Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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7. Neuplatoniker.

      Die Lektüre der Neuplatoniker erfordert viel Geduld; weil es ihnen sämmtlich an Form und Vortrag gebricht. Bei Weitem besser, als die andern, ist jedoch, in dieser Hinsicht, Porphyrius: er ist der einzige, der deutlich und zusammenhängend schreibt; so daß man ihn ohne Widerwillen liest.

      Hingegen ist der schlechteste Jamblichos in seinem Buche de mysteriis Aegyptiorum: er ist voll krassen Aberglaubens und plumper Dämonologie, und dazu eigensinnig. Zwar hat er noch eine andere, gleichsam esoterische Ansicht der Magie und Theurgie: doch sind seine Aufschlüsse über diese nur flach und unbedeutend. Im Ganzen ist er ein schlechter und unerquicklicher Skribent: beschränkt, verschroben, grob-abergläubisch, konfus und unklar. Man sieht deutlich, daß was er lehrt durchaus nicht aus seinem eigenen Nachdenken entsprungen ist; sondern es sind fremde, oft nur halb verstandene, aber desto hartnäckiger behauptete Dogmen: daher auch ist er voll Widersprüche. Allein man will jetzt das genannte Buch dem Jamblichos absprechen, und ich möchte dieser Meinung beistimmen, wenn ich die langen Auszüge aus seinen verlorenen Werken lese, die Stobäos uns aufbehalten hat, als welche ungleich besser sind, als jenes Buch de mysteriis und gar manchen guten Gedanken der Neuplatonischen Schule enthalten.

      Proklus nun wieder ist ein seichter, breiter, fader Schwätzer. Sein Kommentar zu Platons Alkibiades, einem der schlechtesten Platonischen Dialogen, der auch unächt seyn mag, ist das breiteste, weitschweifigste Gewäsche von der Welt. Da wird über jedes, auch das unbedeutendeste Wort Platons endlos geschwätzt und ein tiefer Sinn darin gesucht. Das von Platon mythisch und allegorisch Gesagte wird im eigentlichen Sinne und streng dogmatisch genommen, und Alles in’s Abergläubische und Theosophische verdreht. Dennoch ist nicht zu leugnen, daß in der ersten Hälfte jenes Kommentars einige sehr gute Gedanken anzutreffen sind, die aber wohl mehr der Schule, als dem Proklus angehören mögen. Ein höchst gewichtiger Satz sogar ist es, der den fasciculum primum partis primae beschließt: αί τον φυχων εφεσεις τα μεγιστα συντελουσι προς τους βιους, και ου πλαττομενοις εξωθεν εοικαμεν, αλλ΄ εφ΄ έαυτων πρβαλλομεν τας αίρεσεις, καθ΄ άς διαζωμεν. (animorum appetitus [ante hanc vitam concepti] plurimam vim habent in vitas eligendas, nec extrinsecus fictis similes sumus, sed nostra sponte facimus electiones, secundum quas deinde vitas transigimus). Das hat freilich seine Wurzel im Platon, kommt aber auch nahe an Kants Lehre vom intelligibeln Charakter und steht gar hoch über den platten und bornirten Lehren von der Freiheit des individuellen Willens, der jedesmal so und auch anders kann, mit welchen unsere Philosophieprofessoren, stets den Katechismus vor Augen habend, sich bis auf den heutigen Tag schleppen. Augustinus und Luther ihrerseits hatten sich mit der Gnadenwahl geholfen. Das war gut für jene gottergebenen Zeiten, da man noch bereit war, wenn es Gott gefiele, in Gottes Namen zum Teufel zu fahren: aber in unsrer Zeit ist nur bei der Aseität des Willens Schutz zu finden, und muß erkannt werden, daß, wie Proklus es hat, ου πλαττομενοις εξωθεν εοικαμεν.

      Plotinos nun endlich, der wichtigste von Allen, ist sich selber sehr ungleich, und die einzelnen Enneaden sind von höchst verschiedenem Werth und Gehalt: die vierte ist vortrefflich. Darstellung und Stil sind jedoch auch bei ihm meistentheils schlecht: seine Gedanken sind nicht geordnet, nicht vorher überlegt; sondern er hat eben in den Tag hineingeschrieben, wie es kam. Von der liederlichen, nachlässigen Art, mit der er dabei zu Werke gegangen, berichtet, in seiner Biographie, Porphyrius. Daher übermannt seine breite, langweilige Weitschweifigkeit und Konfusion oft alle Geduld, so daß man sich wundert, wie nur dieser Wust hat auf die Nachwelt kommen können. Meistens hat er den Stil eines Kanzelredners, und wie dieser das Evangelium, so tritt er Platonische Lehren platt: wobei auch er was Platon mythisch, ja halb metaphorisch gesagt hat zum ausdrücklichen prosaischen Ernst herabzieht, und Stunden lang am selben Gedanken kaut, ohne aus eigenen Mitteln etwas hinzuzuthun. Dabei verfährt er revelirend, nicht demonstrirend, spricht also durchgängig ex tripode, erzählt die Sachen, wie er sie sich denkt, ohne sich auf eine Begründung irgend einzulassen. Und dennoch sind bei ihm große, wichtige und tiefsinnige Wahrheiten zu finden, die er auch allerdings selbstverstanden hat: denn er ist keineswegs ohne Einsicht; daher er durchaus gelesen zu werden verdient und die hiezu erforderliche Geduld reichlich belohnt.

      Den Aufschluß über diese widersprechenden Eigenschaften des Plotinos finde ich darin, daß er, und die Neuplatoniker überhaupt, nicht eigentliche Philosophen, nicht Selbstdenker sind; sondern was sie vortragen ist eine fremde, überkommene, jedoch von ihnen meistens wohl verdauete und assimilirte Lehre. Es ist nämlich Indo-Aegyptische Weisheit, die sie der Griechischen Philosophie haben einverleiben wollen und als hiezu passendes Verbindungsglied, oder Uebergangsmittel, oder menstruum, die Platonische Philosophie, namentlich ihrem in’s Mystische hinüberspielenden Theile nach, gebrauchen. Von diesem indischen, durch Aegypten vermittelten Ursprunge der Neuplatonischen Dogmen zeugt zunächst und unleugbar die ganze AllEins-Lehre des Plotinos, wie wir sie vorzüglich in der 4. Enneade dargestellt finden. Gleich das erste Kapitel des ersten Buches derselben, περι ουσιας φυχης, giebt, in großer Kürze, die Grundlehre seiner ganzen Philosophie, von einer φυχη, die ursprünglich Eine und nur mittelst der Körperwelt in viele zersplittert sei. Besonders interessant ist das 8. Buch dieser Enneade, welches darstellt, wie jene φυχη durch ein sündliches Streben in diesen Zustand der Vielheit gerathen sei: sie trage demnach eine doppelte Schuld, erstlich, die ihres Herabkommens in diese Welt, und zweitens die ihrer sündhaften Thaten in derselben: für jene büße sie durch das zeitliche Daseyn überhaupt; für diese, welches die geringere, durch die Seelenwanderung, (c. 5). Offenbar der selbe Gedanke, wie die Christliche Erbsünde und Partikularsünde. Vor Allem lesenswert aber ist das 9. Buch, woselbst, im Kap. 3, ει πασαι αί φυχαι μια, aus der Einheit jener Weltseele, unter Anderm, die Wunder des animalischen Magnetismus erklärt werden, namentlich die auch jetzt vorkommende Erscheinung, daß die Somnambule ein leise gesprochenes Wort in größter Entfernung vernimmt, – was freilich durch eine Kette mit ihr in Rapport stehender Personen vermittelt werden muß. – Sogar tritt beim Plotinos, wahrscheinlich zum ersten Male in der occidentalischen Philosophie, der im Orient schon damals längst geläufige Idealismus auf, da (Enn. III, L. 7, c. 10) gelehrt wird, die Seele habe die Welt gemacht, indem sie aus der Ewigkeit in die Zeit trat; mit der Erläuterung: ου γαρ τις αυτου τουδε του παωτος τοπος, η φυχη (neque est alter hujus universi locus, quam anima), ja, die Idealität der Zeit wird ausgesprochen, in den Worten: δει δε ουκ εξωθεν της φυχης λαμβανειν τον χρονον, ώσπερ ουδε τον αιωνα εκει εξω του οντος, (0portet autem nequaquam extra animam tempus accipere). Jenes εκει (jenseits) ist der Gegensatz des ενθαδε (diesseits) und ein ihm sehr geläufiger Begriff, den er näher erklärt durch κοσμος νοητος und κοσμος αισθητος, mundus intelligibilis et sensibilis, auch durch τα ανω, και τα κατω. Die Idealität der Zeit erhält noch, in Kap. 11 und 12, sehr gute Erläuterungen. Daran knüpft sich die schöne Erklärung, daß wir in unserm zeitlichen Zustande nicht sind, was wir seyn sollen und möchten, daher wir von der Zukunft stets das Bessere erwarten und der Erfüllung unsers Mangels entgegensehn, woraus denn die Zukunft und ihre Bedingung, die Zeit, entsteht (c. 2 et 3). Einen ferneren Beleg des indischen Ursprungs giebt uns die vom Jamblichos (de mysteriis, Sect. 4, c. 4 et. 5), vorgetragene Metempsychosenlehre, wie auch ebendaselbst (Sect. 5, c. 6) die Lehre von der endlichen Befreiung und Erlösung aus den Banden des Geborenwerdens und Sterbens, ξυχης καθαρσις, και τελειωσις, και ή απο της γενεσεως

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