Wilderer und Jäger Staffel 1. Anne Altenried
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Читать онлайн книгу Wilderer und Jäger Staffel 1 - Anne Altenried страница 10
Severin sprang auf. »Gundi?«, rief er ein wenig überrascht, denn die Mollige war noch nie auf dem Hof gewesen. Er lachte sie an. »Das ist wirklich eine nette Idee, mich hier aufzusuchen. Setz dich, bitt schön.«
»Weil du den Weg zu mir so selten findest, bleibt mir gar nix anderes übrig, als selber einmal nach dir zu schauen, Severin.«
Der volle Mund verzog sich zu einem schwachen Lächeln, doch die Braunaugen blickten ihr Gegenüber ernst an. Sie nahm an seiner Seite Platz.
Der hochgewachsene Blonde räusperte sich. Er senkte den Kopf, um die stumme Traurigkeit nicht sehen zu müssen, die in diesen Braunaugen stand. Er nahm ihre Hand und wunderte sich, dass sie ihm überlassen wurde.
»Viel hab ich in der letzten Zeit über uns nachgedacht, Gundi«, sagte er mit belegter Stimme. »Grad deswegen, weil du ein so herziges Weiberl bist, bei dem man sich keine Leichtfertigkeit erlauben darf. Wer dich erringt, der kann sich glücklich preisen.«
Heftig entzog sie ihm ihre Hand. »Du musst dir net so schöne Wörtl aussuchen, um mir zu sagen, dass meine Lieb zu dir keine Zukunft hat«, kam es scharf von den hübschen Lippen. »Drei Wörtl genügen: Es ist aus.«
Verzweifelt hob er die Arme. »So durcheinander war ich in meinem ganzen Leben noch net«, brach es aus ihm heraus. »Es zieht mich zu dir hin. Wo du bist, da bin auch ich gern. Alles an dir gefällt mir. Wie du aussiehst, wie du dich bewegst, wie du redest. Aber ich hab einen Traum, Gundi. Den Traum von der großen, himmelstürmenden Lieb. Vielleicht gibt es sie gar net. Vielleicht wart ich bis an mein letztes Stünderl vergebens auf sie.«
»Die große, himmelstürmende Lieb«, wiederholte Gundi leise. »Ich glaub, es gibt net gar zu viel Leutl, die sie erleben dürfen. Die andern müssen sich halt mit weniger zufriedengeben und sind trotzdem glücklich.«
Das Violett am Himmelsbogen wich einem dämmrigen Grau, das sich immer mehr verdunkelte. Bleich und käsig hing die Mondsichel hoch oben. Eine braungefleckte Katze strich um Gundis Beine. Als Gundi sie streicheln wollte, huschte sie davon.
»Du hast wohl recht, Madl«, sagte er nachdenklich. »Es kann ja auch sein, dass aus einer net gar so übermächtigen Lieb durch längere Gemeinsamkeit eine große Lieb wird.« Sanft zog er die Posthalterin an sich und küsste sie auf den vollen Mund. »Du hast mir die Augen geöffnet, Schatz«, flüsterte er. »Um ein Haar hätt ich verspielt, was mir vielleicht später noch einmal sehr kostbar sein wird.«
Ein seliger Seufzer löste sich von ihren Lippen. »Niemand kann voraussagen, dass es mit uns gut gehen wird. Aber die Hoffnung ist jetzt wieder da. Und sie macht mir das Herz leicht.«
Ein zweiter Kuss folgte. Erschrocken machte sich Gundi von ihm frei und schaute verlegen nach allen Seiten. Der blonde Bauernsohn lachte. »Hast Angst, wir könnten beobachtet werden, Schatz? Wenn schon. Dass junge Leut, die sich mögen, auch ab und zu Busserl tauschen, ist schließlich nix Besonderes. Das darf jeder sehen.«
Trotzdem drängte die Mollige zum Aufbruch. Das junge Paar spazierte im Mondlicht auf verschwiegenen Pfaden außerhalb der Ortschaft dahin und versicherte sich mit vielen, kleinen Zärtlichkeiten die gegenseitige Zuneigung. Gundi strahlte mit den Sternen um die Wette und sah immer wieder verliebt zu dem hochgewachsenen Burschen auf, der sie um mehr als Haupteslänge überragte. Die hellblauen Augen in dem bartlosen Jungmännergesicht hatten es ihr angetan. Und sie bewunderte die markanten Züge in diesem Gesicht, die doch nie hart wirkten.
Früher als die Posthalterin es wünschte, langten sie bei ihrer Wohnung an. Ein bittender Blick traf ihn. »Für ein Schlückerl Wein wirst dir doch noch Zeit nehmen, Liebster?«
»Heut nimmer, Schatz«, bedauerte er. »Weißt, ich muss morgen bei Tagesanbruch hinaus und Gras schneiden. Heut hat es uns schon ein Fuder Heu verregnet. Kann sein, dass es faulig geworden ist. Morgen ist kein nasser Segen zu erwarten, schreibt die Zeitung. Der Tag muss ausgenützt werden. Aber am Abend komm ich. Kannst dich darauf verlassen.«
Sie nickte, konnte aber eine leichte Enttäuschung nicht verbergen. Nach einem letzten Busserl trennten sie sich. Severin war wirklich müde und sehnte sich nach Schlaf. Mit weit ausgreifenden Schritten strebte er müde dem elterlichen Hof zu. Gähnend schloss er die Haustür hinter sich und wollte die Stiege zum Obergeschoss hinaufeilen, da kam ihm die Mutter entgegen.
»In der Wohnstube sitzt einer, der dich heut noch sprechen möcht, Bub«, berichtete sie.
»So spät?«, fragte der Sohn verdutzt. »Wer ist’s denn?«
»Der Jäger Ebenhecht. Was hast du mit dem Försterischen zu schaffen?«
Die Stirn des Jungbauern rötete sich leicht. Er spürte, dass sein Herz heftig gegen die Rippen pochte. »Ich bin kein Hellseher, Mutter«, sagte er heiser. »Seiner Tochter hab ich neulich aus einem Schlamassel geholfen. Vielleicht hängt’s damit zusammen. Geh du nur zu Bett. Ich erzähl dir morgen, was sein Begehr ist.« Mit gemischten Gefühlen schritt er auf die Tür der Wohnstube zu. Als er den Raum betrat, erhob sich der hagere Waidmann von der Ofenbank. Seine Größe erreichte die des Bauernsohnes. Eine Strähne des grau melierten Haares hing ihm in die tief gebräunte Stirn. Nicht unfreundlich war der Blick aus den grauen Augen, der den Eintretenden traf.
»Wirst dich wohl wundern, Mangold, dass ich dir um diese Zeit noch meine Aufwartung mach«, vermutete er. »Aber ich meine halt, die Angelegenheit soll so schnell wie möglich beredet werden. Also sei net bös.«
»Setz dich, Jäger. Magst einen Enzian? Hast mich ja damals in deinem Haus auch gut bewirtet.« Severin steckte die Hände in die Hosentaschen, zog sie wieder heraus und verschränkte sie auf dem Rücken. Die Unruhe in ihm wollte nicht weichen.
Ebenhecht zögerte. »Vielleicht redet sich’s bei einem Schnapserl leichter«, sagte er.
Die beiden Männer saßen sich am Tisch gegenüber und prosteten sich zu. Ebenhecht wischte sich über den Mund. »Ich will dich net länger darüber im Ungewissen lassen, was mich zu so später Stund noch hergeführt hat, Mangold. Mir ist heut droben auf dem Horn ein blutjunges Bürscherl über den Weg gelaufen, mit einem Büchsel in der Hand. Ich hab ihn beim Kragen gepackt und kräftig hergeschüttelt, bis ihm das Herz in die Hose gefallen ist. Wie ich ihn dann gefragt hab, wer ihm das Stück Wild hätt abkaufen sollen, das er hat schießen wollen, da hat er mir den Namen vom Fuhrmann Hopf genannt.«
Severin ergriff die Flasche und füllte die leeren Gläser zum zweiten Mal. Dabei beobachtete er seine Hand. Sie zitterte trotz der inneren Unruhe nicht, wie er erleichtert feststellte.
Ebenhecht drehte sein Gläschen zwischen den Fingern hin und her. »Nun ist mir net unbekannt, dass der Hopf-Emmeran net ganz hasenrein ist. Und dass er mit gewildertem Wild handelt, weiß ich längst. Aber man hat halt meistens bloß einen Verdacht und nix Handfestes. Drum war meine Freud groß, dass endlich ein Wilddieb das Maul aufgemacht hat.« Der Jagdgehilfe räusperte sich anhaltend. »Geredet hat er wie ein Wasserfall, der Rotzbub.« Die grauen Augen richteten sich scharf auf den gegenübersitzenden Bauernsohn. »Auch noch andere Namen sind gefallen.«
Dem Blonden wurde heiß und kalt. Jetzt kam es, ahnte er. Rasch hob er das Glas an den Mund und kippte den Inhalt in die Kehle. Er verschluckte sich und musste husten. Aus der Joppentasche angelte er eine Zigarette und steckte sie in Brand. Diesmal zitterte seine Hand.
Der Jäger beugte sich vor. »Den genannten Kerlen hab ich schon vorher zugetraut, dass sie ab und zu einen verbotenen Schuss riskieren. Auch dem Neudecker-Ludl. Dem am allermeisten.« Er beugte sich noch weiter