Die Nilbraut. Georg Ebers
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Unter diesem Gemisch von Empfindungen wandte sich seine Aufmerksamkeit mehr und mehr ausschließlich der Jungfrau zu, und seine Mutter, welche mit Frau Susanna in ziemlicher Entfernung von den Spielenden auf einer Ruhebank saß, bemerkte dies mit wachsendem Aerger und suchte ihn durch Fragen und kleine Aufträge von ihr abzulenken und seinem auffallenden Treiben eine andere Richtung zu geben.
Wer hätte noch gestern Morgen gedacht, daß ihr der Liebling so bald solchen Verdruß solche Sorgen bereiten werde!
Ganz so, wie der Vater und sie es gewünscht, als ein selbstbewußter, mit dem Leben der großen Welt vertrauter Mann war er heimgekehrt. Zwar hatte er in der Hauptstadt alles genossen, was einem vornehmen Jüngling genießenswert erscheint, aber darum war er doch — und das bereitete dem Vater die größte Freude — darum war er doch frisch und empfänglich auch für das Kleinste geblieben. Von der Uebersättigung und Abstumpfung der Daseinsfreude, der so viele seiner Alters- und Standesgenossen in der Residenz anheimfielen, zeigte sich an ihm keine Spur. Er konnte immer noch mit der kleinen Maria so munter spielen, sich über eine seltene Blume oder ein neues, schönes Pferd so herzlich freuen wie vor dem Aufbruch, und dabei hatte er so tiefe Einblicke in die politischen Verhältnisse der Zeit, den Zustand des Kaiserreiches und Hofes, die Staatsverwaltung und kirchlichen Neuerungen gewonnen, daß es dem Vater Genuß bereitete, ihn sprechen zu hören, und dieser seiner Gattin versichern konnte, er lerne mancherlei von dem Jungen, und Orion sei auf dem Wege, ein tüchtiger Staatsmann zu werden, der jetzt schon das Zeug besitze, ihn voll zu ersetzen.
Als die Mutter ihrem Gatten die große Summe genannt hatte, welche Orion in Konstantinopel schuldig geblieben war, griff der alte Herr mit einem gewissen Stolz in den Beutel; ja er fand es erfreulich, daß der einzige ihm verbliebene Erbe es verstehe, die großen Reichtümer, welche ihm selbst mehr zur Last als zur Freude gereichten, ebenso gut wie er selbst in seiner Jugend zu gebrauchen und sich mit einem Glanze zu umgeben, der auf ihn und seinen Namen zurückfiel. »Bei ihm weiß man,« sagte der Kranke, »wofür man sein Geld rollen läßt. Seine Rosse kosten viel, aber er versteht mit ihnen zu siegen; sein Auftreten verschlingt hübsche Summen, doch dafür verschafft es ihm Geltung, wo er sich zeigt. Da bringt er mir einen Brief des Senators Justinus, und der würdige Mann bekennt, daß er eine große Rolle unter der stolzen ›goldenen Jugend‹ der Hauptstadt gespielt hat. So etwas gibt’s nicht umsonst, und ich hab’ es am Ende noch billig bezahlt. Was brauchen wir nach hundert Talenten mehr oder weniger fragen, und es liegt was Großes darin, daß er den Mut gefunden, es auch nicht zu thun!«
Und der dies sprach, war kein fröhlicher Greis, sondern ein gebrochener Mann, der sich nur freute, den Sohn das Viele, was zu genießen ihm selbst längst versagt war, froh auskosten zu sehen.
Und der feurige, hochbegabte, kaum dem Knabenalter entwachsene Jüngling, den er mit einiger Besorgnis in die Kaiserstadt geschickt hatte, mußte dort in der Hauptsache ein viel gesetzteres Leben geführt haben, als es von ihm zu erwarten gewesen; dafür bürgte der rötliche Schimmer auf den leicht gebräunten Wangen, die schwellende Kraft seiner Muskeln und die Fülle seines schlichten, aber künstlich gekräuselten Haares, das ihm in kurz geschnittenen Fransen nach der Mode des Tages auf die hohe Stirn fiel, und ihm eine gewisse Aehnlichkeit mit den Bildern des Antinous, des schönsten Jünglings zur Zeit des Kaisers Hadrianus, verlieh.
Der Heimgekehrte, das fand auch die Mutter, sah wie die Gesundheit selbst aus, und kein kaiserlicher Verwandter konnte reicher, sorgfältiger und modischer gekleidet sein als ihr Liebling. Aber auch im einfachsten Rocke wär’ er ein schöner, herrlicher Jüngling, der Stolz einer Mutter gewesen.
Als er die Heimat mit der Residenz vertauschte, hatte er noch etwas an sich gehabt, das nach der Provinz schmeckte, jetzt aber war jede Befangenheit von ihm gewichen, und überall, auch bei Hofe, konnte er sicher sein, unter den Ersten mit Beifall bemerkt zu werden.
Und was hatte er alles in der Hauptstadt erlebt! Ereignisse für ein Jahrhundert waren in den dreißig Monaten seines Aufenthalts reißend schnell einander gefolgt. Je höher die Erregung, desto größer das Vergnügen, hieß die Losung der Zeit, und wenn er am Bosporus auch gerast und geschwelgt hatte wie einer, so waren die Freuden des Gastmahles, der Liebe, des Wettfahrens mit eigenen, Sieg errennenden Gespannen, deren er dort reichlich genossen, doch Kinderspiel gewesen, im Vergleich zu der Nerven erschütternden Spannung, welche die furchtbaren Schreckensereignisse, in deren Mitte er als Zuschauer gestanden, in ihm entfacht hatten. Armseliges Vergnügen des Wagenrennens in Alexandria. Ob des Timon, ob des Ptolemäus oder die eigenen Rosse siegten, was kam darauf an! Auch im Zirkus zu Byzanz war es schön, den Kranz zu erbeuten, aber es gab dort andere Erschütterungen der Seele, als wie sie sich an Pferd und Wagen schlossen! Da handelte es sich um Kronen, da konnte es Blut und Leben von Tausenden gelten! — Was brachte man heim aus den Kirchen im Nilthal? Aber hatte man die Schwelle des Sophiendoms in Byzanz überschritten, dann kam man oft bis ins Mark erschüttert, kam man mit blutenden Wunden oder gar als Leiche nach Hause.
Dreimal hatte er den Thron wechseln sehen. Ein Kaiser und eine Kaiserin waren vor seinen Augen des Purpur beraubt und verstümmelt worden.
Dort, damals hatte es echte und rechte, Mark und Bein erschütternde Vergnügungen gegeben. Das andere! Ja, im Kleinen war auch das ergötzlich gewesen! Man hatte ihn nicht empfangen wie andere Aegypter: halbgebildete Philosophen, die sich Weise nannten, sich mystisch und mit schwülstiger Feierlichkeit geberdeten, Astrologen, Rhetoren, armselige, aber witzige und giftige Spötter, mit der Wissenschaft ihrer Väter prunkende Aerzte, fanatische Theologen, stets bereit, sich bei erbitterten Glaubensstreitigkeiten anderer Waffen als der Gründe und Dogmen zu bedienen, schmutzige, geistig und körperlich verwahrloste Einsiedler und Klausner, Kornhändler und Wucherer, mit denen es gefährlich war, ohne Zeugen ein Geschäft abzuschließen. Mit diesen allen hatte Orion nichts zu schaffen gehabt. Als des reichen und vornehmen Statthalters, des berühmten Mukaukas Georg schöner, lebensfroher und geistesfrischer Sohn, ja als eine Art von Gesandter war er empfangen worden, und was die goldene Jugend der Kaiserstadt sich gönnte, das vermochte auch er! Seine Börse war ebenso reich gespickt wie die ihre, seine Gesundheit und Lebenskraft zwanzigmal zäher, und dreimal hatten seine Rosse, da er sie selbst führte und nicht von bezahlten Agitatoren lenken ließ, die ihren geschlagen. Der »reiche Aegypter«, der »neue Antinous«, der »schöne Orion«, wie man ihn nannte, durfte bei keinem Feste, keinem Vergnügen fehlen. Die ersten Häuser der Stadt zählten ihn gern zu ihren Gästen, und im Palast und der Villa des Senators Justinus, eines Jugendfreundes seines Vaters, verkehrte er wie der Sohn des Hauses. Bei ihm und seiner wohlgesinnten Gattin Martina lernte er auch die schöne Heliodora, die Witwe eines Neffen des Senators, kennen, und die ganze Stadt hatte von dem zärtlichen Verhältnis gesprochen, welches Orion mit der anmutigen jungen Frau verbunden, deren strenge Tugend bisher nicht weniger bewundert worden war als ihr blondes Haar und die großen Juwelen, womit sie ihre sonst einfachen,