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So barbarisch die Strafen in jener Zeit waren, und so sehr sich das Volk daran gewöhnt hatte, den grausamsten Torturen beizuwohnen, dieser Fall rief doch eine allgemeine Entrüstung hervor. Niemand fand in dem, was die Brüder getan hatten, ein todeswürdiges Verbrechen, noch weniger konnte man begreifen, warum Chaubard dem Feuertode verfallen sein sollte. Er war ja in der furchtbarsten Lage gewesen und hatte das Siegel der Beichte nur verletzt, weil er sonst in das kochende Öl geworfen worden wäre. Die Behörden empfingen zu ihrem Erstaunen nicht nur aus Toulouse, sondern auch aus der ganzen umliegenden Nachbarschaft eine Menge Begnadigungsgesuche. Aber das Los des Priesters war entschieden. Alles, was er durch die Fürsprache von Personen höchsten Ranges erreichte, war, daß der Nachrichter ihm den Todesstoß versetzen durfte, ehe sein Körper den Flammen übergeben wurde. Mit dieser einzigen Milderung wurde der Spruch in seiner ganzen Strenge an dem Pfarrer von Croix Daurada vollzogen.
Jetzt sollten auch die Brüder Siadoux sterben. Aber das durch den Tod des allgemein beliebten Priesters aufs tiefste erbitterte Volk empörte sich mit einer Entschlossenheit, auf welche die Behörden doch Rücksicht nehmen mußten. Die Sache der jungen Männer wurde von der heißblütigen Bevölkerung zur Sache aller Väter und Söhne gemacht, man erhob ihre kindliche Pietät bis in den Himmel, man machte ihre Jugend für sie geltend, ihre Unkenntnis der furchtbaren Verantwortung, die sie durch den gegen den Geistlichen verübten Zwang auf sich geladen hatten, wurde laut zu ihren Gunsten angeführt. Die Behörden erhielten Winke, daß das Erscheinen der Gefangenen auf dem Schafott das Signal zu einem organisierten Aufruhr und zu gewaltsamer Befreiung der Brüder sein würde. Unter diesen Umständen beschloß man, die Hinrichtung hinauszuschieben, die Gefangenen einstweilen in sicherem Gewahrsam zu halten und das Todesurteil erst dann zu vollstrecken, wenn die Stimmung sich beruhigt hätte.
Dieser Aufschub rettete den Brüdern nicht nur das Leben, sondern gab sie auch der Freiheit zurück. Die allgemeine Teilnahme war sogar durch die Tore des Gefängnisses gedrungen. Sämtliche drei Brüder waren hübsche, wohlgebildete junge Männer. Der sanfteste unter ihnen, Thomas Siadoux, flößte der Tochter des Gefängniswärters zuerst lebhafte Anteilnahme, dann heiße Liebe ein. Der Vater wurde durch die Bitten und die Tränen seiner Tochter erweicht, er ließ sich bestimmen, ein Auge zuzudrücken und ein einziges Mal nicht so wachsam zu sein wie gewöhnlich – das übrige besorgte das schlaue Mädchen. Eines Morgens vernahmen die Bewohner von Toulouse zu ihrer nicht geringen Freude, daß die drei Brüder in Gesellschaft der Tochter des Gefängniswärters entflohen waren.
Um der gesetzlichen Form zu genügen, ordnete die Behörde zwar eine Verfolgung an, aber im Grunde war man recht froh über diese Lösung der Verwicklung, und man gab sich nicht gerade besondere Mühe, der Flüchtlinge wieder habhaft zu werden, und so gelang es ihnen ohne große Schwierigkeit, über die Grenze zu kommen.
Drei Wochen später traf aus der Hauptstadt der Befehl ein, es solle an den Brüdern Siadoux die Sentenz in effigie vollzogen werden. Kaum war das geschehen, so erteilte man ihnen die Erlaubnis, nach Frankreich zurückzukehren, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, daß sie weder ihren Geburtsort noch überhaupt die Provinz Languedoc jemals wieder betreten dürften. Mit dieser Einschränkung konnten sie sich niederlassen, wo es ihnen beliebte. Sie hatten nun Zeit, die verhängnisvolle Tat, durch die sie sich auf Kosten des Priesters an dem Mörder ihres Vaters gerächt hatten, zu bereuen.
Der Schwarzmüller
In einem engen, von steilen Bergwänden eingeschlossenen Tale des bayrischen Oberlandes lag eine einsame Mühle. Sie gehörte zu einem Dorfe, dessen Häuser nach Art der Gebirgsdörfer weit zerstreut an dem Gebirgswasser, dem Sittenbach, lagen. Aber die Schwarzmühle lag noch weiter abseits oberhalb des letzten Gehöftes. Ihre Bewohner hatten wenig Verkehr mit den Bauern des Dorfes, die wie sie Protestanten, aber noch in tiefem Aberglauben befangen waren. In diesem Tale spukten noch Hexen, Gespenster gingen um, die Geister der Erschlagenen fanden keine Ruhe, und man glaubte an eine unmittelbare Verbindung der Menschen mit dem Teufel und an magische Mittel, durch die man Lebendige töten könne. Wenn der Eigentümer der Mühle nun in dem Verdacht stand, daß er nachts auf die Kreuzwege ginge, um sich mit den Unholden zu verständigen, so wird der Umstand, daß sich die übrigen Dorfbewohner von den Müllersleuten abseits hielten, noch erklärlicher.
Der Schwarzmüller war ein starker, rüstiger Mann, um das Jahr 1817 gegen sechzig Jahre alt. Sein Gewerbe verschaffte ihm sein gutes Brot, und er besaß ein nicht unbeträchtliches Vermögen an Liegenschaften und Kapitalien. Aber sein Sinn war störrisch, aufbrausend, jähzornig, Man zitterte vor ihm und fürchtete seinen Zorn, Er war ein Despot in seinem Hause, ein unumschränkter Herr auf seinem Besitztum und stolz gegen andere, denn er war reich, der reichste Mann in seiner Umgebung, und der geringe Umgang mit anderen, die Einsamkeit, die starren Berge um ihn her nährten die Keime der Leidenschaften, bis sie nicht mehr zu beugen waren. Wer die Alpen bereist hat, wird unter den wohlhabenden Wirtsherren der Dorfschenken, die auf ihrem Eigenen sitzen, hochgeachtet und gefürchtet in der Umgegend, ähnlichen Naturen begegnet sein. Schon ihre derbe, hohe, wohlgenährte Gestalt hat etwas Imponierendes, in jeder Bewegung drückt sich das Vollgefühl ihrer Kraft aus, sie herrschen mit ihren Blicken, sie winken nur, und alles fliegt, sie sind Gastwirte wie nur aus Gefälligkeit und weisen dem Gast die Türe, der etwa mit der herkömmlichen Weise der Bewirtung nicht zufrieden wäre. Sie treten wie Könige auf und können die Tyrannen ihrer Gegend werden, aber auch ihre Propheten. Der Sandwirt Andreas Hofer war ein solcher auf dem Eigenen sitzender, von allen in seiner Gegend hochverehrter Gastwirt, aber nur einer der Abkömmlinge der altgermanischen freien Hofbesitzer, wie sie in Norddeutschland nur noch in einem Teile von Westfalen vorkommen, in Österreich, Bayern, Tirol und Schwaben dagegen noch in großer Anzahl gefunden werden.
Mit seiner Ehefrau Barbara hatte er in einer dreißigjährigen Ehe zwölf Kinder gezeugt, von denen fünf noch am Leben waren. Der älteste Sohn Leonhard besaß bereits als Müllermeister an einem anderen Orte ein eigenes Anwesen. Der zweite, Konrad, damals achtundzwanzig Jahre alt, lebte noch im väterlichen Hause und versah die Feldwirtschaft. Der vierundzwanzigjährige Friedrich stand dem Mühlengeschäft vor. Die beiden Töchter Margarete, dreiundzwanzig Jahre alt, und Kunigunde, achtzehn Jahre alt, dienten als Mägde im väterlichen Hause.
Unfern der Mühle, aber noch auf deren Grund und Boden, stand eine Häuslerhütte, in der seit 1817 ein verheirateter Tagelöhner namens Wagner für einen niedrigen Mietzins wohnte. Er hatte seinerseits dafür die Verpflichtung übernommen, auf Bestellung vorzugsweise bei dem Schwarzmüller um geringen Tagelohn (sechs Kreuzer und Kost) zu arbeiten.
Außer der Müllerfamilie lebte noch ein dreizehnjähriger Pferdejunge auf der Mühle. Er hatte seine Schlafstelle in einem entfernten Pferdestall, so daß er von dem, was des Nachts in der Mühle vorging, nichts hören konnte.
Gegen Mitte August 1817 war der Schwarzmüller plötzlich verschwunden; seit dem 9. August hatte ihn niemand gesehen. Aber erst am 11. Oktober machte seine Frau beim Landgericht davon Anzeige. Sie gab an, ihr Mann habe sich vor neun Wochen mit allem Baren heimlich entfernt und seitdem nichts von sich hören lassen. Sie trug auf eine öffentliche Vorladung des Entwichenen an und bat um Beschlagnahme seiner ausstehenden Forderungen. Die Vorladung hatte keinen Erfolg, und das Vermögen des Abwesenden wurde in gerichtliche Verwaltung genommen.
Erst ein Jahr nach seinem Verschwinden verbreitete sich das Gerücht, der Schwarzmüller sei auf seiner Mühle erschlagen worden. Es war durch eine Äußerung jenes Tagelöhners Wagner entstanden, der einmal bei der Arbeit zu einem anderen Tagelöhner während einer Unterhaltung über die Müllersleute gesagt hatte: »Preuß, wenn du wüßtest, was ich weiß, du würdest dich wundern. Wenn ich von den Müllersleuten reden müßte, so