Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer

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Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band - Hugo Friedländer

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war von 1882 bis 1889 Gendarm und von 1889 bis 1892 Aufseher in der Arbeitsanstalt Brauweiler. Er wurde beschuldigt, in mehreren Fällen die Häuslinge in der Arbeitsanstalt vorsätzlich körperlich mißhandelt zu haben. Verteidiger dieses Angeklagten war Rechtsanwalt Dr. Schrammen. Der Angeklagte bemerkte auf Vorhalt des Vorsitzenden: Er sei mehrfach in Brauweiler disziplinarisch bestraft worden; dies komme aber daher, daß er von dem Direktor Schellmann verfolgt wurde.

      Vors.: Dieser Einwand scheint nicht glaubhaft, zumal Sie von dem Direktor Schellmann, trotz Ihrer Vorstrafen, eine Vertrauensstellung in Brauweiler erhalten haben.

      Auf das dem Angeklagten zur Last gelegte Vergehen äußerte der Angeklagte auf Befragen des Vorsitzenden: Er erinnere sich nicht, jemals Häuslinge vorsätzlich körperlich mißhandelt zu haben; allerdings war er bisweilen genötigt, sobald die Häuslinge renitent wurden, fest zuzugreifen. Daß er aber die Häuslinge mit dem Seitengewehr blutig geschlagen habe, sei ihm nicht erinnerlich.

      Direktor Schellmann bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Der Angeklagte Szaplewski habe sich bei ihm im Juli 1889 als Hilfsaufseher um eine Anstellung beworben. Er habe sich zunächst bei der früheren vorgesetzten Behörde des Szaplewski über dessen Vorleben erkundigt. Von den Vorstrafen des Szaplewski habe er (Schellmann) keine Kenntnis erhalten. Es sei ihm nur mitgeteilt worden, daß Szaplewski wegen Trunkenheit im Dienst und respektwidrigen Verhaltens gegen seine Vorgesetzten ohne Pension entlassen worden sei. Er habe, da Szaplewski zivilversorgungsberechtigt war, ihn zunächst als Hilfsaufseher, später als Aufseher angestellt. Szaplewski habe sich verschiedener Vergehen im Amte schuldig gemacht, weswegen er disziplinarisch bestraft und schließlich im Jahre 1892 entlassen worden sei. Er (Schellmann) habe erst, nachdem Szaplewski schon längst entlassen war, von den hier zur Anklage stehenden Mißhandlungen gehört.

      Vert.: Herr Direktor, Sie haben, als Sie von diesen Mitteilungen hörten, keine Anzeige gemacht?

      Zeuge: Nein.

      Vert.: War dies nicht Ihre Pflicht?

      Zeuge: Nein.

      Vert.: Sind die Aufseher berechtigt, von der Prügelstrafe Gebrauch zu machen?

      Zeuge: Keineswegs.

      Vert.: Sind die Aufseher berechtigt, die Häuslinge disziplinarisch zu bestrafen?

      Zeuge: Jawohl.

      Vert.: Worin bestehen diese Disziplinarstrafen?

      Zeuge: In der Entziehung der warmen Kost, in einem Geldabzug oder in der Verhängung von Arrest. Schlagen dürfen die Aufseher die Häuslinge nur dann, wenn sie durch Angriffe bedroht werden. In solchen Fällen haben die Aufseher aber sofort dem Direktor Anzeige zu machen.

      Vert.: Gehört nicht zu den Disziplinarstrafen in Brauweiler auch die Prügelstrafe?

      Zeuge: Nein.

      Vert.: Dann beantrage ich, aus den Akten festzustellen, daß Direktor Schellmann in einer anderen Sache als Zeuge bekundet hat, zu den Disziplinarstrafen gehört in Brauweiler auch die Prügelstrafe.

      Vors.: Herr Verteidiger, ich bin der Meinung, daß diese Frage für die gegenwärtige Verhandlung unerheblich ist.

      Vert.: Ich muß diese Frage deshalb stellen, um zu beweisen, daß der Angeklagte nicht das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit hatte.

      Zeuge: Die Prügelstrafe, wie sie in den Zuchthäusern als Disziplinarstrafe besteht, daß Gefangene über einen Bock geschnallt und geschlagen werden, ist in Brauweiler unzulässig, dagegen ist laut Allerhöchster Kabinettsorder von 1825 und durch ausdrückliche Verordnung der Königlichen Regierung zu Köln schulpflichtigen Häuslingen gegenüber das Züchtigungsrecht in Brauweiler gestattet.

      Der folgende Zeuge war Fabrikdirektor Schaper (Jülich): Eine Anzahl Brauweiler Häuslinge werden in einer Fabrik während der Zuckerkampagne beschäftigt. Diese Häuslinge arbeiten unter Aufsicht mehrerer Aufseher der Arbeitsanstalt Brauweiler. Er habe einmal einen Arbeiter mit furchtbar zerschlagenem Kopf gesehen und habe gehört, daß dieser Mann von dem Aufseher Szaplewski mit dem Seitengewehr geschlagen worden sei.

      Es erschien alsdann der ehemalige Häusling Haarhaus, ein kleiner, schwacher Mann von 63 Jahren, als Zeuge. Er bekundete: Als er in der Zuckerrübenfabrik zu Jülich arbeitete, habe ihn ein Aufseher, weil er angeblich sein Bett nicht gut gemacht hatte, mit dem Degen derartig auf den Kopf geschlagen, daß er furchtbar blutete und mehrere große Löcher im Kopfe hatte.

      Vors.: Wer war dieser Aufseher?

      Zeuge: Das weiß ich nicht.

      Vors.: War es dieser Angeklagte?

      Zeuge: Das kann ich nicht sagen, ich kenne den Mann nicht mehr wieder.

      Vors.: Haben Sie dem Aufseher widersprochen oder sich widerspenstig gezeigt?

      Zeuge: Nein.

      Vors.: Der Aufseher hat Sie also ohne weiteres mit seinem Degen geschlagen?

      Zeuge: Jawohl.

      Vors.: Wo wurde denn diese Wunde geheilt?

      Zeuge: In Brauweiler.

      Vors.: Sind Sie vollständig wieder geheilt?

      Zeuge: Jawohl.

      Vors.: Haben Sie diese Mißhandlung zur Anzeige gebracht?

      Zeuge: Da hätte ich mich schön gehütet, da hätte ich ja noch viel mehr Schläge bekommen. (Heiterkeit im Zuhörerraum.)

      Vors.: Wurde Ihnen zuviel Arbeit zugemutet?

      Zeuge: Das kann ich nicht sagen, ich bin an harte Arbeit gewöhnt. Man muß auch schon tüchtig arbeiten, sonst bekommt man nichts zu essen.

      Vors.: Sind Sie auch einmal mit Kostentziehung bestraft worden?

      Zeuge: Nein, man bekommt dort überhaupt nur halbsatt zu essen.

      Aufseher Wenner: Er habe einmal gehört, daß Szaplewski einen Häusling mit einem Hirschfänger furchtbar auf den Kopf geschlagen habe. Er habe den Szaplewski deshalb zur Rede gestellt und ihm gesagt, wenn dies noch einmal vorkomme, werde er ihn anzeigen.

      Häusling Gatzen: Er sei kränklich gewesen und habe einmal sein Bett nicht ordentlich machen können. Deshalb sei er von Szaplewski mit dem Seitengewehr geschlagen worden. Erheblich seien diese Schläge nicht gewesen. Er habe auch gesehen, daß andere Häuslinge von Aufsehern gestoßen worden seien.

      Häusling Wittgen: Er habe einmal gesehen, wie der Angeklagte einen alten Häusling blutig geschlagen habe.

      Fabrikverwalter Schröder (Jülich): Der Angeklagte habe stark dem Schnapsgenusse gefrönt und sei gegen Mittag bereits stets betrunken gewesen. In solchem Zustande sei der Angeklagte gegen die Häuslinge furchtbar grob gewesen. Der Angeklagte habe sich nicht darum gekümmert, ob die Häuslinge arbeiteten, sondern habe ohne jede Veranlassung die Häuslinge beschimpft. Er habe deshalb auch den Angeklagten einmal zur Rede gestellt und ihm mit Anzeige bei der vorgesetzten Behörde gedroht.

      Oberaufseher

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