Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Nun mach es aber halblang, Mutti«, meinte Anschi darauf. »Andere Frauen haben ein halbes Dutzend Kinder und kommen auch zurecht. Außerdem ist Sabine schon so selbständig.«
So langsam gab es Norma Kerst auf, ihre Argumente anzuführen, und Schritt für Schritt kam sie Sabine immer näher.
Währenddessen räumte Herbert Kerst alle Hindernisse nieder, die bürokratischer Geist ihm in den Weg stellte, und bald hatte er in Erfahrung gebracht, dass es in Göttingen vor zehn Jahren tatsächlich zwei Stefan Behrends gegeben hatte, die dazu auch noch im gleichen Jahr geboren waren.
Über seinen Schwiegersohn brauchte er keine näheren Auskünfte einzuholen. Von ihm wusste er ja alle Daten. Der andere Stefan Behrend war nach Köln verzogen, technischer Kaufmann von Beruf und zu jener Zeit unverheiratet gewesen.
Also fuhr Herbert Kerst nach Köln. Und dort hatte er es fast noch schwerer in seinen Ermittlungen vorwärtszukommen. Aber schließlich hielt er doch eine Adresse in den Händen, die ihn zu jenem anderen Stefan Behrend führen sollte.
In einem Vorort vor einem recht pompös anmutenden Haus angekommen, überlegte er, ob er nicht lieber den Mantel des Schweigens über alles breiten sollte.
Für ihn und seine Familie waren die Probleme schon halb gelöst. Aber vielleicht wurden hier in eine andere Familie Konflikte hineingetragen, die nicht so leicht verkraftet wurden.
Und allem Anschein nach war es eine vermögende Familie, die Wert auf Repräsentation, auch nach außen hin, legte.
Aber dennoch, wenn er seinen geheimen Wunsch, Sabine zu adoptieren, verwirklichen wollte, würde alles aufgerollt werden. Er konnte seinem Schwiegersohn wahrhaftig nicht zumuten, sich als Sabines Vater zu bekennen. Und wenn die Mühlen der Bürokratie auch langsam mahlten, so gingen sie den Dingen doch ganz auf den Grund.
Er gab sich selbst einen Rippenstoß, stieg aus dem Wagen und legte seine Hand auf den pompösen Klingelknopf, der von einem Löwenkopf gekrönt wurde.
Ein Hausmädchen erschien, wie in alten Zeiten mit weißem Häubchen und weißer Schürze.
»Sie wünschen bitte?«, fragte es.
»Ich möchte Herrn Behrend sprechen, in einer sehr dringenden Angelegenheit«, erwiderte Herbert Kerst und reichte dem Mädchen seine Visitenkarte.
Das Gesicht des Mädchens wurde gleich freundlicher, und er durfte ihm in das Haus folgen.
Es war innen genauso pompös wie außen, und der Mann, der dann, nachdem Herbert Kerst ein paar Minuten Verschnaufpause gehabt hatte, erschien, wirkte hier völlig fehl am Platz. Er war klein, mager, verknittert, und das schüttere weiße Haar war sorgfältig über den Schädel verteilt.
Herbert Kerst war aus der Fassung gebracht. Das hatte er nicht erwartet!
»Herr Stefan Behrend?«, fragte er verblüfft, weil er im Augenblick völlig vergessen hatte, dass jener den gleichen Geburtsjahrgang haben sollte wie sein Schwiegersohn.
Das Gesicht des anderen wurde fahl.
»Otto Behrend«, sagte er leise. »Stefan Behrend war mein Sohn. Er ist seit neun Jahren tot.«
Guter Gott, dachte Herbert Kerst, da habe ich mich schön in die Nesseln gesetzt.
»Es tut mir leid, dann erübrigt sich mein Besuch«, murmelte er.
»Würden Sie mir dennoch bitte sagen, was Sie zu mir führte?«, fragte Otto Behrend. Er sah auf die Karte. »Herr Kerst? Ich würde es sehr gern erfahren, denn wenn Sie ein Freund meines Sohnes wären, hätten Sie wohl von seinem tragischen Tod gewusst.« Seine Stimme zitterte. Er tat Herbert Kerst leid.
»Er war Ihr einziger Sohn?«, fragte er beklommen.
Der andere nickte. »Ich bin jetzt allein. Meine Frau starb auch vor einem halben Jahr«, erwiderte er leise.
Ein unerhört kostbares Haus, ein kleiner, unscheinbarer Mann, sehr einsam, sehr bescheiden in diesem Rahmen wirkend, Herbert Kersts menschliches Interesse war geweckt.
»Es ist eine sehr diffizile Angelegenheit«, begann er stockend.
»Hatte mein Sohn Schulden bei Ihnen? Nein, das kann wohl nicht sein, dann hätten Sie sich längst gemeldet. Aber bitte, nehmen Sie doch Platz. Was darf ich Ihnen anbieten? Einen Sherry, Kognak oder einen Kaffee?«
»Ein Kaffee wäre nicht übel«, sagte Herbert Kerst, der sich nun doch in eine Situation gedrängt sah, aus der er nicht so einfach herauskam.
»Wo lernten Sie Stefan kennen?«, fragte Otto Behrend, nachdem das Mädchen den Kaffee serviert hatte.
»Ich kannte ihn gar nicht«, erklärte Herbert Kerst. »Die ganze Sache wird Sie vielleicht aufregen, wie sie auch mich und meine Familie aufgeregt hat. Es dreht sich da um ein Kind.«
»Um ein Kind?«, fragte Otto Behrend plötzlich bedeutend lebhafter. »Um was für ein Kind?«
»Um ein neunjähriges Mädchen. Sabine heißt sie. Sie müssen wissen, dass mein Schwiegersohn auch Stefan Behrend heißt, dass er im gleichen Jahr geboren wurde wie Ihr Sohn und dass er auch in Göttingen lebte.«
»Wie eigenartig. Aber was ist mit dem Kind, von dem Sie sprachen?«
»Ja, das ist so«, nahm Herbert Kerst einen erneuten Anlauf, und dann erzählte er die Geschichte. Er spürte, dass sein Gegenüber immer aufmerksamer, immer lebhafter wurde, dass die trüben Augen Glanz bekamen und das fahle Gesicht Farbe.
»Es soll Stefans Tochter sein?«, fragte Otto Behrend atemlos, als Herbert Kerst schwieg.
»Es könnte sein. Die Tante von Sabine hat sie jedenfalls meinem Schwiegersohn vor die Tür gesetzt.«
»Und nun wollen Sie das Kind loswerden?«
»Nein, um Himmels willen nein!«, rief Herbert Kerst. »Ich trag mich mit dem Gedanken, Sabine zu adoptieren.«
Der kleine Mann stand auf und lief ein paar Schritte hin und her.
»Wenn es die Tochter meines Sohnes ist, werde ich dazu die Einwilligung niemals geben«, sagte er heiser. »Sehen Sie sich dieses Haus an, sehen Sie mich an. Ich bin ein alter Mann. Ich habe nichts mehr, was mir Freude macht. Wenn Stefan ein Kind hat, werde ich diesem Kind alles geben, was ich besitze. Ich werde es niemals fremden Menschen überlassen. Herr Kerst, ich werde Sie reich entschädigen, wenn Sie mir das Kind meines Sohnes zuführen.«
»Guter Gott«, stöhnte Herbert Kerst, »ich habe doch selbst genug! Mir geht es um Sabine. Ich will das Kind nur, weil meine Tochter es aufgenommen hat wie ihr eigenes. Und weil ich die Kleine gern habe.«
Otto Behrend setzte sich wieder und sah ihn forschend an.
»Sie alle werden es nicht bereuen, was Sie für das Kind getan haben«, murmelte er. »Aber verstehen Sie doch, es ist Stefans Kind, ich bin überzeugt davon. Er war ein guter Junge, nur war er nie ganz gesund. Er war kontaktarm. Er hatte eigentlich nie eine Freundin. Er war auch kein Mann, der den Frauen gefiel. Die Mutter des Kindes muss ein