Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1. Karl May

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Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1 - Karl May

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Mann ist vielleicht der Schwarze Gerard, der uns so viel zu schaffen machte.« – »Der Schwarze Gerard!« rief es rundum im Kreis.

      Der Offizier aber winkte Ruhe und fragte den Gefangenen:

      »Habe ich recht vermutet? Habe ich es richtig getroffen? Antworte!«

      Da regte sich ein Gefühl des Stolzes in Gerard. Sollte er eine Lüge sagen und seinen berühmten Namen verleugnen? Nein. Aber sollte er es eingestehen und damit seine Lage verschlimmern? Das ging auch nicht. Er wollte erst sehen, wie ihn der Kommandant empfangen werde; darum zuckte er die Achseln und antwortete:

      »Untersuchen Sie es, Leutnant.« – »Man sagt ›Herr‹ Leutnant! Verstanden?« fuhr ihn der Offizier an. »Es ist übrigens egal, ob du eingestehst oder nicht; denn ich werde sogleich wissen, woran ich bin. Man sagt, die berühmte Büchse des Schwarzen Gerard habe einen Kolben, der mit Gold ausgegossen und mit Blei überzogen sei, und daß er mit ihr stets tödliche Hiebe austeilt, da der Kolben sehr schwer ist. Habt ihr ihm diese Waffe abgenommen?« – »Ja. Hier ist sie«, antwortete der Sergeant. – »Nehmt ein Messer. Das Blei ist weich. Seht, ob Gold darunter steckt.«

      Jetzt sah sich Gerard verraten. Das, was man sich von seiner Büchse erzählte, war Tatsache. Dieser Kolben diente ihm nicht nur als Waffe, sondern zugleich als Börse. Er hatte sich das Gold von jener Ader geholt und brauchte, wenn er eine plötzliche Ausgabe hatte, nur einen Schnitt in den Kolben zu tun, um bezahlen zu können. Dadurch war dieser bekannt geworden.

      »Ah, Teufel, darum also war das Gewehr so schwer«, meinte der Sergeant.

      Damit zog er sein Messer hervor und schnitt an einer Stelle das Blei herab. Sofort kam das schimmernde Gold zum Vorschein.

      »Hier ist Gold, reines Gold!« rief der Unteroffizier. – »So ist er es!« entgegnete der Leutnant frohlockend. »Ich selbst werde zum Kommandanten gehen, um ihm diese höchst wichtige Meldung zu machen.«

      Er ging. Die Zurückbleibenden betrachteten den Gefangenen jetzt mit furchtsamer Scheu. Es herrschte vollständige Stille in dem Wachtlokal, diejenige Stille, die ein bedeutender Charakter so leicht hervorzubringen pflegt.

      Selbst die Marketenderin schwieg. Ihr einstiger Geliebter war ein berühmter und gefürchteter Waldläufer geworden, das beschäftigte ihre Gedanken so, daß sie das Reden vergaß, obgleich sie das Wort nicht vergessen konnte, das er gesprochen hatte.

      Der Leutnant war mit raschen Schritten zum Kommandanten hinaufgegangen. Droben im Saal war eine große Anzahl Herren und Damen versammelt. Die Damen waren lauter Mexikanerinnen, die Herren aber Mexikaner und französische Offiziere.

      Unter den Eingeborenen mochte manches Herz sein, das Juarez treu ergeben war und die fremden Eindringlinge glühend haßte; aber diese Regungen mußten hier verborgen bleiben und durften sich durch keinen Blick verraten.

      Gerade, als der Leutnant erschien, war eine Pause in der allgemeinen Unterhaltung eingetreten, daher kam es, daß aller Augen sich auf ihn richteten.

      Man sah es ihm ganz deutlich an, daß er irgendeine wichtige Nachricht bringe. Auch der Kommandant bemerkte dies und rief ihm daher fragend entgegen:

      »So aufgeregt, Leutnant! Was bringen Sie?« – »Eine höchst wichtige und erfreuliche Meldung«, antwortete der Gefragte. – »Also dienstlich?« – »Zu Befehl.« – »Ist sie unter vier Augen zu geben oder nicht?« – »Ah, ich glaube, daß sämtliche Herrschaften sich darüber freuen werden.« – »Nun, wenn es sich nicht um ein Geheimnis handelt, so reden Sie!«

      Da stellte sich der Leutnant in dienstliche Positur, salutierte und sagte dann:

      »Gebe mir die Ehre, gehorsamst zu melden, daß wir den Schwarzen Gerard gefangen haben.«

      Sofort sprang der Kommandant auf und mit ihm alle anderen ohne Ausnahme.

      »Den Schwarzen Gerard! Ist‘s möglich?« rief er erfreut. – »Gewiß, er ist‘s!«

      Dieses Wort brachte eine allgemeine Aufregung hervor. Die Franzosen waren entzückt, den gefährlichen Feind in ihre Hand bekommen zu haben, während diese Nachricht die Mexikaner ganz gegenteilig berührte. War dieser berühmte Parteigänger wirklich gefangen, so hatte die Sache des Vaterlandes und des Präsidenten Juarez einen großen Verlust erlitten. Alle aber waren sie einig in der Begierde, den gefürchteten Mann zu sehen; darum lauschten sie aufmerksam auf die Worte, die zwischen dem Kommandanten und dem Leutnant gewechselt wurden.

      »Wo ist er?« fragte der erstere. – »Unten im Wachlokal«, antwortete der letztere. – »Wo hat man ihn ergriffen?« – »Draußen bei den Vorposten, er hatte sich in die Stadt geschlichen.« – »Alle Teufel! So war es wohl jener Kerl, der mir gemeldet wurde?« – »Zu Befehl, ganz derselbe.« – »Hat er eingestanden, wer er ist?« – »Nein. Er gab sich für einen Vaquero aus Chiricote aus.« – »Wer hat ihn erkannt?« – »Eigentlich ich. Die Marketenderin erkannte in ihm einen Schmied aus Paris, namens Gerard, dies machte mich aufmerksam, da der Mann einen dichten, schwarzen Vollbart trägt. Ich fragte ihn, und er antwortete ausweichend. Da ließ ich seine Büchse untersuchen, und …« – »Ah, ja! Sie soll ja einen Kolben von gediegenem Gold haben!« – »Das mit Blei überzogen ist. Ich ließ das Blei entfernen, und richtig kam das gediegene Gold zum Vorschein.« – »So ist er es! Lassen Sie ihn sofort in meine Privatwohnung bringen!«

      Schon wollte sich der Leutnant entfernen, da blickten sich die Versammelten untereinander an, und eine Dame, die sich der Gunst des Kommandanten rühmen mochte, wandte sich an diesen mit der Bitte:

      »Monsieur, das werden Sie uns doch nicht antun! Wir alle brennen vor Begierde, diesen Mann zu sehen. Werden Sie so unritterlich sein, den anwesenden Damen ihre Bitte abzuschlagen?«

      Der Kommandant überlegte einen Augenblick. Es schmeichelte ihm, der Gesellschaft einen Gefangenen vorführen zu können, und daher gebot er:

      »Gut, bringen Sie ihn hierher, Leutnant. Bringen Sie auch seine Waffe mit. Wir müssen uns diese berühmte Büchse einmal genau ansehen.«

      Der Leutnant entfernte sich, und nach einer Pause todesstiller Erwartung trat er mit dem Jäger ein, von einem Piquet bewaffneter Soldaten begleitet. Er hatte geglaubt, diese Vorsicht nicht unterlassen zu dürfen.

      Alle Blicke richteten sich auf den Gefangenen. Er war nicht in die mexikanische, theatralische Tracht gekleidet, er trug nur einen alten, blutbefleckten Anzug, aber seine Gestalt machte doch einen bedeutenden Eindruck. Besonders imponierten die furchtlosen Augen, deren Blick ruhig die Gesellschaft musterte.

      8. Kapitel

      Gerard fühlte sich keineswegs beängstigt. Eben als er die Wachtstube verlassen hatte, waren Reiter angekommen, die ihre Pferde draußen angehängt hatten und dann eingetreten waren, hier oben aber hatte man des lauen Abends wegen alle Fenster geöffnet. Der Leutnant trug die Büchse, die Revolver und das Messer des Gefangenen in den Händen.

      »Tritt hierher zu mir!« gebot der Kommandant.

      Gerard machte keine Miene, diesem Befehl Gehorsam zu leisten.

      »Hierher, habe ich gesagt!«

      Der Kommandant zeigte mit dem Finger auf die Stelle, wohin sich der Gefangene zu verfügen habe. Als aber dieser auch jetzt nicht gehorchte, gab ihm der Leutnant einen kräftigen Stoß. Da drehte sich Gerard blitzschnell nach ihm um, erhob das Bein und trat ihn mit dem Fuß so kraftvoll auf die Magengegend, daß er zurücktaumelte, zu Boden stürzte und die Waffen, die er getragen hatte, weit fortflogen.

      »Ich

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