kollektiver Mitwirkungsinstrumente in Form von Rahmenregelungen, die freilich durch jeden Bischof in seiner Diözese in Kraft zu setzen waren.
Bei beiden Akteuren bedurfte es zentraler Stellen, die die Regelung der überbetrieblichen Mitbestimmung in die Hand nahmen, oft voran getrieben durch einzelne Personen und Experten, denen bei dieser Entwicklung Schlüsselpositionen zukamen. In der verfassten katholischen Kirche wurde eine Institution, welche die überdiözesane Aufgabe der Entwicklung eines Systems zum Arbeitsrecht übernehmen konnte, erst 1968, mit Gründung des VDD, geschaffen.
72Die Darstellung hier umfasst nicht alle Einzelheiten, sondern konzentriert sich vor allem auf die Institutionen in verfasster katholischer Kirche und Caritas, die an der Etablierung und Weiterentwicklung des Dritten Weges beteiligt waren und sind. Zu Aufbau und Organisation der verfassten katholischen Kirche siehe umfassend Schwendenwein, Die Katholische Kirche – Aufbau und rechtliche Organisation, Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Beiheft 37, Essen, 2003; siehe auch Schlief, Die Organisationsstruktur der katholischen Kirche, in: Listl/Pirson (Hrsg.), HbStKR, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 11; zur Organisation der Caritas: Hierold, Grundlegung und Organisation kirchlicher Caritas, 1979; SchmitzElsen, Die karitativen Werke und Einrichtungen im Bereich der katholischen Kirche in: Listl/Pirson (Hrsg.), HbStKR, Bd. II, 2. Aufl. 1995, § 61.
73So in einem Entwurf von Berghaus für den Zentralrat am 17. April 1980 zum Memorandum des Deutschen Caritasverbandes zu Selbstverständnis und Auftrag verbandlich organisierter Caritas im heutigen kirchlichen und gesellschaftlichen Kontext, ADCV 111.055-1980/1.
74Für eine Gesamtdarstellung siehe etwa Schwendenwein, Die Katholische Kirche Aufbau und rechtliche Organisation.
75Katholische Kirche in Deutschland ZAHLEN UND FAKTEN 2017/18, Arbeitshilfen 299 der DBK, abrufbar unter: https://dbk.de/fileadmin/redaktion/Zahlen%20und%20Fakten/Kirchliche%20Statistik/Allgemein_-_Zahlen_und_Fakten/AH299_Zahlen-und-Fakten-2017-2018_web.pdf (abgerufen am 27.11.2018).
76Katholische Kirche in Deutschland ZAHLEN UND FAKTEN 2017/18, Arbeitshilfen 299 der DBK, abrufbar unter: https://dbk.de/fileadmin/redaktion/Zahlen%20und%20Fakten/Kirchliche%20Statistik/Allgemein_-_Zahlen_und_Fakten/AH299_Zahlen-und-Fakten-2017-2018_web.pdf (abgerufen am 27.11.2018).
77Schlief, Die Organisationsstruktur