Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis Willibald
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Was ist der Grund davon gewesen? Ich habe die Ursache in den Mienen des Priesters gelesen, als unseres Vaters Name während des Abendessens erwähnt wurde. Nahm Herr Chaubard an diesem Gespräch auch nur den geringsten Anteil? Er war der einzige, der nicht ein Wort darüber sprach. War er es nicht, der jedesmal der Unterhaltung eine andere Wendung gab, wenn darauf die Rede kam? Viermal war das der Fall, und viermal lenkte er zitternd und stammelnd, indem er immer weißer und weißer wurde, das Gespräch auf einen anderen Gegenstand. Das ist so wahr, als sich der Himmel über uns wölbt! Seid ihr Männer? Habt ihr noch einen Funken Verstand in eurem Gehirn? Seht ihr denn nicht, was das zu bedeuten hat? Bei meinem Seelenheil schwöre ich euch, der Priester kennt die Hand, die unseren Vater erschlagen hat!«
Die Gesichter der beiden älteren Brüder verfinsterten sich, die Richtigkeit der Schlußfolgerungen Johannes leuchtete ihnen ein, und sie fragten hastig:
»Woher sollte der Pfarrer das wissen?«
»Das soll er uns selbst sagen«, versetzte Johann.
»Und wenn er zögert – wenn er sich weigert, zu sprechen?«
»So müssen wir ihn mit Gewalt dazu zwingen.«
Nach dieser Antwort rückten sie die Stühle näher zusammen und beratschlagten eine Zeitlang.
Als die Beratung zu Ende war, erhoben sich die Brüder und gingen in das Zimmer, in dem der Leichnam ihres Vaters lag. Alle drei küßten einer nach dem andern den Toten auf die Stirn, dann reichten sie sich die Hände, sahen sich mit Blicken des Einverständnisses an und trennten sich. Ludwig und Thomas setzten ihre Hüte auf und begaben sich unverzüglich in die Wohnung des Priesters, Johann eilte in die Werkstätte im Hinterhause, in der die Ölsiederei betrieben wurde.
Nur einer der Arbeiter war anwesend. Er hatte einen ungeheuren Kessel mit kochendem Leinöl zu überwachen.
»Ihr könnt heimgehen«, sagte Johann, indem er den Mann freundlich auf die Schulter klopfte. »Nach dem Unglück, das uns zugestoßen ist, kann ich doch nicht schlafen – ich will daher Euern Platz beim Kessel hier einnehmen. Geht ruhig nach Hause, mein Lieber – geht nach Hause.«
Der Mann dankte und entfernte sich. Johann folgte ihm, um sich zu überzeugen, daß er wirklich weggegangen sei. Dann kehrte er zurück und setzte sich neben dem Kessel nieder.
Unterdessen entledigten sich Ludwig und Thomas ihres Auftrages bei Herrn Chaubard. Der Priester nahm die beiden Brüder freundlich auf und fragte, was sie von ihm wollten. Sie teilten ihm mit, der Schrecken über des Vaters furchtbaren Tod habe ihrer Tante und ihrer ältesten Schwester so sehr mitgespielt, daß für ihren Verstand zu fürchten sei, wenn sie nicht noch heute nacht geistlichen Trost und Beistand erhielten. Der unglückliche Priester – stets pflichigetreu und aufopfernd, wo es sich um sein Amt handelte – stand sogleich auf und erklärte sich bereit, die jungen Männer zu begleiten. Er zog seinen Chorrock an und nahm das Kruzifix mit. Herr Chaubard wurde also, ohne eine Ahnung von dem, was ihm bevorstand, zu haben, in das Trauerhaus gelockt und in die Werkstätte geführt; dort saß Johann wartend am Ölkessel.
Kaum war der Pfarrer eingetreten, so wurde die Tür hinter ihm zugeschlossen, und Thomas Siadoux sagte zu ihm:
»Nicht wir drei brauchen Sie, ebensowenig meine Tante oder meine Schwester. Wenn Sie der Wahrheit gemäß unsere Fragen beantworten, so haben Sie nichts zu befürchten. Weigern Sie sich aber –« er brach ab und blickte Johann und den kochenden Kessel an.
Der Priester, der ohnehin nichts weniger als ein entschlossener Mann war, war seit der Beichte in Toulouse überdies ganz außer Fassung, und so ließ er, ohne Widerstand zu leisten, die Brüder machen, was sie wollten.
Sie führten ihn an den Kessel, in dem das siedende Öl zischte. Ludwig nahm ihm das Kreuz ab und hielt es ihm vor das Gesicht, Thomas nötigte ihn, die rechte Hand daraufzulegen, Johann stellte sich ihm gerade gegenüber und richtete folgende Fragen an ihn:
»Unser Vater wurde uns ermordet ins Haus gebracht. Wissen Sie, wer ihn getötet hat?«
Der Priester zögerte, Thomas und Ludwig Siadoux drängten ihn näher an den Kessel hinan.
»Antworten Sie uns, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist«, fuhr Johann fort. »Sagen Sie uns, mit Ihrer Hand auf dem heiligen Kruzifix, ob Sie den Menschen kennen, der unseren Vater getötet hat?«
»Ich kenne ihn.«
»Wann haben Sie ihn kennengelernt?«
»Gestern.«
»Wo?«
»In Toulouse.«
»Nennen Sie uns den Mörder.«
Bei diesen Worten faßte der Priester das Kruzifix an und raffte seinen ganzen Mut zusammen.
»Niemals!« antwortete er. »Das, was ich weiß, erfuhr ich im Beichtstuhl. Die Geheimnisse des Beichtstuhles sind heilig. Wenn ich sie verrate, so begehe ich ein Sakrilegium. Lieber will ich sterben.«
»Überlegen Sie, was Sie sprechen«, entgegnete Johann. »Wenn Sie in Ihrem Schweigen verharren, so verheimlichen Sie den Mörder und werden sein Mitschuldiger. Wir haben bei dem Leichnam unseres Vaters geschworen, seinen Tod zu rächen. Wenn Sie uns das Geheimnis nicht entdecken, so werden wir den Mord an Ihnen rächen. Ich fordere Sie nochmals auf, den Namen des Menschen zu nennen, der unseren Vater getötet hat.«
»Lieber will ich sterben«, wiederholte der Priester, fest wie zuvor.
»Dann müssen Sie sterben!« rief Johann. »Werft ihn in den Kessel!«
»Laß ihm Zeit«, baten Ludwig und Thomas.
»Schön, wir wollen ihm Zeit lassen«, sagte der jüngere Bruder.
»Dort an der Wand hängt eine Uhr; wir wollen fünf Minuten warten: in diesen fünf Minuten mag er seinen Frieden mit Gott schließen oder sich besinnen, ob er reden will.«
Die Verschworenen saßen da, die Augen unverwandt auf die Uhr gerichtet. Der Priester kniete nieder und betete. Kein Laut unterbrach die unheimliche Stille, nur die Uhr tickte, und man hörte den Herzschlag des geängstigten Pfarrers.
»Sprechen Sie! Um Ihretwillen, um unseretwillen, sprechen Sie!« flehte Thomas Siadoux, als der Zeiger den entscheidenden Punkt erreicht hatte.
Der Priester blickte auf, er wollte sprechen, aber das Wort erstarb ihm auf den Lippen, kalter Todesschweiß bedeckte seine Stirn, der Kopf sank ihm auf die Brust herab.
»Hebt