Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Der Graf von Bragelonne - Александр Дюма страница 15
»Oh!« seufzte der junge Mann, indem er krampfhaft mit seiner Hand seine nervige Kehle zusammenpreßte, in der ein Schluchzen emporstieg. »Parry, das ist Alles, das ist wirklich Alles?«
»Ja, Mylord, es ist Alles.«
Nach dieser kurzen Antwort von Parry trat ein langer Zwischenraum des Stillschweigens ein, man hörte nur das Geräusch vom Absatz des jungen Mannes, der damit voll Wuth den Boden peinigte.
Der Greis wollte es versuchen, das Gespräch zu verändern, denn es führte zu allzu traurigen Gedanken.
»Mylord,« fragte er, »was bedeutet denn all das Geräusch, das mir voranging? wer sind die Leute, die: Es lebe der König! rufen? Von welchem König ist die Rede, und warum alle diese Lichter?«
»Ah l Parry,« erwiederte ironisch der junge Mann, »Du weißt nicht, daß der König seine gute Stadt Blois besucht; alle diese Trompeten gehören ihm, alle diese mit Gold überzogenen Schabracken gehören ihm, alle diese Edelleute haben Schwerter, welche ihm gehören. Seine Mutter fährt ihm in einem prachtvollen, mit Silber und Gold eingelegten Wagen voran. Glückliche Mutter! Sein Minister häuft ihm Millionen an und führt ihn zu einer reichen Braut. Deshalb ist all dieses Volk so freudig, es liebt seinen König, es schmeichelt ihm durch seinen tausendfachen Zuruf und schreit: Es lebe der König! es lebe der König!«
»Gut, gut, Mylord!« sagte Parry, noch unruhiger über die Wendung des neuen Gesprächs, als über das alte.
»Du weißt,« fuhr der Unbekannte fort, »daß meine Mutter, meine Schwester, während dies Alles zu Ehren König Ludwig XIV. vorgeht, kein Geld und kein Brod mehr haben; Du weißt, daß ich arm, dem Hohne preisgegeben in vierzehn Tagen sein werde, wenn ganz Europa erfährt, was Du mir erzählt hast! Parry . . . gibt es Beispiele, daß sich ein Mann in meinen Verhältnissen . . . «
»Mylord, im Namen des Himmels!«
»Du hast Recht, Parry, ich bin ein Feiger, und wenn ich nichts für mich thue, was wird Gott thun! Nein, nein, ich habe zwei Arme, Parry, ich habe ein Schwert . . . «
Und er schlug heftig mit seiner Hand auf seinen Arm und nahm sein Schwert von der Wand, an der es hing,
»Was wollt Ihr thun, Mylord?«
»Parry, was ich thun will? Was Jedermann in meiner Familie thut; meine Mutter lebt von der öffentlichen Wohlthätigkeit, meine Schwester bettelt für meine Mutter, ich habe irgendwo Brüder, welche ebenfalls für sie betteln. Ich, der Aelteste, will es machen wie sie Alle, ich will Almosen fordern!«
Und nach diesen Worten, die er durch ein nerviges, schreckliches Gelächter kurz abschnitt, gürtete der junge Mann sein Schwert um, nahm seinen Hut vom Schrank, ließ sich einen schwarzen Mantel, den er während der ganzen Reise getragen hatte, auf der Schulter befestigen, drückte dem Greis, der ihn voll Angst anschaute, beide Hände und sprach:
»Mein guter Parry, laß Dir Feuer machen, iß, trinke, schlafe, sei glücklich: laß uns selig sein, mein treuer Freund, mein einziger Freund: wir sind reich wie Könige!«
Er gab dem Sack mit den Pistolen einen Faustschlag, daß er schwer auf die Erde fiel, brach wieder in jenes finstere Gelächter aus, das Parry so sehr erschreckt hatte, und während das ganze Haus schrie, sang und sich zum Empfang und zur Einquartierung der Reisenden, denen ihre Lackeien vorangegangen, bereit hielt, schlüpfte er durch den großen Saal auf die Straße, wo ihn der Greis, der sich an das Fenster gestellt hatte, nach einer Minute aus dem Gesicht verlor.
VIII.
Was Keine Majestät König Ludwig XIV. im Alter von zweiundzwanzig Jahren war
Durch die Erzählung, die wir zu geben versuchten, hat man gesehen, daß der Einzug von König Ludwig XIV. in die Stadt Blois geräuschvoll und glänzend war. Seine junge Majestät schien damit auch sehr zufrieden.
Als er unter die Halle des Schlosses der Stände kam, fand hier der König, umgeben von seinen Wachen und Edelleuten, S. K. H. den Herzog Gaston von Orleans, dessen von Natur majestätische Physiognomie von den feierlichen Umständen einen neuen Schimmer und eine neue Würde angenommen hatte.
Mit ihren großen Ceremoniengewändern geschmückt, erwartete Madame auf einem inneren Balcon den Einzug ihres Neffen. Alle Fenster des alten, an gewöhnlichen Tagen so öden und trübseligen Schlosses glänzten von Damen und Kerzen,
Unter dem Lärmen der Trommeln, der Trompeten und der Vivats überschritt der junge König die Schwelle des Schlosses, in welchem Heinrich III. zweiundsiebzig Jahre früher den Mord und den Verrath zu Hilfe gerufen hatte, um auf seinem Haupte und in seinem Hause eine Krone zu bewahren, welche schon von seiner Stirne glitt, um auf eine andere Familie zu fallen.
Aller Augen, nachdem sie den jungen, so schönen, so reizenden, so edlen König bewundert hatten, suchten den so alten, so bleichen, so gebückten andern König von Frankreich, der ganz anders König war, als der erste, und Cardinal von Mazarin genannt wurde.
Ludwig war damals ausgestattet mit allen natürlichen Gaben, welche den wahren Edelmann bilden: er hatte ein glänzendes und zugleich sanftes Auge von reinem Azurblau, Doch die geschicktesten Physiognomiker, diese Taucher der Seele, hätten, ihre Blicke darauf heftend, wenn es einem Unterthan gegönnt gewesen wäre, den Blick des Königs auszuhalten, die geschicktesten Physiognomiker, sagen wir, hätten nie den Boden dieses Abgrunds von Sanftmuth finden können. Es war mit den Augen des Königs, wie mit der unermeßlichen Tiefe des blauen Himmelsgewölbes, oder mit dem noch furchtbareren und beinahe ebenso erhabenen Azur, den das Mittelländische Meer unter dem Kiel seiner Schisse an einem schönen Sommertag öffnet, ein riesiger Spiegel, auf dem der Himmel bald seine Gestirne, bald seine Stürme wiederstrahlen zu lassen liebt.
Der König war von kleinem Wuchs; er maß kaum fünf Fuß zwei Zoll; doch seine Jugend entschuldigte diesen Fehler, der überdies durch einen großen Adel aller seiner Bewegungen und durch eine gewisse Gewandtheit in den Leibesübungen ausgeglichen wurde.
Es war in der That schon der König, und es war viel, König zu sein in jener Zeit traditioneller Ehrfurcht und Ergebenheit; doch da man ihn bis dahin dem Volk ziemlich wenig und stets ziemlich armselig gezeigt hatte, da diejenigen, welchen man ihn zeigte, bei ihm seine Mutter, eine Frau von hoher Gestalt, und den Herrn Cardinal, einen Mann von schöner Stattlichkeit, sahen, so fanden ihn Viele wenig genug König, um zu sagen: Der König ist minder groß als der Herr Cardinal.
Wie es auch mit diesen auf den Körper bezüglichen Bemerkungen sein mag, die man besonders in der Hauptstadt machte, der junge Prinz wurde wie ein Gott von den Einwohnern von Blois und beinahe wie ein König von seinem Oheim und seiner Tante, Monsieur und Madame, den Bewohnern des Schlosses, empfangen.
Es ist jedoch nicht zu leugnen, als er im Empfangssaal Fauteuils von gleicher Größe für sich, seine Mutter, den Cardinal, seine Tante und seinen Oheim sah, eine geschickt durch die Halbkreisform der Versammlung verborgene Anordnung, da erröthete Ludwig XlV. vor Zorn und schaute umher, um sich durch die Physignomie der Anwesenden zu versichern, ob man ihm diese Demüthigung absichtlich bereitet habe. Da er jedoch nichts auf dem unempfindlichen Gesicht des Cardinals, nichts auf dem seiner Mutter, nichts auf dem der übrigen Anwesenden sah, so fügte er sich und nahm Platz, dabei indessen besorgt, sich vor aller Welt zu setzen.
Die Edelleute und die Damen wurden Ihren Majestäten und dem