Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis Willibald

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Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald

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beiden anderen Brüder traten einen Schritt vor; unschlüssig zögerten sie noch einen Augenblick.

      »Hebt ihn auf, bei eurem Eid auf unseres Vaters Leichnam.«

      Jetzt faßten Thomas und Ludwig das Opfer am anderen Arm. Der Unglückliche wurde emporgehoben, er schwebte über dem Kessel, die Glut schlug ihm entgegen. Die Todesangst entrang dem Pfarrer einen Schrei des Entsetzens. Die Brüder hielten ihn schwebend über dem Rande, alle drei mahnten:

      »Nennen Sie den Menschen! Wir beschwören Sie zum letztenmal.«

      Die Zähne des Priesters schlugen aufeinander, er konnte nicht sprechen, aber er machte ein Zeichen der Bejahung. Die Brüder setzten ihn auf einen Stuhl und warteten geduldig, bis er die Sprache wiedergefunden hatte.

      Das erste war, daß er Thomas Siadoux bat, ihm das Kruzifix zurückzugeben, Thomas gab es ihm, Chaubard küßte das Bild des Heilands und sagte mit matter Stimme:

      »Ich bitte Gott um Verzeihung für die Sünde, die ich jetzt begehen werde.«

      Dann hielt er inne und blickte zu dem jüngeren Bruder auf, der ihm noch immer gegenüberstand.

      »Ich bin bereit«, fuhr er fort. »Fragt mich, und ich will antworten.«

      Johann wiederholte seine Fragen:

      »Sie kennen den Mörder unseres Vaters?«

      »Ich kenne ihn.«

      »Seit wann?«

      »Seit er mir gestern in der Kathedrale von Toulouse gebeichtet hat.«

      »Nennen Sie ihn.«

      »Sein Name ist Contegrel.«

      »Der, der unsere Tante heiraten will?«

      »Derselbe.«

      »Was führte ihn in den Beichtstuhl?«

      »Seine Gewissensbisse.«

      »Welche Gründe trieben ihn zu diesem Verbrechen?«

      »Es waren nachteilige Gerüchte über ihn im Umlauf. Er hörte, daß euer Vater sich nach Narbonne begeben hatte, um jenen Gerüchten auf den Grund zu gehen.«

      »Erfuhr unser Vater in Narbonne, daß das Gerücht auf Wahrheit beruhte?«

      »Ja!«

      »Würde das, was er erfahren hat, unsere Tante von Contegrel für immer getrennt haben, wenn unser Vater am Leben geblieben wäre und es ihr mitgeteilt hätte?«

      »Gewiß. Wäre euer Vater am Leben geblieben, so hätte er eurer Tante gesagt, daß Contegrel bereits verheiratet ist, daß er seine Frau in Narbonne verlassen hat, daß diese Frau in Narbonne unter fremdem Namen mit einem anderen Manne lebt, und daß sie das alles in eures Vaters Gegenwart selbst bekannt hat.«

      »Wo wurde der Mord begangen?«

      »Zwischen Villefranche und unserem Dorfe. Contegrel war euerm Vater nach Narbonne gefolgt und auf dem Rückweg nach Villefranche fortwährend hinter ihm geblieben. Bis zu diesem Orte hatte sich Saturnin Siadoux selbst in der Gesellschaft von mehreren Leuten befunden, die dieselbe Straße gingen. Jenseits von Villefranche ritt er allein am Ufer des Flusses hin. Hier zog Contegrel das Messer, er wollte ihn töten, ehe er nach Hause käme und eurer Tante die Nachrichten bringen könnte, die er erhalten hatte.«

      »Wie wurde der Mord vollbracht?«

      »Er wurde vollbracht, während euer Vater sein Pferd am Ufer des Flusses trinken ließ. Contegrel schlich sich an ihn hinan, als er sich beim Halten über den Sattel herabbeugte, und erstach ihn.«

      »Ist das bei Ihrem Eide die Wahrheit?«

      »Bei meinem Eide, es ist die Wahrheit.«

      »Dann können Sie gehen.«

      Der Priester stand von dem Stuhle auf. Von dem Augenblick an, in dem die Todesangst ihm den Entschluß, den Namen des Mörders zu nennen, ausgepreßt hatte, war eine große Veränderung mit ihm vorgegangen. Er antwortete mit der unerschütterlichen Ruhe eines Mannes, für den alle menschlichen Dinge ihren Wert verloren haben.

      Als er sich anschickte, in seine Wohnung zurückzukehren, hatten seine Bewegungen die mechanische Regelmäßigkeit eines Schlafwandlers, der nichts von dem wahrnimmt, was um ihn her vor sich geht, er war so tief in sich selbst versunken, daß er einem Geistesabwesenden glich. An der Tür blieb er stehen: es war, als wenn er aus seiner Betäubung erwachte. Er sah die drei Brüder mit einem tiefbekümmerten Blick, den keiner von ihnen jemals vergessen konnte, mehrere Minuten lang an und sagte zu ihnen in einem langsamen, feierlichen Tone:

      »Ich vergebe euch. Betet für mich, wenn meine Zeit kommt.«

      Mit diesen Worten verließ er wankenden Schrittes das Haus.

      Inzwischen war die Nacht weit vorgerückt. Trotzdem beschlossen die drei Brüder, sogleich nach Toulouse zu eilen und dort noch vor Tagesanbruch bei der Gerichtsbehörde ihre Anzeige zu machen.

      Sie hatten keine Ahnung von den entsetzlichen Folgen, die ihre nächtliche Unterredung mit dem Priester nach sich ziehen mußte, denn keiner von ihnen wußte, welche furchtbare Strafe das Gesetz über einen Mann im heiligen Amt verhängte, der die Geheimnisse des Beichtstuhles verriet.

      In der Gegend von Toulouse war seit Menschengedenken ein solcher Fall nicht vorgekommen, überhaupt geschah es zu jener Zeit äußerst selten, daß sich ein Priester der römischen Kirche ein solches Vergehen zuschulden kommen ließ.

      Den drei Jünglingen schlug zwar das Gewissen; es machte ihnen Vorwürfe darüber, daß sie den Pfarrer gezwungen hatten, den Mörder zu nennen, aber sie beruhigten sich leicht damit, daß es ihre Kindespflicht gewesen sei, jedes Mittel zu ergreifen, um den Mord ihres Vaters zu rächen, und sie waren überzeugt, daß die härteste Strafe, die den Herrn Chaubard treffen könnte, der Verlust seiner Pfarrei sei, in diesem Falle aber – darauf gaben sie sich die Hand – wollten sie ihn entschädigen und gemeinschaftlich dafür sorgen, daß er sein genügendes Auskommen habe.

      In Toulouse erst gingen ihnen die Augen auf. Als sie dem Beamten, der tags zuvor in ihrem Hause gewesen war, mitteilten, wer der Mörder sei und wie sie seine Spur entdeckt hätten, malte sich das größte Entsetzen in den Mienen des Richters. Er sagte zu ihnen mit bebender Stimme:

      »Vielleicht wäre es besser, ihr wäret nie geboren worden, als daß ihr den Tod eures Vaters auf solche Weise sühnt, wie ihr es jetzt tut. Eure Handlung stürzt den Schuldigen und den Unschuldigen in dasselbe Verderben.«

      Diese Worte erfüllten sich gleich einer prophetischen Wahrheit. Contegrel wurde verhaftet. Da jeder andere Beweis gegen ihn fehlte, mußte ihm die Aussage des Pfarrers vorgehalten und so der Bruch des Beichtgeheimnisses verraten werden. Das Parlament von Languedoc, das unter diesen Verhältnissen zuständige Tribunal, erließ sofort den Befehl, den Priester und die drei Brüder gefänglich einzuziehen und ihnen den Prozeß zu machen. Zunächst wurde nun Contegrel des Mordes überführt, zum Rade verurteilt und nach wenigen Wochen schon in Toulouse öffentlich hingerichtet. Die Brüder Siadoux gestanden ohne Zögern, daß sie den Pfarrer Chaubard durch die lebensgefährliche Drohung, ihn in den Kessel mit siedendem öl zu werfen, genötigt hätten,

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