Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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metaphysisch hingegen sind die Anfangsgründe der Naturwissenschaft, auch die der Tugendlehre u. s. w. —

      Indessen läßt der Begriff einer Transscendentalphilosophie sich noch in tieferm Sinne fassen, wenn man den innersten Geist der Kantischen Philosophie darin zu koncentriren unternimmt, etwan in folgender Art. Daß die ganze Welt uns nur auf eine sekundäre Weise, als Vorstellung, Bild in unserm Kopfe, Gehirnphänomen, hingegen der eigene Wille uns, im Selbstbewußtseyn, unmittelbar gegeben ist; daß demnach eine Trennung, ja ein Gegensatz, zwischen unserm eigenen Daseyn und dem der Welt Statt findet, – Dies ist eine bloße Folge unsrer individuellen und animalischen Existenz, mit deren Aufhören es daher wegfällt. Bis dahin aber ist es uns unmöglich, jene Grund-und Urform unsers Bewußtseyns, welche Das ist, was man als das Zerfallen in Subjekt und Objekt bezeichnet, in Gedanken aufzuheben; weil alles Denken und Vorstellen sie zur Voraussetzung hat: daher lassen wir sie stets als das Urwesentliche und die Grundbeschaffenheit der Welt stehn und gelten; während sie in der That nur die Form unsers animalischen Bewußtseyns und der durch dasselbe vermittelten Erscheinungen ist. Hieraus nun aber entspringen alle jene Fragen, über Anfang, Ende, Grenzen und Entstehung der Welt, über unsere eigene Fortdauer nach dem Tode u. s. w. Sie beruhen demnach alle auf einer falschen Voraussetzung, welche Das, was nur die Form der Erscheinung, d. h. der durch ein animalisches, cerebrales Bewußtseyn vermittelten Vorstellungen ist, dem Dinge an sich selbst beilegt und demnach für die Ur-und Grundbeschaffenheit der Welt ausgiebt. Dies ist der Sinn des Kantischen Ausdrucks: alle solche Fragen sind transscendent. Sie sind daher, nicht bloß subjective, sondern an und für sich selbst, d. h. objective, gar keiner Antwort fähig. Denn sie sind Probleme, welche mit Aufhebung unsers cerebralen Bewußtseyns und des auf ihm beruhenden Gegensatzes gänzlich wegfallen und doch als wären sie unabhängig davon aufgestellt worden. Wer z. B. frägt, ob er nach seinem Tode fortdaure, hebt, in hypothesi, sein animalisches Gehirnbewußtseyn auf; frägt jedoch nach Etwas, das nur unter Voraussetzung desselben besteht, indem es auf der Form desselben, nämlich, Subjekt, Objekt, Raum und Zeit, beruht; nämlich nach seinem individuellen Daseyn. Eine Philosophie nun, welche alle diese Bedingungen und Beschränkungen als solche zum deutlichen Bewußtseyn bringt, ist transscendental und, sofern sie die allgemeinen Grundbestimmungen der objektiven Welt dem Subjekt vindicirt, ist sie transscendentaler Idealismus – Allmälig wird man einsehn, daß die Probleme der Metaphysik nur insofern unlösbar sind, als in den Fragen selbst schon ein Widerspruch enthalten ist.

      Der transscendentale Idealismus macht inzwischen der vorliegenden Welt ihre empirische Realität durchaus nicht streitig, sondern besagt nur, daß diese keine unbedingte sei, indem sie unsere Gehirnfunktionen aus denen die Formen der Anschauung, also Zeit, Raum und Kausalität entstehn, zur Bedingung hat; daß mithin diese empirische Realität selbst nur die Realität einer Erscheinung sei. Wenn nun in derselben sich uns eine Vielheit von Wesen darstellt, von denen stets das Eine vergeht und ein Anderes entsteht, wir aber wissen, daß nur mittelst der Anschauungsform des Raumes die Vielheit, und mittelst der der Zeit das Vergehen und Entstehen möglich sei; so erkennen wir, daß ein solcher Hergang keine absolute Realität habe, d. h. daß er dem in jener Erscheinung sich darstellenden Wesen an sich selbst nicht zukomme, welches wir vielmehr, wenn man jene Erkenntnißformen, wie das Glas aus dem Kaleidoskop, wegziehn könnte, zu unserer Verwunderung als ein einziges und bleibendes vor uns haben würden, als unvergänglich, unveränderlich und, unter allem scheinbaren Wechsel, vielleicht sogar bis auf die ganz einzelnen Bestimmungen herab, identisch. In Gemäßheit dieser Ansicht lassen sich folgende drei Sätze aufstellen:

      1) Die alleinige Form der Realität ist die Gegenwart: in ihr allein ist das Reale unmittelbar anzutreffen und stets ganz und vollständig enthalten.

      2) Das wahrhaft Reale ist von der Zeit unabhängig, also in jedem Zeitpunkt Eines und das Selbe.

      3) Die Zeit ist die Anschauungsform, unsers Intellekts und daher dem Dinge an sich fremd.

      Diese drei Sätze sind im Grunde identisch. Wer sowohl ihre Identität, als ihre Wahrheit deutlich einsieht, hat einen grossen Fortschritt in der Philosophie gemacht, indem er den Geist des transscendentalen Idealismus begriffen hat.

      Ueberhaupt, wie folgenreich ist nicht Kants Lehre von der Idealität des Raumes und der Zeit, welche er so trocken und schmucklos dargelegt hat; während eben gar nichts sich ergiebt aus dem hochtrabenden, prätensionsvollen und absichtlich unverständlichen Geschwätze der drei bekannten Sophisten, welche die Aufmerksamkeit eines, Kants unwürdigen Publikums von ihm auf sich zogen. Vor Kant, läßt sich sagen, waren wir in der Zeit; jetzt ist die Zeit in uns. Im erstern Falle ist die Zeit real, und wir werden, wie Alles, was in ihr liegt, von ihr verzehrt. Im zweiten Fall ist die Zeit ideal: sie liegt in uns. Da fällt zunächst die Frage hinsichtlich der Zukunft nach dem Tode weg. Denn, bin ich nicht; so ist auch keine Zeit mehr. Es ist nur ein täuschender Schein, der mir eine Zeit zeigt, die fortliefe, ohne mich, nach meinem Tode: alle drei Abschnitte der Zeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sind auf gleiche Weise mein Produkt, gehören mir an; nicht aber ich vorzugsweise dem einen, oder dem andern von ihnen. – Wiederum eine andere Folgerung, die sich aus dem Satze, daß die Zeit dem Wesen an sich der Dinge nicht zukommt, ziehn ließe, wäre diese, daß, in irgend einem Sinne, das Vergangene nicht vergangen sei, sondern Alles, was jemals wirklich und wahrhaft gewesen, im Grunde auch noch seyn müsse; indem ja die Zeit nur einem Theaterwasserfall gleicht, der herabzuströmen scheint, während er, als ein bloßes Rad, nicht von der Stelle kommt; – wie ich, Diesem analog, schon längst, in meinem Hauptwerke, den Raum einem in Facetten geschliffenen Glase verglichen habe, welches uns das einfach Vorhandene in zahlloser Vervielfältigung erblicken läßt. Ja, wenn wir auf die Gefahr hin, an Schwärmerei zu streifen, uns noch mehr in die Sache vertiefen; so kann es uns vorkommen, als ob wir, bei sehr lebhafter Vergegenwärtigung unserer eigenen, weit zurückliegenden Vergangenheit, eine unmittelbare Ueberzeugung davon erhielten, daß die Zeit das eigentliche Wesen der Dinge nicht antastet, sondern nur zwischen dieses und uns eingeschoben ist, als ein bloßes Medium der Wahrnehmung, nach dessen Wegnahme Alles wieder daseyn würde; wie auch andrerseits unser so treues und lebendiges Erinnerungsvermögen selbst, in welchem jenes Längstvergangene ein unverwelkliches Daseyn behält, Zeugniß davon ablegt, daß ebenfalls in uns etwas ist, das nicht mit altert, folglich nicht im Bereich der Zeit liegt.

      Die Haupttendenz der Kantischen Philosophie ist, die gänzliche Diversität des Realen und Idealen darzuthun, nachdem schon Locke hierin die Bahn gebrochen hatte. – Obenhin kann man sagen: das Ideale ist die sich räumlich darstellende, anschauliche Gestalt, mit allen an ihr wahrnehmbaren Eigenschaften; das Reale hingegen ist das Ding an, in und für sich selbst, unabhängig von seinem Vorgestelltwerden im Kopf eines Andern, oder seinem eigenen. Allein die Grenze zwischen Beiden zu ziehn ist schwer und doch gerade Das, worauf es ankommt. Locke hatte gezeigt, daß Alles, was an jener Gestalt Farbe, Klang, Glätte, Rauhe, Härte, Weiche, Kälte, Wärme u. s. w. ist, (sekundäre Eigenschaften) bloß ideal sei, also dem Dinge an sich selbst nicht zukomme; weil nämlich darin nicht das Seyn und Wesen, sondern bloß das Wirken des Dinges uns gegeben sei, und zwar ein sehr einseitig bestimmtes Wirken, nämlich das auf die ganz specifisch determinirte Empfänglichkeit unsrer fünf Sinneswerkzeuge, vermöge welcher z. B. der Schall nicht auf das Auge, das Licht nicht auf das Ohr wirkt. Ja, das Wirken der Körper auf die Sinneswerkzeuge besteht bloß darin, daß es diese in die ihnen eigenthümliche Thätigkeit versetzt; fast so, wie wenn ich den Faden ziehe, der die Flötenuhr ins Spiel versetzt. Als das Reale hingegen, welches dem Dinge an sich selbst zukäme, ließ Locke noch stehn Ausdehnung, Form, Undurchdringlichkeit, Bewegung oder Ruhe, und Zahl, – welche er deshalb primäre Eigenschaften nannte. Mit unendlich überlegener Besonnenheit zeigte nun später Kant, daß auch diese Eigenschaften nicht dem rein objektiven Wesen der Dinge, oder dem Dinge an sich selbst, zukommen, also nicht schlechthin real seyn können; weil sie durch Raum, Zeit und Kausalität bedingt seien, diese aber, und zwar ihrer ganzen Gesetzmäßigkeit und Beschaffenheit nach, uns vor aller Erfahrung gegeben und genau bekannt seien; daher sie präformirt in uns liegen müssen, so gut wie die specifische Art der Empfänglichkeit und Thätigkeit jedes unserer Sinne. Ich habe demgemäß es geradezu ausgesprochen, daß

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