Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer

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Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band - Hugo Friedländer

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Lodomez, eine Erpressung gegen Pflüg zu verüben. Daß diese Behauptungen des Angeklagten Lodomez nicht ohne Wahrscheinlichkeit sind, beweist ein einfacher Blick auf den Charakter des Hauptschuldigen, Herrn v. Schleinitz, den der Staatsanwalt vollständig zutreffend geschildert hat. In der Tat war Schleinitz der böseste aller bösen Geister, die sich jemals an die Fersen eines Schuldbewußten geklammert haben. Daß Schleinitz in der Tat ein Mann ist, der eines Bruches seines Ehrenwortes fähig ist, zeigt die charakteristische Geschichte mit den von Herrn Pflüg gezahlten 1200 Mark. Es ist zweifellos, daß v. Schleinitz in dieser ganzen Sache ganz auf eigene Rechnung und Gefahr erpreßt hat. Herr v. Schleinitz ist somit eine Persönlichkeit, bei der man sich der Tat versehen kann; Schleinitz hat diese 1200 Mark einfach unterschlagen unter dem frivolen Vorwande, daß die Hälfte dem »Börsen-Kurier« zufließen solle. Es ist unnötig, unter Beweis zu stellen, daß Schleinitz gar keine Berührung mit dem »Börsen-Kurier« gehabt hat und gänzlich ohne Einfluß auf diese Zeitung gewesen ist. Wenn aber dies erwiesen ist, wenn sich Herr v. Schleinitz nicht entblödet, ein geachtetes Blatt in dieser Weise bloßzustellen, so gewinnt es an Wahrscheinlichkeit, daß er in der Tat Herrn Lodomez sein Ehrenwort gebrochen hat. Es bleibt nun derjenige Teil des Pflügschen Falls bestehen, den der Herr Staatsanwalt als den Erpressungsversuch bezeichnet hat. Es ist zweifellos, daß der Angeklagte an der Veröffentlichung der schimpflichen Broschüre teilgenommen hat. Hat denn aber Lodomez diese zum Zweck der Drohung gegen Pflüg benutzt? Nichts ist dafür erbracht, ebensowenig eine Komplottmäßigkeit mit Grünewald und Genossen. An der Veröffentlichung der Broschüre hatte mein Klient ein Interesse, weil durch deren Verkauf in Lübeck und Umgegend viel Geld zu verdienen war. Als Pressionsmittel hat er die Broschüre nicht benutzt, denn dazu konnte sie nur dienen, solange sie als Manuskript im Kasten lag. Dafür, daß dies seitens des Grünewald geschehen ist – denn die Treue haben die Angeklagten sich nicht bewahrt –, kann Lodomez nicht verantwortlich gemacht werden. Die Lüge des Lodomez, daß er geglaubt habe, der Reichsregierung mit der Veröffentlichung der Broschüre einen Dienst zu erweisen, ist nur vorgebracht worden, um die eigene Schlechtigkeit, die niederträchtige Gesinnung seiner verwerflichen Rachsucht nicht eingestehen zu müssen. Man wird ihm das deshalb nacht belastend anrechnen dürfen. Aus all diesen Gründen wird der hohe Gerichtshof sich dem Antrage des Herrn Staatsanwalts nicht anschließen können. Evtl. wird eine recht milde Strafe, unter Anrechnung der langen Untersuchungshaft, am Platze sein, da der Angeklagte im November vorigen Jahres dem Verhungern nahe war. Für meinen Klienten Dr. Vogelsang bitte ich, in dem zu fällenden Urteil auszusprechen, daß ihm nicht der mindeste Makel in dieser Sache anhaftet. Die sorgfältigsten Recherchen der Kriminalbeamten haben nicht ergeben, daß Dr. Vogelsang auch nur im mindesten mit den Männern des »Unabhängigen« in Verbindung gestanden, und daß er nie auch nur eine Zeile für dieses Blatt geschrieben hat. Er ist aus dieser Sache mit unbefleckten Händen hervorgegangen.

      Vert. Rechtsanwalt Saul schloß sich betreffs Sawatzki dem Antrage des Staatsanwalts an.

      Nach längerer Beratung des Gerichtshofes verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Bachmann, folgendes Urteil:

      Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme unterliegt es keinem Zweifel, daß die Angeklagten sich verbunden haben, um gemeinschaftlich durch Drohungen mit Veröffentlichung von Skandalartikeln Erpressungen auszuüben. Es ist dabei nicht erforderlich, daß der Teilnehmer die Drohung ausspricht, es ist auch gleichgültig, wer das Geld in Empfang nimmt, zur Mittäterschaft genügt eine wissentliche Hilfeleistung bei Ausübung des Verbrechens. Der Gerichtshof ist nun zu der Überzeugung gelangt, daß in dem vollendeten Erpressungsfalle gegen Pflüg in Lübeck Lodomez freizusprechen, dagegen in dem versuchten Erpressungsfalle Lodomez, Grünewald, Moser und Sponholz zu bestrafen seien. Der Gerichtshof hat Grünewald in acht vollendeten und vier versuchten, Moser in sechs vollendeten und drei versuchten, Sponholz in vier vollendeten und zwei versuchten Erpressungsfällen, Lodomez in einem versuchten Erpressungsfalle für schuldig erachtet. Bei der Strafbemessung war zu berücksichtigen, daß die Handlungsweise der Angeklagten eine derartig niedrige und schamlose war, daß man sie für unglaublich finden würde, wenn man es nicht so klar vor Augen hätte. Die Gesetzgebung hat den Pranger als eine unmoralische, mittelalterliche Institution abgeschafft, und nun verbinden sich die drei ersten Angeklagten, die nachweislich keinen richtigen Erwerb haben, um einen modernen Preßpranger zu errichten, an den zahlungsfähige Personen, die den Drohungen auf Geldhergabe nicht Folge leisten, gestellt werden. Es zeugt dies von einer solch niedrigen Gesinnung, daß eine hohe Strafe von vornherein geboten erschien. Gegen einen solchen Preßpranger, wonach jedermann befürchten muß, daß seine innersten Familienverhältnisse täglich in das Licht der Öffentlichkeit gezogen werden können, kann sich schließlich niemand schützen. Aus allen diesen Gründen hat der Gerichtshof für Recht erkannt, daß Grünewald mit 6 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust, Moser mit 4 1/2 Jahren Gefängnis und 4 Jahren Ehrverlust, Sponholz mit 4 Jahren Gefängnis und 4 Jahren Ehrverlust, Lodomez mit 1 Jahr Gefängnis und 1 Jahr Ehrverlust zu bestrafen seien. Lodomez sind 3 Monate bereits erlittener Untersuchungshaft angerechnet worden. Gegen Vogelsang und Sawatzki ist auf Freisprechung erkannt.

      (Mundbinde, Zwangsjacke).

      In Kriminalmuseen werden die Folterwerkzeuge, die man im Mittelalter gegen Verbrecher anwandte, teils um sie für ihre Missetaten zu bestrafen, teils um sie zu »Geständnissen« zu bewegen, zur öffentlichen Schau gestellt. Wer mag nicht einen Schauer beim Anblick dieser Marterinstrumente empfinden und sich mit dem Gedanken trösten, daß derartige Vorkommnisse längst überwunden sind!

      Allein das ist bedauerlicherweise eine arge Täuschung. Die Vorkommnisse im Aachener Alexianer – Kloster »Mariaberg«, in der »Fürsorgeerziehungsanstalt zu Mieltschin«, die Vorkommnisse in der sogenannten »Blohmschen Wildnis« und ganz besonders in der »Provinzialarbeitsanstalt« zu Brauweiler liefern den Beweis, daß unsere vielgerühmte Kultur nur oberflächlich ist und daß die Anschauungen des Mittelalters noch lange nicht überwunden sind. Ist es nicht geradezu beschämend, daß ein so geistig hochstehender Mann, ein Wissenschaftler ersten Ranges, wie der Geheime Justizrat Prof. Dr. jur. et theol. Kahl, ordentlicher Professor an der Berliner Universität, auf dem letzten (September 1912) zu Wien stattgefundenen deutschen Juristentag, für Beibehaltung der Todesstrafe eingetreten ist, weil – nun »weil die große Mehrheit des deutschen Volkes die Beibehaltung der Todesstrafe verlangt.« Und noch beschämender ist es, daß die große Mehrheit des deutschen Juristentages sich für die Beibehaltung der Todesstrafe erklärt hat. Zunächst ist es grundfalsch, sehr geehrter Herr Professor, daß die große Mehrheit des deutschen Volkes die Beibehaltung der Todesstrafe verlangt. Die letzten Reichstagswahlen haben den unwiderleglichen Beweis geliefert, daß ein sehr erheblicher Teil des deutschen Volkes sozialdemokratischen Anschauungen huldigt. Daß diese Leute nicht für die Beibehaltung der Todesstrafe stimmen, ist sicher. Aber angenommen, die Mehrheit des deutschen Volkes wäre für Beibehaltung der Todesstrafe, so würde dieser Umstand die Haltung des deutschen Juristentages noch durchaus nicht rechtfertigen. Eine Körperschaft wie der deutsche Juristentag soll sich nicht von der Volksmeinung leiten lassen, sondern dem Volke zur Kultur und Zivilisation die Wege ebnen. Wenn das Volk für Wiedereinführung der Prügelstrafe, des Feuertodes und ähnlicher mittelalterlicher Martern wäre, dann müßte, nach der Logik des Herrn Professors Kahl, der deutsche Juristentag sich auch hierfür erklären. Glücklicherweise herrscht in weiten Schichten des deutschen Volkes eine andere Anschauung, die trotz rückständiger Universitätsprofessoren und sonstiger reaktionärer, weltfremder Juristen, es verhindern wird, daß mittelalterliche Einrichtungen in unserem Vaterlande wieder Eingang finden. Herr Professor Kahl scheint eine Anzahl Stammtisch-Bierphilister für das deutsche Volk zu halten. Wenn Herr Professor Kahl und diejenigen Mitglieder des deutschen Juristentages, die seinen Ausführungen zustimmten, nur ein einziges Mal einer Hinrichtung beigewohnt hätten – ich war beruflich genötigt, etwa einem Dutzend Hinrichtungen beizuwohnen – dann wäre ihre Ansicht vielleicht eine andere gewesen. Ist den Herren nicht bekannt, daß vor Einführung des deutschen Strafgesetzbuches (1870) in

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