Der Dritte Weg in der Retrospektive. Julia Brandt
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56So bereits Anfang der 1950er Jahre Smend, ZevKR 1951, 4 („Aber wenn zwei Grundgesetze dasselbe sagen, so ist es nicht dasselbe“); auch aufgegriffen von Campenhausen, in: Listl/Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, 2. Aufl., S. 56.
57von Campenhausen, in: Listl/Pirson (Hrsg.), HdbStKirchR, 2. Aufl., S. 55; Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, 3. Aufl., § 31, Rn. 12, beide mit Verweis auf den Aufsatz von Smend, ZevKR 1951, 4 ff.; näher zu diesem Wandel unten: B. V. 2.
58Herr, Arbeitgeber Kirche – Dienst in der Kirche, S. 64; Joussen, RdA 2007, 328, 335.
59Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4, Rn. 18.
60Richardi, ZfA 1984, 109 (119 f.).
61Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 2 Rn. 2.
62Art. 1 S. 1 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) i.d.F. des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands. v. 27.04.2015: „ Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft) “.
63§ 1 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) i.d.F.v. 15.03.2018: „Die Caritas ist eine Lebens- und Wesensäußerung der katholischen Kirche. Die dem Deutschen Caritasverband angeschlossenen Einrichtungen dienen dem gemeinsamen Werk christlicher Nächstenliebe. Dienstgeber sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden eine Dienstgemeinschaft und tragen gemeinsam zur Erfüllung der Aufgaben der Einrichtung bei…“
64Zu Begriff und Grundlagen der Dienstgemeinschaft Neuhoff, Die Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze des kirchlichen Arbeitsrechts.
65Neuhoff, Die Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze des kirchlichen Arbeitsrechts, S. 32, 33; Thüsing/Mathy, Mutatur, non tollitur – Kirchliche Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze der Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts, in: Schavan/Thüsing (Hrsg.), FS für Feldhoff zum 80. Geburtstag, S. 563 ff.
66Joussen, RdA 2007, 328, 332; siehe auch Richardi, Die Dienstgemeinschaft als Leitbild für die arbeitsrechtliche Ordnung des kirchlichen Dienstes, in: Eder/Floß (Hrsg.), Grundkonsens in der Dienstgemeinschaft, Festschrift für Wolfgang Rückl, S. 169 ff.
67Neuhoff, Die Dienstgemeinschaft als Grund und Grenze des kirchlichen Arbeitsrechts, S. 33.
68Herr, Arbeitgeber Kirche – Dienst in der Kirche, S. 68.
69BVerfG 11.10.1977 - 2 BvR 209/76; BVerfG 25.3.1980 - 2 BvR 208/76; BVerfG 4.6.1985 - 2 BvR 1703/83; BAG 16.9.1999 - 2 AZR 712/98; BAG 26.10.2006 - 6 AZR 307/06; BAG 20.11.2012 - 1 AZR 179/11.
70Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4 Rn. 7.
71Dazu Bock, Der kirchliche Dienst und das staatliche Recht, in: Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche, S. 569 ff.; Heinig, ZevKR 2009, 62 (72 ff.); von Nell-Breuning, Stimmen der Zeit 1977, 705 ff.
II.Struktur der Akteure: Verfasste katholische Kirche und Caritas
Die Entstehung eines Systems wie das des Dritten Weges bedurfte eines Ordnungsgebers. Um nachvollziehen zu können, wer in verfasster katholischer Kirche und Caritas Ordnungsgeber und Initiator des Dritten Weges war, müssen die Strukturen dieser Akteure dargestellt werden.72 Die Struktur einer Organisation regelt die Verteilung der Aufgaben der Gesamtorganisation auf die verschiedenen Stellen und Ebenen sowie den Ablauf von Entscheidungsprozessen.73 Wenn deutlich wird, welche Stellen Adressaten eines etwaigen Regelungsauftrages waren, kann erarbeitet werden, wie die Regelungsfindung selber erfolgte. Dennoch geht es hier nicht darum, die gesamten Struktur- und Organisationsprinzipien der verfassten katholischen Kirche und der Caritas zusammenzufassen74, denn das würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten und ist für den angestrebten Erkenntnisgewinn nicht erforderlich.
Auch die Strukturen und Zuständigkeiten der beiden Akteure entwickelten sich über die Jahre hinweg weiter, sodass zunächst ein Überblick über die entscheidenden Organe gegeben wird und Umstrukturierungen der Ordnungsgeber, falls zum Verständnis der Entwicklung des Dritten Weges erforderlich, an geeigneter Stelle geschildert werden.
1.Verfasste katholische Kirche
Die verfasste katholische Kirche in Deutschland besteht aus 27 Diözesen, welche in einer Region zu einer Kirchenprovinz zusammengefasst sind. Die vorrangige unter ihnen ist die Erzdiözese. Die übrigen Diözesen sind der Erzdiözese in bestimmten Bereichen rechtlich unterstellt.75 In Deutschland gibt es sieben Erzdiözesen, die sieben Kirchenprovinzen vorstehen (Bamberg, Berlin, Freiburg, Hamburg, Köln, München und Freising, Paderborn). Die kleinste Einheit innerhalb der kirchlichen Organisationsformen ist die Pfarrgemeinde. Die Pfarreien eines Gebiets sind zusammengefasst in einem Dekanat.76
Die Diözesen sind Teilkirchen der römisch-katholischen Weltkirche, sie sind derjenige Teil des Gottesvolkes, der der Hirtensorge des Bischofs in Zusammenarbeit mit den Priestern anvertraut ist, can. 369 CIC.77 Entscheidendes Merkmal der Organisationsstruktur der verfassten katholischen Kirche ist der hierarchische Aufbau und der damit verbundene Autoritätsanspruch.78 Hauptelemente der Verfassung der katholischen Kirche sind der Primat des Papstes und das Bischofsamt.79 Dem Bischof obliegt das Amt des „Hirten“ und des „Lehrers“ der Gemeinde, can. 375 CIC,80 er hat die gesetzgebende Vollmacht.81 Dieses Verständnis des Diözesanbischofs als Hirten liegt sowohl dem CIC von 1917 als auch dem CIC nach der Reform 1983 zugrunde.
Diese Struktur hat Bedeutung für die Arbeitgeberfunktion: streng genommen existiert „der Arbeitgeber Kirche“ nicht, denn Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsrechts ist, wer einen Arbeitnehmer beschäftigt. Innerhalb der verfassten katholischen Kirche kommen etwa die Kirchengemeinde und das Bistum als Arbeitgeber in Betracht.82 Für die Entwicklung des eigenen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens wird im Folgenden zwischen dem diözesanen Bereich, der als Anstellungsträger insbesondere die Bistümer, Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbände umfasst, und dem Deutschen Caritasverband und den ihm angeschlossenen Anstellungsträgern zu unterscheiden sein.83 Die Kirchengemeinden müssen sich bei der Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion an die arbeitsrechtlichen Regelungen der Diözesen halten. Die arbeitsrechtliche Gesetzgebung der Diözesen orientiert sich an Richtlinien, die von überdiözesanen Institutionen erarbeitet werden.
Als solche überdiözesanen Institutionen bestehen in der verfassten katholischen Kirche die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD). Der Dualismus beider Institutionen erklärt sich dadurch, dass die DBK im staatlichen Recht nicht rechtsfähig ist.84 Der VDD ist „weltlicher Arm“ der DBK und als Körperschaft des öffentlichen Rechts85 funktionsfähiger Rechtsträger. Für den Bereich der überdiözesanen rechtlichen und wirtschaftlichen Aufgaben ist mit dem VDD erstmals eine überdiözesane juristische Person des staatlichen Rechts geschaffen worden.86
Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung des Dritten Weges in der verfassten katholischen Kirche waren Kommissionen, die durch den Verwaltungsrat