Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
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Uebrigens, und namentlich in formeller Hinsicht, beruht jenes Ausgehn des Spinoza vom Begriff der Substanz auf dem falschen Grundgedanken, den er von seinem Lehrer Kartesius und dieser vom Anselmus von Kanterbury übernommen hatte, nämlich auf diesem, daß jemals aus der essentia die existentia hervorgehn könne, d. h. daß aus einem bloßen Begriff ein Daseyn sich folgern lasse, welches demgemäß ein nothwendiges seyn würde; oder, mit andern Worten, daß, vermöge der Beschaffenheit, oder Definition, einer bloß gedachten Sache, es nothwendig werde, daß sie nicht mehr eine bloß gedachte, sondern eine wirklich vorhandene sei. Kartesius hatte diesen falschen Grundgedanken angewandt auf den Begriff des ens perfectissimum; Spinoza aber nahm den der substantia oder causa sui, (welches Letztere eine contradictio in adjecto ausspricht): man sehe seine erste Definition, die sein πρωτον φευδος ist, am Eingang der Ethik, und dann prop. 7 des ersten Buchs. Der Unterschied der Grundbegriffe beider Philosophen besteht beinahe nur im Ausdruck: dem Gebrauche derselben aber als Ausgangspunkte, also als Gegebener, liegt beim Einen, wie beim Andern, die Verkehrtheit zum Grunde, aus der abstrakten Vorstellung die anschauliche entspringen zu lassen; während in Wahrheit alle abstrakte Vorstellung aus der anschaulichen entsteht und daher durch diese begründet wird. Wir haben also hier ein fundamentales ύστερον προτερον.
Eine Schwierigkeit besonderer Art hat Spinoza sich dadurch aufgebürdet, daß er seine alleinige Substanz Deus nannte; da dieses Wort zur Bezeichnung eines ganz andern Begriffs bereits eingenommen war und er nun fortwährend zu kämpfen hat gegen die Mißverständnisse, welche daraus entstehen, daß der Leser, statt des Begriffs, den es nach Spinoza’s ersten Erklärungen bezeichnen soll, immer noch den damit verbindet, den es sonst bezeichnet. Hätte er das Wort nicht gebraucht, so wäre er langer und peinlicher Erörterungen im ersten Buche überhoben gewesen. Aber er that es, damit seine Lehre weniger Anstoß fände; welcher Zweck dennoch verfehlt wurde. So aber durchzieht eine gewisse Doppelsinnigkeit seinen ganzen Vortrag, den man deshalb einen gewissermaaßen allegorischen nennen könnte; zumal er es mit ein Paar anderer Begriffe auch so hält; – wie oben (in der ersten Abhandlung) bemerkt worden. Wie viel klarer, folglich besser, würde seine sogenannte Ethik ausgefallen seyn, wenn er geradezu, wie es ihm zu Sinn war, geredet und die Dinge bei ihrem Namen genannt hätte; und wenn er überhaupt seine Gedanken, nebst ihren Gründen, aufrichtig und naturgemäß dargelegt hätte, statt sie in die spanischen Stiefel der Propositionen, Demonstrationen, Scholien und Korollarien eingeschnürt auftreten zu lassen, in dieser der Geometrie abgeborgten Einkleidung, welche statt der Philosophie die Gewißheit jener zu geben, vielmehr alle Bedeutung verliert, sobald nicht die Geometrie mit ihrer Konstruktion der Begriffe darin steckt; daher es auch hier heißt: cucullus non facit monachum.
Im zweiten Buche legt er die zwei Modi seiner alleinigen Substanz dar als Ausdehnung und Vorstellung (extensio et cogitatio), welches eine offenbar falsche Eintheilung ist, da die Ausdehnung durchaus nur für und in der Vorstellung da ist, also dieser nicht entgegenzusetzen, sondern unterzuordnen war.
Daß Spinoza überall ausdrücklich und nachdrücklich die laetitia preist und sie als Bedingung und Kennzeichen jeder lobenswerthen Handlung aufstellt, dagegen alle tristitia unbedingt verwirft, obschon sein A. T. ihm sagte: Es ist Trauern besser denn Lachen; denn durch Trauern wird das Herz gebessert (Kohel. 7, 4); – Dies alles thut er bloß aus Liebe zur Konsequenz: denn ist diese Welt ein Gott; so ist sie Selbstzweck und muß sich ihres Daseyns freuen und rühmen, also saute Marquis! semper lustig, nunquam traurig! Pantheismus ist wesentlich und nothwendig Optimismus. Dieser obligate Optimismus nöthigt den Spinoza noch zu manchen andern falschen Konsequenzen, unter denen die absurden und sehr oft empörenden Sätze seiner Moralphilosophie oben an stehen, welche im 16. Kap. seines tractatus theologico-politicus bis zur eigentlichen Infamie anwachsen. Hingegen läßt er bisweilen die Konsequenz da aus den Augen, wo sie zu richtigen Ansichten geführt haben würde, z. B. in seinen so unwürdigen, wie falschen Sätzen über die Thiere. (Eth. Pars IV, Appendicis cap. 26, et ejusdem Partis prop. 37, Scholion.) Hier redet er eben wie ein Jude es versteht, gemäß den Kap. 1 und 9 der Genesis, so daß dabei uns Andern, die wir an reinere und würdigere Lehren gewöhnt sind, der foetor judaicus übermannt. Hunde scheint er ganz und gar nicht gekannt zu haben. Auf den empörenden Satz, mit dem besagtes Kap. 26 anhebt: Praeter homines nihil singulare in natura novimus, cujus mente gaudere et quod nobis amicitia, aut aliquo consuetudinis genere jungere possumus, ertheilt die beste Antwort ein Spanischer Belletrist unserer Tage (Larra, pseudonym Figaro, im Doncel c. 33): El que no ha tenido an perro, no sahe lo que es querer y ser querido. (Wer nie einen Hund gehalten hat, weiß nicht was lieben und geliebt seyn ist). Die Thierquälereien, welche, nach Colerus, Spinoza, zu seiner Belustigung und unter herzlichem Lachen, an Spinnen und Fliegen zu verüben pflegte, entsprechen nur zu sehr seinen hier gerügten Sätzen, wie auch besagten Kapiteln der Genesis. Durch alles Dieses ist denn Spinoza’s Ethica durchweg ein Gemisch von Falschem und Wahrem, Bewunderungswürdigem und Schlechtem. Gegen das Ende derselben, in der zweiten Hälfte des letzten Theils, sehen wir ihn vergeblich bemüht, sich selber klar zu werden: er vermag es nicht: ihm bleibt daher nichts übrig als mystisch zu werden, wie hier geschieht. Um demnach gegen diesen allerdings großen Geist nicht ungerecht zu werden, müssen wir bedenken, daß er noch zu wenig vor sich hatte, etwan nur den Kartesius, Malebranche, Hobbes, Jordanus Brunus. Die philosophischen Grundbegriffe waren noch nicht genugsam durchgearbeitet, die Probleme nicht gehörig ventilirt. Leibnitz ging ebenfalls vom Begriff der Substanz als einem Gegebenen aus, faßte jedoch hauptsächlich ins Auge, daß eine solche unzerstörbar seyn müsse: zu diesem Behuf mußte sie einfach seyn, weil alles Ausgedehnte theilbar und somit zerstörbar wäre: folglich war sie ohne Ausdehnung, also immateriell. Da blieben für seine Substanz keine andere Prädikate übrig, als die geistigen, also Perception, Denken und Begehren. Solcher einfacher geistiger Substanzen nahm er nun gleich eine Unzahl an: diese sollten, obwohl sie selbst nicht ausgedehnt waren, doch dem Phänomen der Ausdehnung zum Grunde liegen; daher er sie als formale Atome und einfache Substanzen (Opera ed. Erdmann, p. 124, 676) definirt und ihnen den Namen Monaden ertheilt. Diese sollen also dem Phänomene der Körperwelt zum Grunde liegen, welches sonach eine bloße Erscheinung ist, ohne eigentliche und unmittelbare Realität, als welche ja bloß den Monaden zukommt, die darin und dahinter stecken. Dieses Phänomen der Körperwelt wird nun aber doch andererseits, in der Perecption der Monaden, (d. h. solcher, die wirklich percipiren, welches gar wenige sind, die meisten schlafen beständig) vermöge der prästabilirten Harmonie zu Stande gebracht, welche die Central-Monade ganz allein und auf eigene Kosten ausführt. Hier gerathen wir etwas ins Dunkle. Wie dem aber auch sei: die Vermittelung zwischen den bloßen Gedanken dieser Substanzen und dem wirklich und an sich selbst Ausgedehnten besorgt eine, von der Central-Monade prästabilirte Harmonie. – Hier, möchte man sagen, ist Alles Rest. Indessen muß man, um Leibnitzen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, an die Betrachtungsweise der Materie, die damals Locke und Newton geltend machten, erinnern, in welcher nämlich diese, als absolut todt, rein passiv und willenlos, bloß mit mechanischen Kräften begabt und nur mathematischen Gesetzen unterworfen, dasteht. Leibnitz hingegen verwirft die Atome und die rein mechanische Physik, um eine dynamische an ihre Stelle zu setzen; in welchem Allen er Kanten vorarbeitete. (Siehe Opera, edit. Erdmann, pag. 694.) Er erinnerte dabei zuvörderst an die formas substantiales der Scholastiker und gelangte danach zu der Einsicht, daß selbst die bloß mechanischen Kräfte der Materie, außer welchen man damals kaum noch andere kannte, oder gelten ließ, etwas Geistiges zur Unterlage haben mußten. Dieses nun aber wußte er sich nicht anders deutlich zu machen, als durch die höchst unbeholfene Fiktion, daß die Materie aus lauter Seelchen bestände, welche zugleich formale Atome wären und meistens im Zustande der Betäubung sich befänden, jedoch ein Analogon der perceptio und des appetitus hätten. Hiebei führte ihn Dies irre, daß er, wie alle Andern, sammt und sonders, zur Grundlage und conditio sine qua non alles Geistigen