Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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      Eingliederungsvereinbarung als „Kontraktmanagement“?

      Es ist schon darauf hingewiesen worden,[158] dass gewisse Elemente des „Neuen Steuerungsmodells“ in die großen Reformen der Arbeitsmarktregulierung der rot-grünen Koalition (14. und 15. Wahlperiode) eingeflossen sind (ohne dass gesagt werden kann, diese Reformen seien eine Umsetzung des „Neuen Steuerungsmodells“).[159] So übertrug das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (Job-AQTIV-Gesetz)[160] mit der Eingliederungsvereinbarung (§ 6 und § 35 Abs. 4 SGB III i. d. F. des Job-AQTIV-Gesetzes [heute § 37 SGB III]) das „Kontraktmanagement“ erstmals auf die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger. Als Handlungsform des „Förderns und Forderns“ ist die Eingliederungsvereinbarung jedoch vor allem durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003[161] (sog. Hartz IV Reform) in das Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende implementiert worden (§ 2 Abs. 1, § 15 SGB II). Kennzeichnend für die Eingliederungsvereinbarung ist, dass sowohl die Pflichten des Leistungsberechtigten als auch die ihm zustehenden Förderleistungen individuell – bezogen auf seinen konkreten Fall und sein „Potenzial“ zur Eingliederung/Vermittlung in den Arbeitsmarkt – auf Grundlage eines Verhandlungsprozesses vereinbart werden sollen.[162] Das „Potenzial“ des Leistungsberechtigten (die für die Eingliederung/Vermittlung erforderlichen persönlichen Merkmale, berufliche Fähigkeiten und die Eignung) ist dabei zunächst in einer „Potenzialanalyse“ zu ermitteln (vgl. heute § 15 Abs. 1 SGB II,[163] § 37 Abs. 1 SGB III), deren Ergebnisse dann Grundlage für die Eingliederungsvereinbarung sein sollen; kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, kann sie durch Verwaltungsakt ersetzt werden (§ 15 Abs. 3 S. 3 SGB II, § 37 Abs. 3 S. 4 SGB III). Die Nichteinhaltung der sich aus der Eingliederungsvereinbarung ergebenden Pflichten des Leistungsberechtigten kann im Recht der Grundsicherung nach den §§ 31 ff. SGB II,[164] im Recht der Arbeitsförderung indirekt nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 SGB III sanktioniert werden.[165] Das SGB II sieht zudem vor, dass für jeden Leistungsberechtigten und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft Lebenden ein „persönlicher Ansprechpartner“ in der Agentur für Arbeit zu benennen ist (§ 14 Abs. 3 SGB). Dieser Fallmanager[166] soll den Leistungsberechtigten individuell entsprechend seinem „Potenzial“ fördern – und fordern.

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      Vom Sachbearbeiter zum Fallmanager?

      Der „persönliche Ansprechpartner“ soll damit nicht mehr nur als schlichter „Sachbearbeiter“ das Vorliegen der gesetzlich fixierten Tatbestandsmerkmale von Leistungsansprüchen prüfen. Er hat – jedenfalls in „schweren“ Fällen – die Funktion eines Sozialarbeiters zu übernehmen, der mittels „Potenzialanalyse“ und Eingliederungsvereinbarungsentwurf einen „Hilfeplan“ erstellt.[167] Richtiges Fallmanagement stellt damit nicht nur höchste Anforderungen an die kommunikativen und psychologischen Fähigkeiten des Fallmanagers, sondern setzt auch eine hervorragende Kenntnis der Arbeitsmarktlage im Allgemeinen und den Branchen voraus, für die der einzugliedernde Hilfebedürftige Einstellungspotenzial aufweist.[168] Nur dieses durch individuelle Betreuung ermöglichte passgenaue Zuschneiden der zu erbringenden Sozialleistungen (das nicht mit Paternalismus zu verwechseln ist)[169] vermag auch die Abkehr von dem in der grundlegenden Entscheidung des BVerwG vom 24.6.1954[170] zu dem aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip hergeleiteten Grundsatz zu rechtfertigen, dass dort, wo das Gesetz dem Sozialleistungsträger Pflichten auferlegt, der Bedürftige entsprechend durchsetzbare Rechte hat,[171] in diesen Fällen also gebundene Verwaltung die Regel, Leistungen nach Ermessen die Ausnahme sein sollten.[172]

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      Eingliederungsvereinbarung als Farce?

      Im Grundsicherungsrecht zeigten sich jedoch erhebliche Mängel bei der Umsetzung des Fallmanagements durch die Jobcenter: Diese beschränkten sich teilweise darauf, Personen als Fallmanager einzusetzen, die vorher als Sachbearbeiter bei der Leistungsberechnung tätig waren. Zudem war die Falllast für die einzelnen Fallmanager zu hoch, um tatsächlich von einem „Ansprechpartner“ sprechen zu können.[173] Tatsächlich legt das SGB II weder eine Höchst-Falllast noch ein Anforderungsprofil für persönliche Ansprechpartner verbindlich fest.[174] Dementsprechend wurde das Verhandlungsmodell der Eingliederungsvereinbarung als Farce wahrgenommen, wenn den Leistungsberechtigten eine Standard-Eingliederungsvereinbarung ohne Rücksicht auf ihren individuellen Fall – unter Androhung der in § 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. a SGB II ursprünglich vorgesehenen (seit 2011 abgeschafften) Sanktion für den Nichtabschluss einer Eingliederungsvereinbarung[175] – zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, was offenbar häufiger vorkam.[176] Dies prägte das Bild von der Eingliederungsvereinbarung als „Popanz der Vertragstheoretiker“.[177] Das BSG hat jedoch schließlich zutreffend auf diese Missstände in der Form reagiert, dass es die Eingliederungsvereinbarung als verbindlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag i. S. d. §§ 53 ff. SGB X qualifiziert[178] und Vereinbarungen, die nicht individuell auf die Bedürfnisse des Leistungsberechtigten zugeschnitten waren, wegen „Formenmissbrauchs“ nach § 58 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 134 BGB für nichtig (und damit ihre Missachtung durch den Leistungspflichtigen für nicht sanktionierbar) erachtete.[179] Insgesamt dürfte es der Rechtsprechung damit (mittlerweile) gelungen sein, durch „Ernstnehmen“ des Regelungsmodells der Eingliederungsvereinbarung angemessen auf Fehlentwicklungen bei der Umsetzung des SGB II zu reagieren.[180] Ob und in welchem Umfang dieses hoch anspruchsvolle System tatsächlich und nachhaltig in der täglichen Verwaltungspraxis der Jobcenter mit Leben gefüllt wird, müsste jedoch genauer untersucht werden.

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      Querschnittsaufgaben und Vorbildfunktionen

      Seit den 1990er Jahren werden immer mehr allgemeine Förderaufgaben, Diskriminierungsverbote und Staatsziele in das Grundgesetz[181] und die Landesverfassungen[182] aufgenommen. Hiermit geht einher, dass auch die Gesetzgebung die Zuständigkeit zur Erfüllung bestimmter Verwaltungsaufgaben vermehrt in der Form ausgestaltet, dass sie als von allen Behörden (neben und „bei Gelegenheit“ der Erfüllung ihrer „eigentlichen“ Aufgaben) als Querschnittsaufgaben wahrzunehmen sind. Dies betrifft etwa die besonderen Pflichten der öffentlichen Hand

- im Gleichstellungsrecht (z. B. nach dem Bundesgleichstellungsgesetz [BGleiG][183] und den Landesgleichstellungsgesetzen);
- bei der der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen (vgl. § 165 S. 3 SGB IX und die besonderen Barrierefreiheitsverpflichtungen der Behindertengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder);
- nach den besonderen Regelungen für „öffentliche Stellen“ beim Datenschutz;
- zur Bearbeitung von Ansprüchen nach den Informationsfreiheits- und Transparenzgesetzen;[184]
- zur Datenbereitstellung nach den E-Government-Gesetzen des Bundes und der Länder (z. B. nach § 12a, § 14 EGovG[185]), dem Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG)[186] und dem Geodatenzugangsgesetz (GeoZG)[187];
- zur Berücksichtigung „vergabefremder Zwecke“ bei der Auftragsvergabe, wie etwa die Pflicht zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen nach § 97 Abs. 4 GWB oder Pflichten zur Beachtung bestimmter sozialer und ökologischer Standards nach einigen Landesvergabegesetzen oder nach den klassischen „Kunst am Bau“ Verpflichtungen;
- in Zusammenhang mit den zunehmend komplizierter werdenden Regelungen

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