Wilderer und Jäger Staffel 1. Anne Altenried

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Wilderer und Jäger Staffel 1 - Anne Altenried Wilderer und Jäger Staffel

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nicht zur Ruhe kommen.

      Er glaubte zu wissen, wer den wundervollen Hirsch geschossen hatte. Aber jeder Beweis dafür fehlte. Diesen Beweis musste er herbeischaffen, bevor sich Martha entschloss, mit diesem Menschen vor den Altar zu treten. Er drehte sich von einer Seite auf die andere und fand erst kurz vor Tagesanbruch Schlaf. Auch der Mann, mit dem sich seine Gedanken so lebhaft beschäftigten, wälzte sich unruhig in seinem Bett herum. Zwischen Hoffen und Bangen wurde er hin und her gerissen. Immer wieder versuchte er sich in die Erinnerung zurückzu­rufen, wie hell der Mond auf die einsame Lichtung herabgestrahlt hatte.

      »Er kann mich net erkannt haben, der Ebenhecht«, versuchte er sich selbst die Sorgen zu vertreiben. »Aber schad ist’s um den großartigen Sechzehnender.« Geräuschvoll blies er die Luft zwischen den Zähnen hindurch. »Da hat man einen solchen Volltreffer, und dann steht man mit leeren Händen da.« Der Glaube an sein Glück war schwer erschüttert.

      *

      Dunkle, tief hängende Wolken verdeckten das Blau des Himmels, das den ganzen Vormittag über auf das Schönauertal herabgestrahlt hatte. Um die Tagesmitte waren diese dräuenden Wolken aufgezogen. Ein scharfer Wind blies von Westen her. Dort zuckten auch schon Blitze nieder, und heftiger Regen fiel. Das Donnergrollen klang schwach an die Ohren der Talbewohner, wurde aber von Minute zu Minute lauter.

      Mit gerunzelter Stirn spähte Severin zu den westlichen Höhenzügen hinüber. Er stand auf der Angerwiese, nahe am Dorfrand. Das Heu war zu drei großen Haufen zusammengerecht. Bei den Haufen wartete der leere Heuwagen, vor den zwei Braune gespannt waren.

      »Jetzt müssen wir uns sputen, Leutl«, rief Severin dem Knecht und der Magd zu, »sonst kriegen wir das Heu nimmer trocken in die Scheune. Der Wind treibt das Gewitter flink zu uns her.«

      Die Bediensteten Anna und Vinzenz nickten zustimmend. »Wenn wir tüchtig zupacken, ist das letzte Heu bald auf dem Wagen.« Er spuckte in die Hände. »Auf geht’s!«

      Die drei jungen Menschen schwangen die Heugabeln, und große Büschel flogen auf den Wagen. Die feuchte Schwüle setzte ihnen zu, doch sie ließen nicht locker. Auch die Magd hielt mit den Männern wacker mit. Sie war eine stämmige Person. Es fehlte ihr nicht an der nötigen Kraft. Die Heuhaufen wurden kleiner und kleiner und türmten sich fast haushoch auf dem Wagen. Anna kletterte hinauf und schob das Heu so zurecht, dass es Halt fand und nicht wieder vom Wagen rutschte.

      »Geschafft!«, ließ sich Severin vernehmen. »Bleib du gleich oben hocken, Anna«, rief er zu der Magd hinauf. Erleichtert nahm er neben dem Knecht auf dem Bock des Wagens Platz. Vinzenz ließ die Zügel klatschend auf die Pferderücken fallen und setzte das Gespann mit einem heiseren »Hüh!«, in Bewegung.

      Die grellen Blitze rückten näher, und der Donner folgte in immer kürzeren Abständen. Vinzenz trieb die Braunen zu größerer Eile an, aber der vollbeladene Wagen rollte schwerfällig über den holprigen Feldweg.

      »Musst sie net hetzen, die Rössl«, dämpfte Severin den Eifer des Knechts. »Wir kommen noch zeitig heim.«

      Keine hundert Meter vor ihnen fuhr ein Feuerstrahl vom Himmel. Sein Ziel war die einsame Pappel an der nächsten Wegkreuzung. Der Stamm wurde aufgerissen, Äste brachen. Fast unmittelbar folgte ein ohrenbetäubendes Krachen.

      Eines der Pferde wieherte angsterfüllt auf und versuchte zur Seite auszubrechen. Vinzenz zerrte kraftvoll am Zügel, doch das zweite Pferd folgte dem Beispiel des Artgenossen. Das Gespann kam vom Weg ab. Am Wiesenrain senkte sich der Boden zu einer nicht sehr tiefen Mulde. Als die Räder des Wagens in die Mulde rollten und das Gefährt heftig hin und her schwankte, erscholl ein Schrei.

      »Schau, dass du die Rössl zum Stehen bringst, Vinzenz!«, stieß Severin hervor und sprang mit einem mächtigen Satz vom Bock.

      Er sah Anna im Gras liegen. Haarscharf an ihr vorbei drehte sich das linke Hinterrad des beladenen Wagens.

      Aus Severins Gesicht wich für einen Moment alle Farbe. Dann stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Wenige Meter weiter kam der Wagen zum Stehen.

      »Das war knapp«, würgte der blonde Bauernsohn hervor. »Die Anna muss einen feinen Schutzengel haben.«

      Er rannte zu der Dirn hin und beugte sich zu ihr hinab. Die Lider in dem breiten, derben Mädchengesicht begannen zu zucken. Anna schlug die Augen auf, sah den Jungbauern ein paar Sekunden lang verständnislos an. Dann lachte sie und hob den Kopf.

      »Bist hart gefallen, Madl?«, fragte der Blonde besorgt. »Wirst dir doch am End nix gebrochen haben?«

      Noch immer lachend, bewegte Anna die Arme und Beine und schüttelte den Kopf, auf dem die hochgesteckten Zöpfe wirr herumhingen.

      »Alle Knöcherl sind noch ganz, Severin«, versicherte sie und stand mit seiner Hilfe auf. »Eine kurze Weil hat halt das Hirnkastl ausgesetzt. Daran ist wohl der Schreck schuld und net der Fall. Auf dem weichen Wiesengrund kann man sich kaum wehtun.«

      »Dem Himmel dank ich, dass es so ist«, murmelte Severin. Wie dicht ein großes Verhängnis an ihr vorbeigerollt war, verschwieg er wohlweislich. Grinsend klopfte Vinzenz, der hinzugetreten war, der Magd den gut gepolsterten Rücken. »Die Anna hat genug Speck am Leib«, behauptete er augenzwinkernd, »der lindert jeden Sturz.«

      »Aus dir spricht der Neid, weil deine Liesl zaundürr ist«, gab sie ihm halb belustigt, halb ärgerlich zur Antwort.

      Da fielen die ersten Tropfen. Die drei jungen Leute eilten zum Wagen und sprangen auf den Bock. Völlig durchnässt langten sie am Mangoldhof an. Es hatte keinen Sinn, das aufgeweichte Heu in die Scheune zu bringen, darum ließ Severin den vollbeladenen Wagen im Freien stehen, spannte zusammen mit dem Knecht die Braunen aus und führte sie in den Stall. Dort wurden die Tiere trockengerieben und gefüttert.

      Der Vater musterte ihn im Haus mit vorwursfsvollen Augen. »Du machst ein so zufriedenes Gesicht, Bub, als wär dir vollkommen gleichgültig, ob ein Fuder Heu verdirbt oder net.«

      »Vater«, sagte Severin und legte dem Hofherrn eine Hand auf die Schulter, »es gibt Wichtigeres auf der Welt als ein Fuder Heu. Unsere Anna war heut dem Tod näher als dem Leben Dass sie kreuzfidel mit uns hat heimfahren können, das ist bedeutungsvoll. Net der Wagen mit dem Heu da draußen.« Er erzählte, und als er endete, war der Vorwurf aus den Augen des Vaters verschwunden.

      »Ich muss dir recht geben, Bub«, sagte der alte Mangold. »Freuen wir uns, dass die Anna so glimpflich davongekommen ist.«

      Beim Abendessen in der Wohnstube bekam die Magd das schönste und größte Stück Fleisch zum Petersiliengemüse vorgesetzt. Dazu einen Schoppen Rotwein. Die Magd nahm die Bevorzugung gerne hin und hieb mit Heißhunger in die Speisen. Auch ihr Weinglas war bald geleert. Als die Bäuerin für sie allein noch als Nachtisch Rohrnudeln und Kaffee auftrug, da konnte sie ihre Wissbegier nicht mehr länger zügeln.

      »Bäuerin, warum die Extraspeis für mich? Bloß weil ich vom Heuwagen gerutscht bin?« Kichernd fuhr sie fort: »Wenn das so ist, dann lass ich mich bald wieder vom Wagen herunterfallen.«

      »Untersteh dich«, tadelte sie die Mangoldmutter.

      Der Regen hatte aufgehört, und die Wolken waren weitergewandert. Severin griff nach der Zeitung und setzte sich hinter dem Haus auf die Bank des Gemüsegartens. Von dort aus konnte er das letzte Leuchten des untertauchenden Sonnenballs beobachten. Ein feuriges Abendrot überzog den Himmel im Westen. Der Jungbauer konnte den Blick nicht davon lösen und ließ die Zeitung achtlos zu Boden fallen. Er hörte Stimmen im Haus, die sich der Hintertür

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