Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer
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Es erschien hierauf als Zeugin die achtzehnjährige Korrigendin Anna Zimmer. Auf Antrag des Verteidigers ersuchte der Vorsitzende den Direktor Schellmann, während der Vernehmung dieser Zeugin den Saal zu verlassen. Die Zeugin, die einen sehr unsicheren und befangenen Eindruck machte, bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Sie sei seit 17 Monaten in der Brauweiler Arbeitsanstalt. Sie sei zunächst mit Hemdennähen beschäftigt gewesen. Sie sollte täglich sechs Hemden nähen, d.h. nur »reihen«, sie habe das Pensum aber nur zur Hälfte erledigen können, deshalb sei sie drei Tage mit Kostentziehung bestraft worden. Alsdann habe sie Tütenmachen gelernt und sollte täglich 750 Tüten machen. Da sie auch dies Pensum nicht erledigen konnte, sei sie wiederum mit drei Tagen Kostentziehung bestraft worden. Darauf habe sie das Bürstenmachen und zuletzt das Spulen gelernt und habe auch dabei das Pensum nicht machen können. Sie sei auch deshalb mit Kostentziehung und Arrest, das letztemal mit 36 Stunden, bestraft worden.
Vors.: Sind Sie nicht auch wegen anderer Vergehen bestraft worden?
Zeugin (nach längerem Zögern): Ich habe schließlich die Arbeit verweigert.
Vors.: Weshalb verweigerten Sie die Arbeit?
Zeugin: Weil ich immer ein so großes Pensum zu arbeiten bekam.
Die Zeugin bekundete im weiteren auf Befragen: Sie habe einmal aus Versehen eine Fensterscheibe zerbrochen, deshalb sei sie von dem Pastor Peiner mit einem Seil geschlagen worden. Pastor Peiner habe dies außerdem dem Direktor Schellmann angezeigt. Letzterer habe sie zu fünf Tagen Arrest verurteilt und ihr auch noch die Kosten für die zerbrochene Scheibe abgezogen.
Vors.: Haben Sie sich über die erlittenen Strafen bei den Herren aus Düsseldorf beklagt?
Zeugin: Nein.
Vors.: Wußten Sie, daß Sie das Recht haben, sich zu beschweren?
Zeugin: Ja.
Vors.: Wer hatte Ihnen das gesagt?
Zeugin: Herr Direktor Schellmann.
Vors.: Sie haben sich aber trotzdem nicht beschwert?
Zeugin: Nein.
Vors.: Hielten Sie Ihre Bestrafung für gerecht?
Zeugin: Ja.
Angekl. Hofrichter: Haben Sie nicht befürchtet, daß Sie sich durch eine Beschwerde bei den Düsseldorfer Herren Unannehmlichkeiten machen könnten?
Zeugin: Jawohl.
Vors.: Erhielten Sie, wenn Sie nicht Kostentziehung hatten, zur Genüge zu essen?
Zeugin: Jawohl.
Vors.: War die Kleidung ausreichend?
Zeugin: Jawohl.
Rechtsanwalt Gammersbach: Ich überreiche hier die Personalakten. Danach ist die Zeugin nicht mit fünf Tagen, sondern mit 24 Stunden bestraft worden.
Direktor Schellmann, der hierauf wieder in den Saal gerufen wurde, bemerkte: Die Zimmer sei nicht wegen Zerbrechens der Scheibe, sondern wegen Ungehorsams mit einem Tag Arrest bestraft worden. Dieser eine Tag sei aber auf fünf Tage ausgedehnt worden, da die Zeugin noch vier Tage wegen Arbeitsverweigerung abzusitzen hatte. Die Zimmer gehörte zu den Mädchen, die ungeheuer faul waren. Die folgende Zeugin war die 17jährige Korrigendin Katharina Henn. Diese bekundete auf Befragen: Sie sei mehrfach mit Kostentziehung bestraft worden, weil sie ihr Pensum nicht machen konnte. Sie habe deshalb die Arbeit überhaupt verweigert und sei infolgedessen noch mit Arrest bestraft worden. Sie habe einmal aus Wut, weil ihr die Kost entzogen wurde, eine Glasscheibe zerschlagen. Es seien ihr deshalb Handschellen angelegt worden.
Vert.: Haben Sie nicht deshalb die Arbeit verweigert, weil Sie, trotzdem Sie arbeiteten, keine warme Kost bekamen?
Zeugin: Jawohl.
Auf weiteres Befragen äußerte die Zeugin: Sie sei niemals geschlagen worden. Auch sei die Kost, wenn sie nicht Kostentziehung hatte, ausreichend gewesen, ebenso sei die Kleidung und Heizung hinreichend gewesen.
Die 34jährige Zeugin Katharina Transfeld bekundete: Sie habe nur einmal vier Wochen »Cachotte« »wegen Frechheit« gehabt. Sonst sei sie niemals bestraft worden, sie habe auch niemals gehört, daß Korrigendinnen in Brauweiler geschlagen wurden. Die Beköstigung und Bekleidung sei ausreichend gewesen. Sie wußte, daß sie sich bei den Herren aus Düsseldorf beschweren könne. Der Herr Landrat sei einmal selbst in ihre Zelle gekommen und habe sie gefragt, ob sie eine Beschwerde habe.
Die ehemalige Korrigendin Katharina Hoffmann erzählte des längeren, daß sie mit einer Aufseherin einmal einen heftigen Streit gehabt habe. Die Aufseherin habe sie furchtbar gestoßen und sie habe infolgedessen ein Waschbecken genommen und die Aufseherin mit Wasser begossen. Die Aufseherin habe ihr mit Schlägen gedroht, sie habe ihr aber erwidert, daß sie ihr sofort ein paar Ohrfeigen zurückgeben würde. Direktor Schellmann habe sich ihr gegenüber ganz liebevoll gezeigt.
Die ehemalige 23jährige Korrigendin Gertrud Neulenz bekundete auf Befragen: Sie habe einmal mit einer anderen Korrigendin Zank gehabt und sei deshalb mit sieben Tagen »Cachotte« bestraft worden. Auch wegen Nichterledigung des Pensums habe sie »Cachotte« bekommen.
Vors.: Ist es in der »Cachotte« kalt?
Zeugin: Das ist je nachdem. Wenn man in der »Cachotte« Skandal macht, dann wird die Heizung abgestellt.
Auf Befragen des Verteidigers bekundete die Zeugin noch: Sie habe einmal, als sie aus der Kirche kam, bemerkt, daß eine Korrigendin, namens Heimson, geschwollene Hände hatte. Auf ihr Befragen habe sie ihr gesagt, daß sie in der vergangenen Nacht Handschellen angehabt habe. Eine Korrigendin, namens Heinrich, habe einmal die Hände mit eisernen Ringen auf den Rücken geschnallt gehabt.
Vors.: Wußten Sie, daß Sie sich beschweren können?
Zeugin: Jawohl.
Vors.: Haben Sie sich beschwert?
Zeugin: Nein.
Vors.: Hatten Sie keine Ursache dazu?
Zeugin: Ich wurde einmal mit einer Arbeitskollegin vor Herrn Direktor Schellmann geführt. Letzterer sagte zu meiner Kollegin: Sie haben hier nicht soviel zu reden, sonst erhalten Sie noch drei Tage länger Kostentziehung.
Schellmann: Dies ist absolut unwahr.
Auf Befragen des Verteidigers sagte die Zeugin: Wenn eine Korrigendin vor den Direktor geführt werden wolle, dann müsse sie der Aufseherin genau angeben, worüber sie sich beschweren wolle.
Auf Befragen