Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Handbuch des Verwaltungsrechts - Группа авторов страница 103

Жанр:
Серия:
Издательство:
Handbuch des Verwaltungsrechts - Группа авторов

Скачать книгу

      11

      Privatisierungs-, Rückerstattungs-, Entschädigungs- und Rehabilitierungsrecht

      Die Erstreckung des westdeutschen Verwaltungsrechts auf das Gebiet der ehemaligen DDR setzte zugleich ein umfassendes „DDR-Abwicklungsrecht“ voraus. Dieses Übergangsrecht ermöglichte die „Abwicklung“ der DDR-Planwirtschaft durch Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe, die Vermögensrestitution[50] und die Rehabilitierung nach Maßgabe der Rehabilitierungsgesetze des 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes vom 23.6.1994.[51]. Diese Regelungen waren politisch (natürlich) hoch umstritten, rechtlich hoch komplex und zudem ständigen Änderungen unterworfen. Anwendungs- und Akzeptanzprobleme waren nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass diese Gesetzgebung ausschließlich Begrifflichkeiten mit westdeutschen Bedeutungsgehalten verwendete, die oft kaum zu den DDR-Realitäten passten.[52] Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung kann dieser Übergangsprozess, der die politische Wahrnehmung vom „Gelingen“ der Wiedervereinigung erheblich (und unterschiedlich) geprägt hat, als abgeschlossen gelten. Die spätere Entwicklung des nun gesamtdeutschen Verwaltungsrechts wurde hiervon jedoch kaum beeinflusst. Überlegungen, etwa die Privatisierungsverfahren der Treuhand als Verwaltungsverfahren zu begreifen und Verfahrensrechte von Bietern und Alteigentümern (nicht aber der veräußerten Unternehmen) zu konstruieren,[53] wurden von der Rechtsprechung sehr schnell zu Gunsten einer rein privatrechtlichen Sichtweise verworfen.[54] Dies hat wohl bis heute die Anerkennung eines wirklichen Privatisierungsverfahrensrecht verhindert.[55]

      12

      Stasi-Unterlagen-Gesetz und Informationsfreiheitsgedanke

      Für die weitere Verwaltungsrechtsentwicklung im wiedervereinigten Deutschland von Bedeutung war jedoch das Stasi-Unterlagen-Gesetz vom 20.12.1991.[56] Es hat freien Zugang der Betroffenen zu den sie betreffenden Akten auch unabhängig von einem konkreten Verwaltungsverfahren letztlich in einem genuin „deutschen“ Sachzusammenhang denkbar gemacht und begründete insoweit durchaus auch einen Paradigmenwechsel für die vom Grundsatz der geheimen Verwaltung geprägte westdeutsche Tradition: Transparenz wurde hier als Instrument zur Aufarbeitung von Staatsunrecht und damit auch als Ausdruck demokratischer Verantwortlichkeit der Staatsgewalt vor dem Volk und als Reaktion auf die Geheimhaltungs- und Verdeckungspolitik der DDR-Diktatur verstanden.[57] Die Erfahrungen mit der DDR-Diktatur waren es u. a. auch, die dazu führten, dass die Verfassung des Landes Brandenburg vom 20.8.1992 als erste deutsche Verfassung in Art. 22 Abs. 4 ein voraussetzungsloses Akteneinsichtsrecht als „Recht auf politische Mitgestaltung“ garantierte,[58] weshalb in Brandenburg mit dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) vom 10.3.1998[59] auch das erste allgemeine Informationsfreiheitsgesetz geschaffen wurde.[60] Die weitere Diskussion über die Einführung der Informationsfreiheit in Deutschland[61] war allerdings eher von rechtsvergleichenden und europäischen Impulsen geprägt.[62]

      13

      „Projektgesetzgebung“ statt Kodifikation“

      Es ist bereits gesagt worden, dass die Verwaltungsrechtsentwicklung seit den 1990er Jahren von „projektartigen“ Gesetzesvorhaben geprägt ist, die sich eher in Artikelgesetzen niederschlagen.[63] Sie haben dennoch teilweise erhebliche, nicht immer vorhergesehene Veränderungen für die deutsche Verwaltungskultur mit sich gebracht. Im Folgenden sollen einige dieser Trends nachgezeichnet werden. Vorab ist festzuhalten, dass bezogen auf die deutsche Ebene die Zeit der Kodifikationen vorbei zu sein scheint.[64] Dies zeigt das (wohl) endgültige Scheitern des Vorhabens eines Umweltgesetzbuchs (UGB) deutlich.[65] Überlegungen zur Schaffung eines Regulierungsgesetzbuches konnten ebenfalls nicht über Ansätze hinaus gelangen.[66] Vorschläge zur Ausweitung des VwVfG auf weitere Verwaltungsverfahren[67] und Vorschläge zur Neuauflage der Staatshaftungsreform[68] finden keine politische Unterstützung. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vom 5.9.2005[69] und den Informationsfreiheits- und Transparenzgesetzen der Länder ist zwar das Allgemeine Verwaltungsrecht in wichtigen Bereichen ergänzt worden, jedoch ist die Realisierung eines „Informationsgesetzbuchs“ auf Bundesebene trotz landesrechtlicher Vorbilder kaum zu erwarten.[70] Die Kodifikation des Sozialrechts im SGB schreitet voran, entfaltet aber kaum noch eine systematisierende Wirkung. Vielmehr hat die Zuweisung auch der sozialhilferechtlichen Streitigkeiten zu den Sozialgerichten (§ 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG) durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003[71] dazu geführt, dass sich die Entwicklung im Sozialrecht nun fast vollständig von der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Entwicklung abgelöst hat;[72] eine Verknüpfung beider Rechtsgebiete konnte zuvor noch über die Rechtsprechung des BVerwG zum Sozialhilferecht im begrenzten Maße sicher gestellt werden; die verbleibenden Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte im Sozialrecht sind hierfür dagegen wohl nicht bedeutsam genug.

      14

      Beschleunigungsdiskussion und -gesetzgebung der 1990er Jahre

      Die Verwaltungsrechtsentwicklung der 1990er lässt sich zunächst mit „Verfahrensbeschleunigung zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschlands“ verschlagworten.[73] Dabei ging und geht es natürlich nicht um Verfahrensbeschleunigung als solche (dieses Ziel hätte sich auch durch beschleunigte Antragsablehnungen erreichen lassen), sondern um eine schnellere Zulassung von Vorhaben.[74] Dieses Ziel sollte (1.) durch Reduzierung des behördlichen Prüfungsumfangs sowie der Beteiligungsrechte von Drittbetroffenen und Umweltverbänden in Genehmigungs- und Planungsverfahren und (2.) durch Rechtsschutzeinschränkungen, insbesondere durch Reduzierung des verwaltungsgerichtlichen Instanzenzuges, Präklusionsvorschriften, Kontrolldichtereduzierungen und behördliche Nachbesserungsmöglichkeiten (Stichwort: Planerhaltung) erreicht werden. Die Nichteinhaltung des materiellen Rechts sollte nicht zwingend zu einer Versagung der Vorhabenzulassung oder jedenfalls nicht zu ihrer Aufhebung im Gerichtsverfahren führen.[75] Diese Beschleunigungsdebatte führte u. a. zum Planungsvereinfachungsgesetz vom 12.12.1993,[76] dem Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 12.9.1996,[77] dem Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren vom 9.10.1996,[78] dem „Abbau“ und der „Vereinfachung“ von Baugenehmigungsverfahren in den Landesbauordnungen[79] und schließlich zur 6. VwGO-Novelle vom 1.11.1996.[80] Erklärtes Ziel der Beschleunigungsgesetzgebung war, unabhängig von einem tatsächlichen Beschleunigungsbedarf durch „deutliche Beschleunigungsmaßnahmen“ einem möglicherweise bei Investoren bestehenden Eindruck entgegenzuwirken, Genehmigungs- und Gerichtsverfahren könnten in Deutschland zu lange dauern.[81]

      15

      Krise der Verwaltungsgerichtsbarkeit?

      Diese 6. VwGO-Novelle war zusätzlich durch die erheblich ansteigenden Asylbewerberzahlen bedingt, die schon 1993 zu dem „Asylkompromiss“ und damit zur Neufassung des Asylgrundrechts in Art. 16a GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.6.1993[82] geführt hatten. Damit war (vgl. insbesondere Art. 16a Abs. 4 GG) ein deutlicher Abbau der deutschen Asylverfahrensstandards ermöglicht worden.[83] Insgesamt war die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den 1990er Jahren von politischer Seite vor allem als „Bremse“ für den „Aufbau Ost“, den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ und für alle notwendig erachteten Verwaltungsreformen wahrgenommen worden.[84] Insoweit artikulierten sich jetzt deutlich die Vorbehalte, die bereits in den 1980er Jahren gewachsen waren.[85] Dabei gingen auch den VwGO-Reformen der 1990er Jahre weder eine wirkliche Analyse der Ursachen der Verfahrensdauer vor den Verwaltungsgerichten noch Überlegungen dazu voraus, welche Funktionen die Verwaltungsgerichte in der Bundesrepublik Deutschland

Скачать книгу