Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer

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Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band - Hugo Friedländer

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dem Obduktionsbefunde nicht übereinstimme, dann werde dies dem betreffenden Anstaltsarzt sofort mitgeteilt.

      Auf Befragen des Rechtsanwalts Gammersbach äußerte Direktor Schellmann: Es sei ihm nicht bekannt, daß jemals derartige Berichtigungen von den Bonner obduzierenden Ärzten eingegangen seien.

      Hierauf wurde die Aussage des im Juni d.J. vor dem Amtsgericht zu Dirschau kommissarisch vernommenen Werkmeisters Wessel verlesen: Danach hatte dieser bekundet: Er sei einige Zeit auf Betreiben seiner Ehefrau, mit der er in Scheidung lag, vom Amtsgericht zu Köln für geisteskrank erklärt und entmündigt worden. Diese Entmündigung sei aber längst wieder aufgehoben. Er sei eine Zeitlang in Brauweiler als Werkmeister beschäftigt gewesen und habe gehört, daß insbesondere vor dem Fall Wodtke vielfach die Häuslinge geschlagen worden seien. Ein Aufseher Schiefer habe sich dessen ausdrücklich gerühmt. Es wurden mehrfach Häuslinge mit Arbeiten überlastet. Konnten diese das Pensum nicht leisten, dann wurde ihnen auf drei Tage die warme Kost entzogen, oftmals trat noch Dunkelarrest hinzu. Einem Häusling, namens Schmidt, der sein Pensum beim besten Willen nicht bewältigen konnte, habe er (Zeuge) geraten, sich krank zu melden. Schmidt habe dies aber nicht gewagt, er sei deshalb mit Kostentziehung und Arrest bestraft worden. Ein Häusling, namens Schäfer, habe auf ihn den zweifellosen Eindruck eines Irrsinnigen gemacht. Der Mann habe außerdem an epileptischen Anfällen gelitten. Er habe einmal mit einem Meißel nach ihm (dem Zeugen) geworfen, so daß er am Kopfe arg verwundet wurde. Er sei daher genötigt gewesen, dies dem Direktor Schellmann zu melden. Letzterer habe ihn gefragt, ob er die Bestrafung des Mannes verlange. Dies habe er verneint mit dem Bemerken, daß der Mann augenscheinlich geisteskrank sei. Auf Anordnung des Direktors Schellmann sei Schäfer sechs Wochen in die »Cachotte« gesperrt worden und habe nur jeden vierten Tag warme Kost erhalten. Schäfer sei außerdem geschlagen und gefesselt worden. Er habe in dieser Behandlung ein großes Unrecht gesehen, zumal Schäfer seiner Meinung nach vollständig geisteskrank war und in eine Irrenanstalt gehörte. Nachdem Schäfer aus der »Cachotte« herauskam, sei er einige Tage darauf verstorben.

      Sanitätsrat Dr. Laudahn: Werkmeister Wessel sei infolge Anzeige seiner Frau von ihm untersucht und beobachtet worden. Wessel, der nach Angabe seiner Frau die unglaublichsten Dinge gemacht, sei infolge übermäßigen Alkoholgenusses Epileptiker geworden. Er habe ihn als dauernd für geisteskrank erklärt und sei der Überzeugung, daß er auch jetzt noch geisteskrank sei.

      Vors.: Wessel ist vom Amtsgericht in Dirschau als Zeuge vernommen worden und hat über die Brauweiler Anstalt eine längere Aussage gemacht. Halten Sie diese für glaubwürdig?

      Zeuge: Ich gebe die Möglichkeit zu, daß der Mann auch lichte Augenblicke hat. Im übrigen ist mir zu Ohren gekommen, daß Wessel im August dieses Jahres gestorben ist.

      Alsdann sollte Geh. Medizinalrat Dr. Michelsen (Düsseldorf) als Zeuge und Sachverständiger vernommen werden.

      Der Verteidiger protestierte gegen die Vernehmung des Geheimen Rats Dr. Michelsen als Sachverständiger. Als Zeuge bekundete letzterer: Er sei im Nebenamt Arzt der Rheinischen Provinzialverwaltung und in deren Auftrage habe er vor einiger Zeit die Brauweiler Anstalt, und zwar ohne vorherige Anmeldung, besichtigt. Er habe sämtliche Räume, die Arbeitssäle, Schlafsäle usw. und ebenso die Wäsche und Kleidung der Häuslinge in größter Sauberkeit gefunden. Er habe allerdings auch zwei Zwangsjacken und Handschellen gefunden. Letztere waren aber von innen gepolstert, so daß eine Grausamkeit bei ihrer Anwendung ausgeschlossen war. Eine Mundbinde habe er nicht gefunden.

      Darauf wurde als Sachverständiger Geh. Medizinalrat Professor Dr. Pelman (Bonn), Direktor der Rheinischen Provinzialirrenanstalt vernommen. Der Vorsitzende bemerkte dem Sachverständigen: Werkmeister Wessel sei von dem Amtsgericht in Dirschau als Zeuge kommissarisch vernommen worden. Das Gericht habe am Schlusse des Protokolls die Bemerkung gemacht, daß der Zeuge einen vollständig glaubwürdigen Eindruck machte.

      Sachverständiger: Als Wessel zwecks Beobachtung in meine Anstalt gebracht wurde, kam es darauf an, zu prüfen, ob die Angaben der Frau oder die seinigen wahr seien. Hatte die Frau recht, dann war der Mann verrückt. Daß der Mann Alkoholiker war, war zweifellos. Er war außerdem herzleidend und wohl infolgedessen ein sehr reizbarer, heftiger Mensch, der ganz besonders von der Wahnidee befangen war, daß seine Frau eheliche Untreue begehe. Diesen Wahn hatte er auch noch in der Anstalt. Da er aber dort keine Alkoholika bekam, wurde er allmählich ruhiger. Ich interessierte mich für ihn, da er ein sehr ausgebildetes Ehrgefühl hatte. Immerhin war Wessel ein Mann, der maßlos heftig war.

      Vors.: Ist es möglich, Herr Geheimrat, daß Wessel über Dinge, die zwei Jahre zurückliegen, als Zeuge vernommen, das Gegenteil sagt?

      Sachverständiger: Möglich ist das schon. Wessel ist das Kind eines Augenblicks, dem die Gedanken furchtbar durcheinandergehen. Ich will nicht sagen, daß Wessel lügenhaft ist, es entspricht aber seinem ganzen Charakter, daß er die Dinge verwechselt und schließlich das Gegenteil von dem wirklich Geschehenen bekundet.

      Vors.: Ist Wessel als genesen entlassen worden?

      Sachverständiger: Nein.

      Vors.: Ist er nicht aus der Anstalt durchgebrannt?

      Sachverständiger: Das schwebt mir allerdings so vor.

      Vors.: Was machte Frau Wessel für einen Eindruck auf Sie?

      Sachverständiger: Die Frau machte auf mich einen durchaus glaubwürdigen Eindruck. Der Sachverständige bekundete im weiteren: Wessel klagte ihm nach seiner Entlassung, daß er, da er in einer Irrenanstalt gewesen, nirgends mehr Arbeit bekommen könne. Er (Sachverständige) habe ihm gesagt, er wolle ihm zur Erlangung von Arbeit behilflich sein, er solle sich evtl. auf ihn berufen. Schließlich habe er ihn an Direktor Schellmann in Brauweiler empfohlen.

      Vert.: Nachdem Wessel zwei Jahre in Freiheit und in Arbeit war, ist es dann nicht anzunehmen, daß, wenn er unter seinem Eid vor Gericht eine Aussage macht, auch die Wahrheit sagt?

      Sachverständiger: Das ist etwas viel, was da von mir auf einmal verlangt wird. Ich bemerke also, daß ich Wessel seit zwei Jahren nicht gesehen habe, ich habe also kein bestimmtes Urteil über seinen jetzigen Geisteszustand. Ich kann nur sagen: Wessel sieht durch die Brille seines eigenen Affekts und es entspricht seiner Geistesverfassung, irrtümlich das Gegenteil von der Wirklichkeit auszusagen.

      Sanitätsrat Dr. Laudahn: Er müsse bekunden, daß Wessel zu Dr. Udenthal einmal sagte: »Wenn ich Sie ersteche, so kann mir nichts passieren, denn ich bin ja als geisteskrank erklärt.«

      Vert.: Ist dieser Dr. Udenthal nicht derselbe, den Wessel im Verdacht hatte, daß er mit seiner Frau verbotenen Verkehr unterhalte.

      Sanitätsrat Dr. Laudahn: Das hat Wessel mir gegenüber entschieden in Abrede gestellt.

      Es wurde hierauf von dem Dolmetscher der englischen Sprache, Kanzleigehilfen Gottschalk, die Aussage des in London kommissarisch vernommenen Zeitungskorrespondenten Politt verlesen. Danach hatte dieser bekundet: Er habe sich mit Hilfe eines Dolmetschers dem Direktor Schellmann als englischer Journalist vorgestellt und diesen gebeten, ihm die Einrichtungen der Anstalt zu zeigen. Direktor Schellmann habe ihn sehr freundlich empfangen. Er habe ihm mitgeteilt, daß die Männer mittels Zwangsjacke und eisernen Fesseln, die Weiber durch Anlegung eines Maulkorbes bestraft werden. Er habe dies für kaum glaublich gehalten. Er habe alsdann die Leute beim Essen beobachtet und von Schellmann gehört, daß diejenigen Korrigenden, die ihr Morgenpensum nicht aufgearbeitet haben, kein Mittagsmahl erhalten. Schellmann habe ihm mitgeteilt, daß die Korrigenden Gefangene seien. Er habe, wenn die Korrigenden nach ihrer Entlassung keine Arbeit finden, das Recht der Wiederarretierung. Schellmann habe ihn u.a. in eine Zelle geführt, wo ein

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