Grace Unplugged. Melody Carlson

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Grace Unplugged - Melody  Carlson

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Rockstar vor einem Riesenpublikum. Ihr Vater bremste sie.

      »Nein, nein, schön langsam«, sagte er sanft.

      »Schneller klingt es aber besser«, beharrte sie.

      »Langsam klingt es besser«, sagte er liebevoll. »Es ist ein langsamer Song.«

      Auch damals war Grace schon nicht seiner Meinung gewesen. Aber aus Dankbarkeit für die tolle Gitarre und weil sie wusste, dass die Kamera lief, hatte sie sich zu einem Lächeln gezwungen und weitergespielt – schön langsam.

      Grace seufzte, als sie die Gitarre zurück in den abgenutzten Koffer legte. Vielleicht war heute doch nicht der richtige Tag, um einen Song zu schreiben. Das richtige Timing durfte man nicht unterschätzen – wenn ihr keine Inspiration kam, konnte sie es wohl auch kaum erzwingen.

      Trotzdem dachte sie auf dem Weg zum Auto, dass das alles mit ihrem Vater zu tun hatte. Er versuchte immer, sie zurückzuhalten, trat immer auf die Bremse, wenn sie gerade den Turbo einschalten wollte. Es schien, als wolle er sie und ihre Musik zu etwas formen, das in seinen Augen gut war. Als würde sie es auf jeden Fall komplett vermasseln, wenn man ihr die Chance gab, es allein zu versuchen.

      Als sie die Hauptstraße entlangfuhr, wurde es ihr immer klarer. Ob es um Musik ging oder um Bildung oder darum welchen Ring sie an welchem Finger trug – ihr Vater musste immer seine Meinung dazu sagen. Sie parkte vor dem Buchladen, und ihr war plötzlich sonnenklar: Ihr Vater wollte sie unter Kontrolle haben.

      Grace betrat den vertrauten christlichen Buchladen. Wie immer lief dort ruhige Musik. Sie streifte durch die Gänge, sah sich ein paar neue CDs an und bewunderte die stylishen Poster der angesagtesten christlichen Musiker. Sie wusste, dass ihr Vater darauf hoffte, dort bald sein Poster zu sehen. Und vielleicht würde es auch so weit kommen. Es war möglich, dass Johnny Treys neues christliches Album ein großer Hit werden würde. Es geschahen schließlich immer noch Wunder, oder nicht? Und obwohl Grace kein großer Fan der Musik ihres Vaters war, musste es doch da draußen ein paar Leute geben, die ihr sauer verdientes Geld für seine Songs ausgeben würden. Zumindest die braven Mitglieder der Homewood Community Church würden sicher ein Johnny-Trey-Album kaufen.

      Grace bummelte langsam weiter und entdeckte schließlich ihre Freundin Rachel am hinteren Ende des Ladens in der Abteilung für Ferienbibelschulmaterial.

      »Was ist denn hier los?«, fragte Grace.

      »Es hat in letzter Zeit einen ziemlichen Ansturm auf diese Sachen gegeben«, erklärte Rachel und nahm ein paar Bücher aus einem Wagen.

      »Na ja, es ist Sommer«, grummelte Grace. »Weißt du noch, wie sie uns früher jeden Sommer in die Ferienbibelschule gesteckt haben?«

      »Was ist denn los mit dir?« Rachel warf Grace einen verwunderten Blick zu und stellte ein Arbeitsheft ins Regal.

      »Mir wird plötzlich einiges klar.« Während Rachel weiter die Regale füllte, erzählte Grace ihr von ihrer morgendlichen Erkenntnis. »Mein Vater will mich unter Kontrolle haben.«

      »Dein Vater liebt dich einfach.« Rachel war in den Klappentext eines dicken Wälzers vertieft. »Das weißt du.«

      Also erklärte Grace genauer, was sie meinte. Sie ließ sich aus über Musik und College und erzählte auch von dem blöden Ring, auch wenn es ihr peinlich war. »Und, ich meine, ich bin achtzehn – hallo?«

      Rachel lachte. »Das ist echt ein bisschen witzig. Aber ich verstehe immer noch nicht, worüber du dich eigentlich beschwerst.«

      Grace starrte ihre Freundin an. War das ihr Ernst? Oder war sie irgendwie taub geworden?

      »Grace, dein Vater ist total cool.« Rachel langte nach einem kleinen Stapel Taschenbücher.

      »Siehst du, jeder denkt, weil er ein bekehrter Rockstar ist, macht ihn das irgendwie cool. Glaub mir, er ist NICHT COOL.«

      Rachel legte sich einen Finger auf die Lippen. »Nicht so laut.«

      Grace schnaubte. Warum war Rachel so schwer von Begriff?

      »Ich verstehe es nicht«, sagte Rachel sanft. »Ihr wart euch doch so nah. Ihr habt schon Musik zusammen gemacht, da warst du vielleicht sechs oder so.«

      »Genau. Und er behandelt mich immer noch so, als sei ich sechs!« Grace senkte ihre Stimme. »Ständig überwacht er mich. Und jeden Moment kann es passieren, dass er wieder in einen seiner brillanten Lehrmomente verfällt.«

      »Das machen alle Väter.« Rachel griff nach mehr Büchern.

      »Nicht so wie meiner. Er ist besessen.«

      »Grace, du hast es so gut wie sonst kaum jemand.«

      »Nein. Überhaupt nicht.« Grace betrachtete ihre beste Freundin bei der Arbeit. Wie konnte es sein, dass Rachel sich auf die Seite ihres Vaters schlug? Rachel richtete sich auf und sah Grace direkt in die Augen.

      »Jetzt sieh dich doch mal an«, sagte sie leise. »Du bist unglaublich hübsch. Du bist eine grandiose Sängerin. Demnächst nimmst du ein Album auf …«

      »Sein Album! Verstehst du das denn nicht? Es sind alles seine Songs – die auf seine Art gespielt werden müssen.«

      »Na ja, es ist schließlich auch sein Album, oder nicht?«

      Grace nickte. »Das verstehe ich ja auch. Ich weiß, es ist sein erstes Album seit Ewigkeiten. Und trotzdem. Ich meine, im Ernst – er käme nie auf die Idee, einen meiner Songs zu nehmen.«

      »Du hast keine Songs.«

      »Das meine ich ja!« Grace dachte daran, wie sehr sie heute Morgen versucht hatte, einen Song zu schreiben. Ihr war, als hätte ihr Vater auch da neben ihr gestanden, um sie zu verbessern und jedes Wort, jede Zeile, jeden Akkord zu kritisieren.

      Rachel sah verwirrt drein. »Ähm …?«

      »Ich versuche ja, Songs zu schreiben«, sagte Grace verzweifelt. »Vor allem anderen versuche ich, den perfekten Song zu schreiben, damit er nicht Nein sagen kann. Ich hab den Song im Kopf, aber ich kriege ihn nicht raus, weil …« Sie seufzte. »Er nimmt mir die Luft zum Atmen.«

      »Ist er wirklich so schlimm?«

      »Ja. Und es tut mir leid, aber ich möchte nicht mein Leben lang die Nebenrolle für das One-Hit-Wonder Johnny Trey spielen. Ich meine, ich möchte einmal etwas so machen, wie ich es möchte.«

      »Okay, verstehe.« Rachel griff nach ein paar Arbeitsheften und sortierte sie alphabetisch. »Aber es ist Anbetungsmusik, oder nicht? Da geht es nicht um dich, Grace.«

      Grace starrte Rachel an. Okay, irgendwie hatte sie recht. Aber warum konnte sie nicht verstehen, was Grace ihr sagen wollte? Warum benahm sie sich genau wie ihr Vater? »Ja, das verstehe ich wohl«, murmelte Grace. »Ich weiß, dass es Anbetungsmusik ist. Ich meine bloß …« Sie überlegte, wie sie sich verständlich machen könnte. Aber wie beim Songschreiben steckten auch jetzt die Worte in ihrem Kopf fest. »Schon gut, Rachel. Vergiss es einfach.« Und ohne ein weiteres Wort ging Grace. Sie konnte es nicht abwarten, aus dem stickigen Laden herauszukommen. Warum hatte sie überhaupt versucht, es Rachel zu erklären? Ja, klar – weil Rachel eigentlich ihre beste Freundin sein sollte. Aber wenn nicht mal ihre beste Freundin

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