Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band. Julius von Voss

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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band - Julius von Voss

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dem Walle hinauf, doch nun stürzte die erschrockene, durch eine höhere Furcht, als die vor dem feindlichen Angriff, entflamme Menge hinzu, ein wüthend Gemetzel entstand, die Stürmer wurden in den Graben zurückgeworfen, und die Felsstücke, welche Alonzo an seinem Rande hinreihen ließ, auf sie niedergerollt, daß fast keiner zurück ins Lager kam.

      Nach dem vorhin Angedeuteten begreift der Leser wohl, wie elektrische Vorrichtungen das hervorgebracht hatten, was Unkunde und Empfänglichkeit für Aberglauben, Wunder nennen mußten. Den ersten Schlag empfingen die Aufrührer durch das eiserne Thor selbst, den andern durch einen aus dem Keller emporgeleiteten Draht, womit Perotti einen in der Menge berührte.

      Bald sahe Flore Abgesendete aus dem Volke, welche im Staube flehten, den tapferen Kampf gegen Tatas Sturm, der Unbesonnenheit des verführten Volkes, zur Entschuldigung gelten zu lassen. Sie verzieh auf die Bedingung künftiger Unerschütterlichkeit.

      Sie zeigte sich oft den Kriegern, sorgte reichlich für sie, munterte durch Belohnungen auf und gewann sich die Herzen aufs Neue.

      Dem Tata schickte sie eine Botschaft hinaus, welche ihm sagen sollte: Ihr sey es nicht zu verargen, wenn sie sich gegen Schande und schmachvollen Tod zur Wehr setzte. Er mögte abziehn, damit kein Blut mehr flösse, und Kuku melden, was er gesehn hätte. Wenn Kuku aber selbst käme, dann wolle sie unbewaffnet ihm entgegen gehn, sein Herz würde sie dann hören.

      Tata ließ aber den Darkullaner, welcher die Botschaft brachte, sogleich aufknüpfen, und erfuhr sogar nicht, was die Sultanin ihm wollte. Zu ergrimmt war er ohnehin über den Verlust beim Sturm und sein Mißlingen, und willigte auch bei andern Versuchen in keine Unterhandlung. Dagegen ließ er immer wieder des Großpriesters Bericht ablesen, und immer wurde hinzugesetzt: Darkullaner, eine höllische Gaukelei betrog euch, laßt euch die heilige Eselin zeigen, und ihr werdet sehn, welche Missethat die Cafferin verübte.

      Das verfehlte denn doch nicht allen Eindruck, nachdem der erste Schrecken über die Elektrizität gewichen war. Wo ist der Großpriester? diese Frage wurde öfters gehört, man wünschte allgemeine Gebete um Waffenglück, wo die heilige Eselin in Prozession umhergeführt, und in die Mitte gestellt wurde.

      Es erschien dieserhalb eine Bittschrift bei der Sultanin. Sie erwiederte: Wie schon Tag und Nacht im Tempel gebetet würde, und deshalb auch kein Priester ihn verlassen dürfe, (sie waren aber in Gewahrsam, denn sie hatten nun doch den Zustand des Thieres gesehn, und konnten dem Volke schlimme Dinge ins Ohr sagen) da aber die öffentliche Andacht gewünscht werde, so könnte sie in einigen Tagen statt haben.

      Bald darauf mußten die Herolde ankündigen: Die Hälfte der Bewaffneten sollte sich einfinden, die andere auf dem Walle bleiben. Flore hatte rund um den Eselstempel die nahen Gebäude wegreissen, und in der Entfernung von einigen hundert Schritten einen Verschlag anbringen lassen. Gegen Abend sammelte sich die Hälfte der Krieger, strömten alle Weiber und Kinder aus der Stadt zu. Ein langes stummes Gebet machte den Anfang der Feierlichkeit, dann trat Flore auf und hielt eine noch längere Rede, indem sie bald nach dieser, bald nach jener Seite der Schranken ging, überall ihre Worte zu wiederholen. Hauptsächlich trug sie vor: Darkullaner, die Würde der Religion Mahomeds hat eure Herzen gerührt, doch noch ruht des Propheten Zorn auf euch, da ihr das Joch alter Abgötterei noch nicht abzuwerfen vermögt. Zweierlei Andacht ist frevelhaft. Eine tadelt die Andere. Manche Noth, die seit kurzem dies reizende Land heimsuchte, mag eine Strafe der Untreue seyn, die immer einer Gottheit widerfahren muß. Weit entfernt sey es von mir, entscheiden zu wollen, welche die allein wahre ist, die ältere oder die neuere? Aber die Zeit ist gekommen, wo sich die allein wahre, durch ein Wunder der Allmacht offenbaren will. Das sagte mir ein heiliger Traum. Wohlan, so vereint denn eure Gebete brünstig mit dem meinigen. Wie eure Sultanin, sinkt aufs Knie, und fleht, daß dies Wunder heute vor euren staunenden Blicken erscheinen möge. Seht, hier steht der Tempel der heiligen Eselin! Aus seinem Fenster glänzt der Opferlampe Schein durch die Nacht. Dort auf der andern Seite prangt die Moschee, stattlich aufgeführt, durch die Gefühle der Gläubigen geweiht, um dort den Gottesdienst zu feiern, den des Propheten Coran auferlegt. Fleht, daß an den Tempeln noch in dieser Nacht kund werde, welcher von ihnen dem Himmel der gefälligste ist!

      Alles warf sich nieder. Die feierliche Erwartung, der Fanatismus aufs höchste gespannt. Leises Beten der Einzelnen, halblautes Seufzen, aber in der Vielheit in der nächtlichen andächtigen Stille, schon ein wesentliches Geräusch. Einige Zeit vergeht, dumpfe Pause folgt der auf den Lippen und von den Busen hörbaren Inbrunst, dann tönt Florens Stimme wieder, und die andern fallen neuerdings ein. Dicke Nacht umgiebt die Knieenden und der Himmel ist umwölkt. Selbst die Opferflamme im Tempel glimmt düster.

      Plötzlich wird ein dumpfer unterirdischer Donner vernommen, und die Erde, worauf die Andacht sich niederschmiegte, bebt. Dieser Donner löst sich in ein hohles Knarren, ein gellendes Krachen, zuletzt in einen orkanhaften Knall auf, bei dem alles aus Schrecken aufs Antlitz sinkt. Ein helles Umleuchten. Ueberraschung mahnt aber in demselben Momente, alle Blicke, sich wieder emporzurichten. Halbgeblendet, staunen, starren sie nach dem Götzentempel hin, der in Trümmern zerschellt in einer hohen Feuersäule in die Wolken steigt. Dampf, Rauch und dicker Staub verschlingen bald wieder die Blitzeshelle, die zerrissenen Mauern sinken aber brennend und rauchend auf den Boden zurück, Erde fällt weit umhergeschleudert auf die Beter nieder.

      Mahomed ist Gottes Prophet! tönt nun eine Stimme aus der Höhe, nach der Moschee richten sich alle Augen. Sie ist von lauter feurigen Lichtern umgeben, kleine Flammen, Sternen gleich, steigen aus den Minarets empor, und oben zeichnet Feuerschrift mit großen Charakteren den Namen des arabischen Religionsstifters. Die Empfindungen der Menge ergeben sich von selbst.

      Siebentes Kapitel.

      Tatas Unglaube

      Daß eine Mine den Götzentempel in die Luft gesprengt hatte, sieht jedermann ein. Wo so leicht gebaut wird, wie in Darkulla, ließ sich in ihrer Nähe aushalten, bei dicken Steinmauern wären wohl manche der Beter zertrümmert worden.

      Die Priester machten die Reise mit, obgleich Flore gewollt hatte, man sollte sie retten, und irgendwo verbergen. Perotti meinte: besser sey besser, und erklärte, als er Florens Vorwürfe hörte, er wolle alle die Priesterseelen auf sein Gewissen nehmen.

      Auch die heilige Eselin ohne Ohren ward bei dieser Gelegenheit zerrissen, und man war der schlimmen Untersuchung überhoben. Alonzo und Perotti tappten noch in der Nacht mit kleinen Blendlaternen umher, und brachten die Stücke der Körper zusammen, die etwa oben auf den Trümmern lagen, um sie zu verscharren. Der Glaube sollte meinen, alles Leben sei hier völlig vernichtet worden.

      Die Moschee erleuchtete ein Feuerwerk, von dem alle verrätherische Ueberbleibsel auch weggenommen wurden, und damit das alles destomehr ohne Beobachtung geschehen konnte, ließ Flore beim Sonnenaufgang, diesen Tag dem Fasten und Gebeten widmen, denen, mit Ausnahme der Krieger auf der Verschanzung, Jedermann daheim im Hause obliegen sollte.

      Vielleicht wundert man sich, wie es Alonzo und Perotti möglich wurde, so mancherlei Geheimes ins Werk zu richten, und die Arbeiter in der Werkstatt zu bewachen. Aber es ist auch oben erinnert worden, wie letztere dabei mit Leben und Wohlfahrt interessirt waren. Bei dem allen hatte Perotti von den entlassenen stummen Kammerherrn gehört, meinte, hier ständen sie an ihrem Platz, und berief sie ein. Sie mußten Aufsicht über die Künstler führen, Neugierige abhalten, und wo es sonst nöthig wurde, Hülfe leisten.

      Zum Unglück aber konnte einer von ihnen schreiben, sogar etwas denken. Er sah von den Arbeiten ab, was ihm möglich war, und überlegte, daß er dem Bruder des Sultans mit Nachrichten über diese Gegenstände, willkommen sein dürfte. Wenigstens lächelte er ihn an, und versicherte ihn seiner Gnade, ein Genuß, welcher ihn, so lange er vom Hofe entfernt war, nicht gelabt hatte.

      In Tatas Lager sah man den Aufflug der Mine und die Verklärung des islamitischen Tempels gar wohl, und die Krieger fanden sich wunderbar durch die Erscheinungen bewegt.

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