Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
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§. 8. Gnostiker.
Die Kabbalistische und die Gnostische Philosophie, bei deren Urhebern, als Juden und Christen, der Monotheismus vorweg feststand, sind Versuche, den schreienden Widerspruch zwischen der Hervorbringung der Welt durch ein allmächtiges, allgütiges und allweises Wesen, und der traurigen, mangelhaften Beschaffenheit eben dieser Welt aufzuheben. Sie führen daher, zwischen die Welt und jene Weltursache, eine Reihe Mittelwesen ein, durch deren Schuld ein Abfall und durch diesen erst die Welt entstanden sei. Sie wälzen also gleichsam die Schuld vom Souverän auf die Minister. Angedeutet war dies Verfahren freilich schon durch den Mythos vom Sündenfall, der überhaupt der Glanzpunkt des Judenthums ist. Jene Wesen nun also sind, bei den Gnostikern, das πληρωμα, die Aeonen, die υλη, der Demiurgos u. s. w. Die Reihe wurde von jedem Gnostiker beliebig verlängert.
Das ganze Verfahren ist dem analog, daß um den Widerspruch, den die angenommene Verbindung und wechselseitige Einwirkung einer materiellen und immateriellen Substanz im Menschen mit sich führt, zu mildern, physiologische Philosophen Mittelwesen einzuschieben suchten, wie Nervenflüssigkeit, Nervenäther, Lebensgeister und dergl. Beides verdeckt was es nicht aufzuheben vermag.
§. 9. Skotus Erigena.
Dieser bewundernswürdige Mann gewährt uns den interessanten Anblick des Kampfes zwischen selbsterkannter, selbstgeschaueter Wahrheit und lokalen, durch frühe Einimpfung fixirten, allem Zweifel, wenigstens allem direkten Angriff, entwachsenen Dogmen, nebst dem daraus hervorgehenden Streben einer edlen Natur, die so entstandene Dissonanz irgendwie zum Einklang zurückzuführen. Dies kann dann aber freilich nur dadurch geschehn, daß die Dogmen gewendet, gedreht und nöthigenfalls verdreht werden, bis sie sich der selbsterkannten Wahrheit nolentes volentes anschmiegen, als welche das dominirende Princip bleibt, jedoch genöthigt wird, in einem seltsamen und sogar beschwerlichen Gewande einherzugehn. Diese Methode weiß Erigena, in seinem großen Werke de divisione naturae, überall mit Glück durchzuführen, bis er endlich auch an den Ursprung des Uebels und der Sünde, nebst den angedrohten Quaalen der Hölle, sich damit machen will: hier scheitert sie, und zwar am Optimismus, der eine Folge des jüdischen Monotheismus ist. Er lehrt, im 5. Buch, die Rückkehr aller Dinge in Gott und die metaphysische Einheit und Untheilbarkeit der ganzen Menschheit, ja, der ganzen Natur. Nun frägt sich: wo bleibt die Sünde? sie kann nicht mit in den Gott; – wo ist die Hölle, mit ihrer endlosen Quaal, wie sie verheißen worden? – wer soll hinein? die Menschheit ist ja erlöst, und zwar ganz. – Hier bleibt das Dogma unüberwindlich. Erigena windet sich kläglich, durch weitläufige Sophismen, die auf Worte hinauslaufen, wird endlich zu Widersprüchen und Absurditäten genöthigt, zumal da die Frage nach dem Ursprung der Sünde unvermeidlicherweise mit hineingekommen, dieser nun aber weder in Gott, noch auch in dem von ihm geschaffenen Willen liegen kann; weil sonst Gott der Urheber der Sünde wäre; welches Letztere er vortrefflich einsieht, S. 287 der Oxforder editio princeps von 1681. Nun wird er zu Absurditäten getrieben: da soll die Sünde weder eine Ursache noch ein Subjekt haben: malum incausale est, … . penitus incausale et insubstantiale est: ibid. – Der tiefere Grund dieser Uebelstände ist, daß die Lehre von der Erlösung der Menschheit und der Welt, welche offenbar indischen Ursprungs ist, eben auch die indische Lehre voraussetzt, nach welcher der Ursprung der Welt (dieses Sansara der Buddhaisten) selbst schon vom Uebel, nämlich eine sündliche That des Brahma ist, welcher Brahma nun wieder wir eigentlich selbst sind: denn die indische Mythologie ist überall durchsichtig. Hingegen im Christenthum hat jene Lehre von der Erlösung der Welt gepfropft werden müssen auf den jüdischen Theismus, wo der Herr die Welt nicht nur gemacht, sondern auch nachher sie vortrefflich gefunden hat: παντα καλα λιαν. Hinc illae lacrimae: hieraus erwachsen jene Schwierigkeiten, die Erigena vollkommen erkannte, wiewohl er, in seinem Zeitalter, nicht wagen durfte, das Uebel an der Wurzel anzugreifen. Inzwischen ist er von Hindostanischer Milde: er verwirft die vom Christenthum gesetzte ewige Verdammniß und Strafe: alle Kreatur, vernünftige, thierische, vegetabilische und leblose, muß, ihrer innern Essenz nach, selbst durch den nothwendigen Lauf der Natur, zur ewigen Seeligkeit gelangen: denn sie ist von der ewigen Güte ausgegangen. Aber den Heiligen und Gerechten allein wird die gänzliche Einheit mit Gott, Deificatio. Uebrigens ist Erigena so redlich, die große Verlegenheit, in welche ihn der Ursprung des Uebels versetzt, nicht zu verbergen: er legt sie, in der angeführten Stelle des 5. Buches, deutlich dar. In der That ist der Ursprung des Uebels die Klippe, an welcher, so gut wie der Pantheismus, auch der Theismus scheitert: denn Beide impliciren Optimismus. Nun aber sind das Uebel und die Sünde, beide in ihrer furchtbaren Größe, nicht wegzuleugnen, ja, durch die verheißenen Strafen für die Letztere, wird das Erstere nur noch vermehrt. Woher nun alles Dieses, in einer Welt, die entweder selbst ein Gott, oder das wohlgemeinte Werk eines Gottes ist? Wenn die theistischen Gegner des Pantheismus diesem entgegen schreien was? alle die bösen, schrecklichen, scheußlichen Wesen sollen Gott sein? – so können die Pantheisten erwiedern: wie? alle jene bösen, schrecklichen, scheußlichen Wesen soll ein Gott, de gaieté de coeur, hervorgebracht haben? – In derselben Noth, wie hier, finden wir den Erigena auch noch in dem andern seiner auf uns gekommenen Werke, dem Buche de praedestinatione, welches jedoch dem de divisione naturae weit nachsteht; wie er denn in demselben auch nicht als Philosoph, sondern als Theolog auftritt. Auch hier also quält er sich erbärmlich mit jenen Widersprüchen, welche ihren letzten Grund darin haben, daß das Christenthum auf das Judenthum geimpft ist. Seine Bemühungen stellen solche aber nur in noch helleres Licht. Der Gott soll Alles, Alles und in Allem Alles gemacht haben; das steht fest: – folglich auch das Böse und das Uebel. Diese unausweichbare Konsequenz ist wegzuschaffen und Erigena sieht sich genöthigt, erbärmliche Wortklaubereien vorzubringen. Da sollen das Uebel und das Böse gar nicht seyn, sollen also nichts seyn. – Den Teufel auch! – Oder aber der freie Wille soll an ihnen Schuld seyn: diesen nämlich habe der Gott zwar geschaffen, jedoch frei; daher es ihn nicht angeht, was derselbe nachher vornimmt; denn er war ja eben frei, d. h. konnte so und auch anders, konnte also gut, sowohl wie schlecht seyn. – Bravo! – Die Wahrheit aber ist, daß Freiseyn und Geschaffenseyn zwei einander aufhebende, also sich widersprechende Eigenschaften sind; daher die Behauptung, Gott habe Wesen geschaffen, und ihnen zugleich Freiheit des Willens ertheilt, eigentlich besagt, er habe sie geschaffen und zugleich nicht geschaffen. Denn operari sequitur esse, d. h. die Wirkungen, oder Aktionen, jedes irgend möglichen Dinges können nie etwas anders, als die Folge seiner Beschaffenheit seyn; welche selbst sogar nur an ihnen erkannt wird. Daher müßte ein Wesen, um in dem hier geforderten Sinne frei zu seyn, gar keine Beschaffenheit haben, d. h. aber gar nichts seyn, also seyn und nicht seyn zugleich. Denn was ist muß auch etwas seyn: eine Existenz ohne Essenz läßt sich nicht ein Mal denken. Ist nun ein Wesen geschaffen; so ist es so geschaffen, wie es beschaffen