Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer

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Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band - Hugo Friedländer

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Wenn die Leute einwenden, daß sie wegen Kränklichkeit das Pensum nicht zu liefern vermöchten, so werde der Anstaltsarzt um ein Gutachten ersucht. Wenn die Nichtverrichtung des Pensums nicht durch Kränklichkeit geschehen sei, so trete Entziehung der warmen Kost und Arreststrafe ein. Die Korrigenden erhalten alsdann nur 625 Gramm Brot täglich. Die Arreststrafe betrage 24 bis 48 Stunden. Es trete auch bisweilen Nachtarrest ein. In solchem Falle erhalten die Arrestanten keine Pritsche, sondern lediglich eine wollene Decke. Im Falle der Verweigerung der Arbeit trete eine permanente Arreststrafe von sieben Tagen nebst Entziehung der warmen Kost ein. Am vierten Tage erhalten jedoch die Detinierten wiederum einen Strohsack und die übliche warme Kost.

      Der Verteidiger hielt dem Zeugen vor, daß er in der Gefängniskonferenz zu Düsseldorf gesagt habe: Es gebe in der Arbeitsanstalt zu Brauweiler Krüppel, Epileptiker und mindestens 72, die eigentlich geisteskrank seien. Er (Vert.) frage, was mit diesen Leuten geschehe, ob diese auch zur Arbeit angehalten werden.

      Zeuge: Es gibt allerdings in Brauweiler mehrere Krüppel, Leute, die nur einen Arm oder einen Fuß usw. haben, diese sind aber durchaus arbeitsfähig. Leute, die wiederholt epileptische Anfälle haben, werden dem Ortsarmenverbande überwiesen. Auf Vorhalten des Rechtsanwalts Gammersbach bemerkte der Zeuge im weiteren: Fleisch erhalten die Korrigenden nur an den drei hohen Festtagen, Weihnachten, Ostern und Pfingsten und an Kaisers Geburtstag. Auf seinen (des Zeugen) Antrag erhalten jedoch die warmen Speisen sämtlich einen gewissen Fettzusatz. Allerdings sei die Körperkonstitution der Korrigenden im allgemeinen eine schwächere als die der Zuchthäusler usw., die Rationen seien jedoch im allgemeinen größer als die in den dem Ministerium des Innern unterstehenden Strafanstalten. Während in diesen Anstalten täglich 550 Gramm Brot gereicht werden, erhalten die Korrigenden in Brauweiler 625 Gramm. Die Häftlinge in den Kgl. Strafanstalten erhalten zum Frühstück 1/2, mittags 1 bis 1 1/4 und abends 3/4 Liter warmes Essen. In Brauweiler dagegen 1/4 Liter, mindestens 1 1/4 Liter und 1 Liter warmes Essen. Es gebe auch für Kranke und alte Korrigenden, die sich gut geführt haben und darum bitten, eine sogenannte Mittelkost. Diese bestehe aus 120 Gramm Fleisch dreimal in der Woche und Graubrot anstatt Schwarzbrot.

      Auf Befragen des Angeklagten, ob die Geisteskranken einer Irrenanstalt überwiesen worden seien, sagte der Zeuge: Der Anstaltsarzt sei psychiatrisch vorgebildet. Dieser habe zu entscheiden, ob ein Geisteskranker einer Irrenanstalt zu überweisen sei. Nach einer Verfügung des Ministers des Innern seien auch Geisteskranke, wenn der Anstaltsarzt es für zulässig halte, mit leichter Arbeit zu beschäftigen und detentionsfähig. Wie viele Geisteskranke im verflossenen Jahre einer Irrenansalt überwiesen wurden, könne er augenblicklich nicht angeben.

      Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden bemerkte der Zeuge: Die Sterblichkeit in der Arbeitsanstalt Brauweiler betrage etwa zwei Prozent. Die Todesursachen bestehen zumeist in Lungenschwindsucht, Lungenkrankheiten usw. Zur Zeit der Influenza sei die Sterblichkeitsziffer allerdings größer gewesen. Es schwebe ihm so vor, daß in den Königl. Anstalten die Sterblichkeit und auch die Krankheitsfälle größer seien als in Brauweiler. Die Beamten seien verpflichtet, jeden Korrigenden, der ihn (Zeugen) sprechen bzw. sich beschweren wolle, ihm vorzuführen. Von diesem Recht werde von den Korrigenden vielfach Gebrauch gemacht. Es werden ihm täglich Korrigenden zu diesem Zwecke vorgeführt. Wenn sich Korrigenden mit seinem Bescheid nicht einverstanden erklären und den Wunsch äußern, sich an einer höheren Stelle zu beschweren, so werde dies zu Protokoll genommen und beim Erscheinen des Landesdirektors oder des Landesrats diesem vorgelegt. Die Besuche der letzteren geschehen in der Regel unangemeldet, ohne daß er (Zeuge) davon vorher unterrichtet sei. Bisweilen werde er allerdings ersucht, einen Wagen an den Bahnhof zu schicken, in solchem Falle werde er von dem Erscheinen vorher benachrichtigt. Auf Befragen des Verteidigers äußerte der Zeuge: Der Landesdirektor sei im letzten halben Jahre zweimal in Brauweiler gewesen. Auf ferneres Befragen des Vorsitzenden bekundete der Zeuge: Er habe das Recht, die Beamten mit einer Geldstrafe bis zu zehn Mark oder mit Schmälerung der freien Dienststunden zu bestrafen. Die Beamten seien berechtigt, sich beschwerdeführend an den Landesdirektor zu wenden. Der Zeuge gab noch eine Erklärung über die Ursachen der Beamtenentlassungen. Viele Beamte scheiden aus, da ihnen das frühe Aufstehen nicht passe. Im Sommer werden mehr Beamte gebraucht wie im Winter, es werden daher mit Beginn des Winters mehrere Hilfsbeamte entlassen.

      Verteidiger: In einer von Direktor Schellmann zu den Akten gegebenen Erklärung sagt dieser mit Beziehung auf den Angeklagten, daß letzterer kein Pflicht- und Ehrgefühl besitze. Er stelle daher auf Grund des § 198 des Strafgesetzbuches im Namen des Angeklagten gegen Schellmann den Strafantrag.

      Der Vorsitzende bemerkte, daß er diesen Antrag zu Protokoll nehmen werde.

      Am zweiten Verhandlungstage war auf Ladung des Vertreters des Nebenklägers, Rechtsanwalts Gammersbach, Geh. Regierungsrat Dr. Krone (Berlin) vom Ministerium des Innern als Zeuge und Sachverständiger erschienen.

      Vorsteher des Landarmenhauses zu Trier, Zietschmann: Er sei von 1882-1893 Arbeitsinspektor und stellvertretender Direktor in Brauweiler gewesen. Direktor Schellmann sei wohl ein sehr strenger, aber ein sehr gerechter Mann gewesen, der ganz besonders wohlwollend gegen die ihm unterstellten Beamten war. Direktor Schellmann sorgte für die pekuniäre Besserstellung der Beamten, für gute Wohnungen usw. Wenn in den Familien der Beamten Krankheitsfälle vorkamen, so sorgte Schellmann für kräftiges Essen und schickte den Kranken Wein. Er (Zeuge) könne nur sagen: Direktor Schellmann war ein selten guter Mann. Die Häuslinge fürchteten wohl die Strenge des Direktors Schellmann, sie waren ihm aber andererseits für sein Wohlwollen, das er gegen sie an den Tag legte und auch seiner Gerechtigkeit wegen zugetan. Ganz besonders nahm sich Schellmann bei der Entlassung der Korrigenden an und sorgte für Unterkommen, Arbeit usw. Den Häuslingen stand das Beschwerderecht an den Direktor Schellmann zu, es hatten sich täglich Häuslinge zum Rapport vor den Direktor führen lassen.

      Rechtsanwalt Gammersbach: Diese Bemerkung könnte zu Irrtümern Veranlassung geben. Haben sich täglich Korrigenden vorführen lassen, um Beschwerden vorzubringen, oder waren es nicht zumeist Gesuche, die die Korrigenden vorzutragen hatten?

      Zeuge: In den meisten Fällen waren es allerdings Gesuche. Auf ferneres Befragen bekundete der Zeuge: Das Arbeitspensum in Brauweiler sei im allgemeinen nicht größer gewesen als in dem jetzt von ihm in Trier geleiteten Landarmenhause.

      Auf Befragen des Rechtsanwalts Gammersbach äußerte der Zeuge, daß ihm niemals eine Klage von den Beamten oder Häuslingen über Willkür des Direktors Schellmann bekannt geworden sei.

      Im weiteren bekundete der Zeuge auf Befragen: Es werden Häuslinge auch zu Land- und Straßenbauarbeiten verwendet. Die Häuslinge verrichten diese Arbeiten sehr gern, da sie dadurch in die frische Luft kommen. Die Häuslinge werden in solchen Fällen unter Führung von Aufsehern kolonnenweise zur Arbeit gebracht. Die entfernteren Kolonnen wurden betreffs des Essens, der Wohnungen usw. alle zwei Monate, die näheren allmonatlich von dem Direktor Schellmann oder ihm revidiert. Daß die Häuslinge in großer Kälte in unzulänglicher Kleidung mit nur einer Art Sack bekleidet im Freien arbeiten mußten, sei unrichtig. Die Leute seien sämtlich warm gekleidet gewesen. Bei Rübenbauten wurde ihnen allerdings eine Art Sack übergeworfen, damit die Kleidung nicht allzusehr beschmutzt würde. Die Häuslinge in Jülich erhielten täglich von der Zuckerrübenfabrik 1 Mark und außerdem hatte die Fabrik für Essen und Unterkommen der Leute zu sorgen. Wenn ein Häusling sagte, daß er das ihm zugewiesene Arbeitspensum nicht zu leisten imstande sei, dann wurde er ärztlich untersucht, und wenn der Arzt den Mann für zu schwach befand, das Arbeitspensum herabgesetzt.

      Gutsbesitzer und Assesor a.D. Pauli: Er beschäftige seit Jahren Brauweiler Häuslinge auf seinem Gute. Er habe sich aus psychologischen Gründen mehrfach mit einzelnen Häuslingen unterhalten. Diese haben ihm übereinstimmend gesagt: Direktor Schellmann sei wohl ein sehr strenger, aber auch ein sehr gerechter Mann. Er habe, außer einmal von dem gestern verurteilten Szaplewski, niemals beobachtet, daß die

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