Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма

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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма

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dieser Robespierre ist? In ganz Frankreich weiß es vielleicht Niemand als ich. Ich liebe es, damit bekannt zu sein, woher die Auserwählten des Verhängnisses kommen; das hilft mir errathen, wohin sie gehen. Die Robespierre sind Irländer. Ihre Vorfahren gehörten vielleicht zu jenen irischen Colonien, welche im 16. Jahrhundert herüberkamen und die Seminarien und Klöster unserer nördlichen Küsten bevölkerten; dort werden sie von den Jesuiten die starke Widersprecher-Erziehung erhalten haben, die diese ihren Zöglingen gaben; sie waren Notare vom Vater auf den Sohn. Ein Zweig der Familie, der, von welchem dieser abstammt, ließ sich in Arras, einem, wie Sie wissen, großen Centrum des Adels und der Geistlichkeit, nieder. Es waren in der Stadt zwei Herren oder vielmehr zwei Könige: der Eine, der Abt von Saint-Wast; der Andere, der Bischof von Arras, dessen Palast die Hälfte der Stadt in den Schatten stellt. In dieser Stadt ist derjenige, welchen Sie dort sehen, im Jahre 1758 geboren. Was er als Kind gethan hat, was er als junger Mann gethan hat, was er in dickem Augenblicke thut, will ich Ihnen mit zwei Worten sagen; was er thun wird, habe ich Ihnen schon mit einem gesagt. Es waren vier Kinder im Hause. Der Chef der Familie verlor seine Frau; er war Advocat beim Rathe von Artois; nach dem Tode seiner Frau versank er in eine tiefe Traurigkeit; er hörte auf zu plaidiren, unternahm eine Zerstreuungsreise und kam nicht mehr zurück. Mit elf Jahren war der älteste Sohn, – dieser hier, – ebenfalls Familienhaupt, Vormund von einem Bruder und von zwei Schwestern; in diesem Allen begriff, seltsamer Weise, das Kind seine Aufgabe und machte sich sogleich zum Manne. In vier und zwanzig Stunden wurde er das, was er geblieben ist: ein Gesicht, was zuweilen lächelt, ein Herz, das nie lacht. Er war der beste Zögling vom Collegium. Man erhielt für ihn vom Abte von Saint-Wast eines von den Stipendien, über welche der Prälat beim Collége Louis-le-Grand verfügte. Er kam allein nach Paris, empfohlen an einen Domherrn von Notre-Dame; im Verlaufe des Jahres starb der Domherr. Beinahe zu gleicher Zeit starb in Arras seine jüngere Schwester, die er am meisten liebte. Der Schatten der Jesuiten, die man aus Frankreich vertrieben hatte, fiel noch auf die Mauern von Louis-le-Grand. Sie kennen das Gebäude, wo zu dieser Stunde Ihr Sebastian heranwächst; düster und tief wie die der Bastille, entfärben seine Höfe die frischesten Gesichter: das des jungen Robespierre war bleich, sie machten es leichenfarbig. Die anderen Kinder gingen zuweilen aus; für sie hatte das Jahr Sonntage und Feste; für den verwaisten, jeder Protection entbehrenden Stipendiaten waren alle Tage dieselben. Während die Anderen die Luft der Familie athmeten, athmete er die Lust der Einsamkeit, der Traurigkeit und der Langweile: drei schlimme Hauche, welche in den Herzen den Haß und den Neid entzünden und der Seele ihre Blüthe rauben. Dieser Hauch verschmächtigte den Knaben und machte einen faden jungen Mann aus ihm. Eines Tags wird man nicht glauben, daß es ein Portrait von Robespierre im Alter von vier und zwanzig Jahren gibt, wo er eine Rose in einer Hand hält und die andere an seine Brust drückt mit der Devise: »Alles für meine Freundin!«

      Gilbert lächelte traurig, indem er Robespierre anschaute.

      »Es ist wahr,« fuhr Cagliostro fort, »als er diese Devise nahm und sich so malen ließ, schwor diese Freundin, nichts auf der Welt werde ihr Schicksal trennen; er schwor auch, und zwar als ein Mann, der gesonnen ist, seinen Schwur zu halten. Er machte eine Reise von drei Monaten und fand sie verheirathet wieder. Der Abt von Saint-Wast war übrigens sein Gönner geblieben; er hatte seinem Bruder das Stipendium vom Collége Louis-le-Grand zukommen lassen und ihm die Stelle eines Richters beim Criminaltribunal gegeben. Es kam ein Prozeß zur gerichtlichen Entscheidung, ein Mörder war zu bestrafen; Robespierre, voller Gewissensbisse, daß er, selboritte, es gewagt, über das Leben eines Menschen zu verfügen, obgleich dieser Mensch als schuldig erkannt war, Robespierre nahm seine Entlassung. Er wurde Advocat, denn er mußte leben und seine junge Schwester ernähren; der Bruder wurde schlecht genährt im Collége Louis-le-Grand, aber er war doch am Ende genährt. Kaum hatte er sich in die Liste einschreiben lassen, als ihn Bauern baten, für sie gegen den Bischof von Arras zu plaidiren. Die Bauern waren in ihrem Rechte; Robespierre überzeugte sich hiervon durch die Prüfung der Acten, plaidirte, gewann den Prozeß der Bauern und wurde, noch ganz warm von seinem Siege, in die Nationalversammlung geschickt. In der Nationalversammlung fand sich Robespierre zwischen einen mächtigen Haß und eine tiefe Verachtung gestellt: Haß der Geistlichkeit gegen den Advocaten, der es gewagt hatte, gegen den Bischof von Arras zu plaidiren; Verachtung der Adeligen des Artois gegen den durch die Wohlthätigkeit erzogenen Robin.11«

      »Aber was hat er denn bis heute gethan?« unterbrach Gilbert.

      »Oh mein Gott! beinahe nichts für die Andern, aber ziemlich viel für mich. Entspräche es nicht meinen Plänen und Absichten, daß dieser Mensch arm ist, so gäbe ich ihm morgen eine Million.«

      »Ich frage Sie noch einmal: was hat er gethan?«

      »Erinnern Sie sich des Tages, wo die Geistlichkeit heuchlerischer Weise in der Versammlung den durch das königliche Veto unschlüssigen dritten Stand bat, seine Arbeiten zu beginnen?«

      »Ja.«

      »Nun wohl, durchlesen Sie noch einmal die Rede, welche an diesem Tage der kleine Advocat von Arras hielt, und Sie werden sehen, ob nicht eine ganze Zukunft in dieser herben Heftigkeit liegt, die ihn beinahe beredt machte.«

      »Doch seitdem?«

      »Seitdem?  . . .Oh! das ist wahr. Wir sind genöthigt, vom Monat Mai auf den Monat October überzuspringen. Als am 5. Maillard, der Abgeordnete der Pariser Weiber, im Namen seiner Clientinnen die Nationalversammlung haranguirte, nun, da blieben alle Mitglieder dieser Versammlung stumm und unbeweglich; dieser kleine Advocat aber zeigte sich nicht allein herb, er zeigte sich vermessener, als Einer. Alle angebliche Vertheidiger des Volks schwiegen, er erhob sich zweimal; das erste Mal unter dem Lärmen, das zweite Mal unter dem Stillschweigen. Er unterstützte Maillard, der im Namen der Hungersnoth sprach und Brod verlangte.«

      »Ja, in der That,« sagte Gilbert nachdenkend, »das wird ernster; doch vielleicht wird er sich ändern.«

      »Oh! mein lieber Doctor, Sie kennen nicht den Unbestechlichen, wie man ihn eines Tages nennen wird: wer würde übrigens den kleinen Advocaten, über den Jedermann lacht, erkaufen wollen? Dieser Mensch, welcher später, – hören Sie wohl, was ich Ihnen sage, Gilbert, – welcher später der Schrecken der Versammlung sein wird, ist heute die Zielscheibe des Spottes. Die adeligen Jacobiner sind übereingekommen, Herr von Robespierre sei der lächerlichste Mensch der Nationalversammlung, derjenige, welcher alle Welt belustige und belustigen müsse, derjenige, über welchen Jeder spotten könne und spotten müsse. Die großen Versammlungen langweilen sich manchmal, es muß wohl ein Gimpel da sein, der sie erheitert. In den Augen der Lameth, der Cazalès, der Maury, der Barnave, der Duport ist Herr von Robespierre ein Gimpel. Seine Freunde verrathen ihn, indem sie ganz leise lächeln, seine Feinde zischen ihn auf und lachen ganz laut; wenn er spricht, spricht alle Welt; wenn er die Stimme erhebt, schreit Jeder; hat er, – immer zu Gunsten des Rechts, immer um irgend ein Princip zu vertheidigen, – eine Rede gehalten, die Niemand angehört, so verlangt irgend ein unbekanntes Mitglied, auf das der Redner einen Moment seinen Blick heftet, ironisch den Druck der Rede. Ein Einziger von seinen Collegen begreift ihn; ein Einziger errathen Sie, welcher? Mirabeau. »»Dieser Mensch wird weit gehen,«« sagte er mir vorgestern, »»denn dieser Mensch glaubt, was er spricht.«« Was, wie Sie sich denken können, Mirabeau seltsam scheint.«

      »Ich habe die Rede dieses Mannes gelesen und sie mittelmäßig, flach gefunden,« entgegnete Gilbert.

      »Ei! mein Gott, ich sage Ihnen nicht, es sei ein Demosthenes oder ein Cicero, ein Mirabeau oder ein Barnave; ei! nein, es ist ganz einfach Herr von Robespierre, wie man ihn geflissentlich nennt. Uebrigens behandelt man seine Reden eben so rücksichtslos in der Druckerei, wie auf der Tribune: auf der Tribune unterbricht man sie; in der Druckerei verstümmelt man sie. Die Journalisten nennen ihn nicht einmal Herr von Robespierre; nein, die Journalisten wissen seinen Namen nicht. Sie nennen ihn Herr B  . . ., Herr N  . . .oder Herr *** Oh! Gott allein und ich vielleicht wissen, was sich an Galle in dieser magern Brust, an Stürmen in diesem

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<p>11</p>

 Ein Spottname für Magistratspersonen, Advokaten, Rechtsgelehrte und dergl.