Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма
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»Hört,« sprach einer von den Heizern, »nicht wahr, man hat Euch zu uns geschickt, um uns den Augenblick zu sagen?«
»Allerdings,« antwortete d’Artagnan, da er wissen wollte, woran er sich zu halten hätte. »Warum wäre ich sonst hier, wenn nicht zu diesem Zweck?«
»Dann stellt Euch an’s Fenster, wenn es Euch beliebt, und beobachtet.«
D’Artagnan lächelte in seinen Schnurrbart, machte Raoul ein Zeichen und stellte sich willfährig an’s Fenster.
XX.
Es lebe Colbert!
Die Grève bot in diesem Augenblick ein furchtbares Schauspiel.
Durch die Perspective gleich gemacht, erstreckten sich die Köpfe, dicht gedrängt und beweglich, wie die Aehren auf einer großen Ebene, nach der Ferne, Von Zeit zu Zeit machte ein unbekanntes Geräusch, ein entfernter Lärmen die Köpfe schwanken und Tausende von Augen flammen.
Zuweilen fanden große Fluthungen statt. Alle diese Aehren beugten sich, wurden Wellen, beweglicher als die des Oceans, rollten von den äußersten Enden gegen den Mittelpunkt und schlugen an die Reihe der Bogenschützen, welche den Galgen umgaben.
Dann senkten sich die Stiele der Hellebarden auf den Kopf oder auf die Schultern der verwegenen Stürmer; zuweilen war es auch das Eisen statt des Holzes, und in diesem Fall entstand ein weiter leerer Kreis um die Wachen, wobei die Extremitäten ebenfalls den Druck des plötzlichen Zurückfluthens, das sie gegen die Brüstungen der Seine warf, zu erleiden hatten.
Von seinem Fenster herab, wo man den ganzen Platz überschaute, sah d’Artagnan mit innerer Zufriedenheit, daß diejenigen Musketiere und Garden, welche in der Menge eingeschlossen waren, sich durch Schläge mit der Faust oder mit dem Schwertknopf Platz zu machen wußten. Er bemerkte sogar, daß es ihnen mit Hilfe des Corpsgeistes, der die Kräfte des Soldaten verdoppelt, gelungen war, sich in einer Gruppe von ungefähr fünfzig Mann zu vereinigen, und daß, abgesehen von einem Dutzend Verirrter, die er dahin und dorthin rollen sah, der Kern vollständig und im Bereiche der Stimme war. Doch nicht allein die Musketiere und die Garden zogen die Aufmerksamkeit von d’Artagnan auf sich. Um die Galgen her und besonders bei den Zugängen der Arcade Saint-Jean bewegte sich ein geräuschvoller, zänkischer, geschäftiger Wirbel; kecke Gesichter, entschlossene Mienen hoben sich an verschiedenen Stellen unter albernen Gesichtern und gleichgültigen Mienen hervor; Zeichen wurden ausgetauscht, Hände berührten sich. D’Artagnan bemerkte in den Gruppen, und sogar in den belebtesten Gruppen das Gesicht des Reiters, den er hatte durch die Verbindungsthüre seines Gartens eintreten sehen, und der zuerst hinaufgegangen war, um die Trinker zu haranguiren. Dieser Mann organisirte Abtheilungen und gab Befehle.
»Mordioux!« rief d’Artagnan, »ich täuschte mich nicht, ich kenne diesen Menschen, es ist Menneville. Was Teufels macht er hier?«
Ein dumpfes Gemurmel, das stufenweise immer deutlicher wurde, hemmte ihn in seiner Betrachtung und zog seine Blicke nach einer andern Seite. Dieses Gemurmel wurde durch die Ankunft der armen Sünder veranlaßt. Ein starkes Piquet Bogenschützen marschirte ihnen voran und erschien an der Ecke der Arcade. Die ganze Menge stieß alsbald Schreie aus und alle diese Schreie bildeten ein ungeheures Gebrülle.
D’Artagnan sah Raoul erbleichen und klopfte ihm auf die Schulter.
Bei diesem Gebrülle wandten sich die Heizer um und fragten, wie weit man wäre.
»Die Verurtheilten kommen,« sagte d’Artagnan.
»Gut,« erwiederten sie und belebten immer mehr die Flammen des Kamins.
D’Artagnan schaute ihnen unruhig zu. Diese Leute, welche ein solches Feuer ohne allen Nutzen machten, hatten offenbar besondere Absichten.
Die Verurtheilten erschienen auf dem Platz. Sie gingen zu Fuß, den Henker voran; fünfzig Bogenschützen marschirten zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken. Beide waren schwarz gekleidet, bleich, aber entschlossen.
Sie schauten ungeduldig über die Köpfe, indem sie sich bei jedem Schritt auf ihren Füßen erhoben.
D’Artagnan bemerkte diese Bewegung und sagte:
»Mordioux! sie haben große Eile, die Galgen zu sehen.«
Raoul wich zurück, ohne daß er die Stärke besaß, das Fenster ganz zu verlassen. Der Schrecken hat auch seine Anziehungskraft.
»Zum Tod! zum Tod!« riefen fünfzigtausend Stimmen.
»Ja, zum Tod!« brüllten hundert Wüthende, als hätte ihnen die große Masse das Stichwort gegeben.
»Zum Strang! zum Strang!« rief die Menge; »es lebe der König!«
»Nein! nein! keinen Galgen!« rief die Mehrzahl? »Es lebe Colbert!«
»Ah!« murmelte d’Artagnan, »das ist drollig, ich hätte nicht geglaubt, Herr von Colbert lasse sie hängen.«
In diesem Augenblick fand eine Fluthung statt, welche die Verurtheilten in ihrem Gang aufhielt.
Den Leuten mit kecker, entschlossener Miene, welche d’Artagnan bemerkte, war es durch Pressen, Stoßen und Drängen gelungen, sich beinahe bis zur Reihe der Bogenschützen vorwärts zu arbeiten.
Der Zug setzte sich wieder in Marsch.
Plötzlich warfen sich unter dem Geschrei: Es lebe Colbert! die Menschen, welche d’Artagnan nicht aus dem Gesichte verlor, auf das Geleite, das vergebens zu kämpfen suchte. Hinter diesen Menschen war die Menge.
Da begann unter dem wüthendsten Lärmen ein gräßliches Getümmel.
Nun war es etwas Anderes, als Schreie der Erwartung oder Freudenschreie, es waren Schmerzensschreie.
Die Hellebarden schlugen, die Schwerter durchbohrten, man feuerte mit Musketen.
Es entstand ein seltsamer Wirbel, unter dem d’Artagnan nichts mehr sah.
Dann erhob sich aus diesem Chaos plötzlich etwas wie eine offenbare Absicht, wie ein entschiedener Wille.
Die Verurtheilten wurden den Händen der Wachen entrissen, und man schleppte sie nach dem Hause zum Bilde Unserer Lieben Frau.
Diejenigen, welche sie fortschleppten, riefen: »Es lebe Colbert!«
Das Volk zauderte, denn es wußte nicht, ob es über die Bogenschützen oder über die Angreifer herfallen sollte.
Was das Volk aufhielt, war der Umstand, daß diejenigen, welche riefen: »Es lebe Colbert!« zu gleicher Zeit zu schreien anfingen: »Keinen Strang! nieder mit dem Galgen! in’s Feuer! in’s Feuer! verbrennen wir die Diebe! verbrennen wir die Aushungerer!«
Gemeinschaftlich ausgestoßen, wurde dieser Schrei mit der größten Begeisterung ausgenommen.
Der Pöbel war gekommen, um eine Hinrichtung anzusehen, und nun bot man ihm Gelegenheit, selbst eine vorzunehmen.
Nichts konnte dem Pöbel angenehmer sein. Er trat auch sogleich der Partei der Angreifer gegen die Bogenschützen bei und schrie mit der Minderzahl, welche durch ihn eine äußerst compacte Mehrzahl wurde:
»Ja,