Śnieżka musi umrzeć. Nele Neuhaus
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Schließlich beteiligten sich 40 Staaten an dem bis dahin umfassendsten Krieg der Geschichte. Insgesamt standen annähernd 70 Millionen Menschen unter Waffen. Nach vier Jahren Krieg informierte am 29. September 1918 die Oberste Heeresleitung den Deutschen Kaiser und die Regierung über die aussichtslose militärische Lage des Heeres und forderte ultimativ die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen. Am 4./5. Oktober 1918 ersuchte Reichskanzler Max von Baden die Alliierten um einen Waffenstillstand. Am 11. November 1918 trat der Waffenstillstand in Kraft. Die Vorstellungen der auf der Pariser Friedenskonferenz tagenden Entente-Staaten wurden im Mai 1919 bekannt und im Versailler Vertrag am 22. Juni 1919 im Deutschen Reichstag gebilligt und vom Außenminister Hermann Müller und dem Verkehrsminister Johannes Bell im Spiegelsaal von Versailles unterzeichnet. Der Vertrag trat am 10. Januar 1920 in Kraft.
Durch die Schmach der Franzosen über den gegen die Preußen von ihnen angezettelten und verlorenen Krieg 1870-71, schlugen sie nun mit voller Härte gnadenlos zurück. Die Kränkung der Franzosen muss riesig gewesen sein, als Wilhelm I. ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles auf Druck des Bundeskanzlers des Norddeutschen Bundes und ab 1871 Reichskanzlers des Deutschen Reiches Otto von Bismarck zum ersten Deutschen Kaiser gekrönt wurde. Statt der vor dem Ersten Weltkrieg von Annexionisten erhofften territorialen Zugewinnung musste Deutschland ein Siebtel seines Territoriums mit einem Zehntel seiner Bevölkerung abtreten. Zudem wurde Deutschland die alleinige Kriegsschuld zugeschrieben, was zur Folge hatte, dass das Deutsche Reich zu erheblichen alliierten Reparationsforderungen herangezogen wurde. Um nicht die Verantwortung für die Unterzeichnung des Vertrages tragen zu müssen trat das Kabinett von Reichskanzler Philipp Scheidemann im Juni 1919 geschlossen zurück. Doch angesichts der alliierten Interventionsdrohungen gab es zur Vertragsunterzeichnung am 28. Juni 1919 keine politisch vertretbare Alternative. Der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II., Enkel vom 1. Kaiser Wilhelm und Sohn von Kaiser Friedrich III., dankte offiziell am 28. November 1918 ab. Er lebte dann bis zu seinem Tod am 04. Juni 1941 im Exil in den Niederlanden, in dem von ihm erworbenen Haus Doorn. Die Siegermächte sahen in ihm einen Hauptschuldigen für die Kriegshandlungen und dessen Folgen aus dem Ersten Weltkrieg. Sie ersuchten bei der niederländischen Regierung nach einer Auslieferung, um ihn als Kriegsverbrecher abzuurteilen. Dieses Gesuch wurde von den Niederländern abgelehnt.
Auch die breite Masse der Deutschen wollte ihn nicht mehr als Kaiser. Daraufhin traf sich in Weimar eine vom Volk gewählte Verfassungsgebende Nationalversammlung, die über eine Umwandlung des Deutschen Kaiserreiches in eine parlamentarische Demokratie entschied. Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg 1918 und dem damit verbundenen Ende der Monarchie wurde Preußen zum eigenständigen Freistaat des Deutschen Reichsverbands in der Weimarer Republik proklamiert. Die ersten Jahre von 1919 bis 1923 der neuen Republik waren Krisenjahre, die mit den unmittelbaren Kriegsfolgen, einer Hyperinflation sowie zahlreichen Umsturzversuchen und politischen Morden zu kämpfen hatte. Trotz dieser unruhigen Zeit machten meine Eltern ihre Ausbildungen. Meine Mutter wurde eine Buchhalterin und mein Vater absolvierte ein Kunststudium. In den Jahren von 1924 bis 1929 erlebte die Weimarer Republik eine Zeit relativer Stabilität, wirtschaftlicher Erholung sowie außenpolitische Anerkennung. Diese Zeit verbrachte mein Vater in Süddeutschland und verdiente sein Geld mit Restaurierungsarbeiten in Kirchen und entwarf Lampen in Aschaffenburg für eine dort ansässige Lampenfabrik. Während der beginnenden Weltwirtschaftskrise wurde mein Vater Ende 1928 arbeitslos und kehrte nach Berlin zurück. Hier in der Stadt lernte er dann seine spätere Frau kennen. Gleich nach den ersten Liebeleien war sie schwanger und siebzehn Tage vor der Geburt des Kindes, ein Mädchen mit dem Namen Lisbeth, wurde im September 1929, unter der Regentschaft des Treptower Bezirksbürgermeister Julius Grunow von der SPD, der später von den Nationalsozialisten 1933 aus seinem Amt zwangsweise entfernt wurde, im Neorenaissance gehaltenen imposanten Rathaus Treptow vor dem preußischen Standesamt geheiratet.
Reichskanzler war zu der Zeit Hermann Müller von der SPD. Er war einer von zwölf Reichskanzlern, die in der Weimarer Republik regierten. Reichspräsident war seit 1925 der parteilose Paul von Hindenburg. Mit diesem Amt war er auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte, er ernannte und entließ den Reichskanzler und er konnte den Reichstag auflösen und dessen Gesetzgebung per Notverordnungen ergänzen, was dann später im Jahre 1933 zur Diktatur führte.
Am Hochzeitstag meiner Eltern dachte aber Niemand so weit in die Zukunft. Es wurde ausgelassen gefeiert und das Paar freute sich auf die baldige Geburt des ersten Kindes. Man schmiedete Zukunftspläne, denn von der Kunst konnte mein Vater seine Familie nicht ernähren. In den ersten Ehejahren wohnte die junge Familie noch gemeinsam in der Wohnung bei den Eltern meines Vaters. Durch eine Kneipenbekanntschaft kam er auf die Idee mit Mist Geld zu verdienen. Das steigende Verlangen der Berliner nach frischer Milch nutzte mein Vater zu einem neuen Geschäftsformat. In fast jedem Ortsteil der eng bebauten zentrumsnahen Bezirke befand sich mindestens ein Hinterhof mit einem Kuhstall, der die Bewohner der nächsten Umgebung mit Milch, Butter und Käse versorgte. Schon 1893 gab es in Berlin 5.017 Milchkühe. Diese Rinder standen auf Stroh und erzeugten viel Dung. Mein Vater gründete eine Handelsfirma. Er kaufte den Bauern den Kuhdung ab und verkaufte dann den Dünger weiter an landwirtschaftliche Betriebe wie Gärtnereien, Baumschulen und Gemüsebauern rund um Berlin bis hinauf nach Norddeutschland. Dieses Geschäft entwickelte sich sehr positiv. Daher wurde für den Vertrieb des Düngers auch ein umfangreicher Fuhrpark angeschafft. Diese Fahrzeuge verschafften weitere Ertragsmöglichkeiten durch den Einsatz von Transporten besonders im Baugewerbe. Diese Neuorientierung, aus der Not heraus vom Künstler zum Kaufmann, erwies sich im Laufe der kommenden Jahre als recht lukrative Einnahmequelle und ermöglichte meinem Vater für seine Familie, landwirtschaftliche Flächen in einem Dörfchen in südöstlicher Richtung am Rande von Berlin zu erwerben. Auf einem dieser Grundstücke wurde dann ein Häuschen mit einem Stallgebäude unweit an der Alten Spree gebaut. In dieser ländlichen Idylle konnte die Familie, zwischenzeitlich wurde 1931 die zweite Tochter Irma geboren, friedlich die Sommerzeiten verleben. Ein Paradies zur Erholung direkt an der Spree mit vielen Freizeitmöglichkeiten, wie Kanuwandern, unbeschwertes Baden, Fischen, Tierhaltung und einen riesigen Garten zur Nutzung von Gemüse- und Obstanbau. Diese Selbstversorgungsmöglichkeiten haben sich dann in den kommenden Kriegsjahren, um nicht zu verhungern noch als überlebensnotwendig herausgestellt. Als in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 mein Vater in seiner Stammkneipe in Treptow mit seinen Saufkumpanen bei zischenden Mollen und kühlem Köm wieder kein Ende finden konnten, verbreitete sich die Nachricht vom Reichstagsbrand in der Nacht wie ein Lauffeuer durch die Berliner Kneipenszene. Hatte man noch an diesem Abend am Stammtisch darüber debattiert, ob es richtig von Hindenburg war vor den anstehenden Reichstagswahlen am 05. März 1933, den Vorsitzenden der NSDAP Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler zu ernennen. Trotz starkem Alkoholgenuss war es den Männern in der Schultheiss Kneipe bewusst, dass in dieser Nacht die deutsche Demokratie verbrennt.
Hitler nutzte diesen Reichstagsbrand und überzeugte den greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat zu unterzeichnen. Die folgenden Reichstagswahlen am 05. März 1933 zum achten Deutschen Reichstag in der Weimarer Republik waren die letzten Reichswahlen, an der mehr als eine Partei teilnahm. Sie stand bereits unter dem Eindruck der beginnenden Diktatur des Nationalsozialismus. Der Wahlkampf war