Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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Schuld der Welt, eben wie ihr Uebel, welches so wenig wie jene abzuleugnen ist, sich immer auf ihren Urheber zurück, von welchem es abzuwälzen, wie früher Augustinus, so hier Skotus Erigena sich jämmerlich abmühet. Soll hingegen ein Wesen moralisch frei seyn; so darf es nicht geschaffen seyn, sondern muß Aseität haben, d. h. ein ursprüngliches, aus eigener Urkraft und Machtvollkommenheit existirendes seyn, und nicht auf ein anderes zurückweisen. Dann ist sein Daseyn sein eigener Schöpfungsakt, der sich in der Zeit entfaltet und ausbreitet, zwar eine ein für alle Mal entschiedene Beschaffenheit dieses Wesens an den Tag legt, welche jedoch sein eigenes Werk ist, für deren sämmtliche Aeußerungen die Verantwortlichkeit also auf ihm selbst haftet. – Soll nun ferner ein Wesen für sein Thun verantwortlich, also soll es zurechnungsfähig seyn; so muß es frei seyn. Also aus der Verantwortlichkeit und Imputabilität, die unser Gewissen aussagt, folgt sehr sicher, daß der Wille frei sei; hieraus aber wieder, daß er das Ursprüngliche selbst, mithin nicht bloß das Handeln, sondern schon das Daseyn und Wesen des Menschen sein eigenes Werk sei. Ueber alles Dieses verweise ich auf meine Abhandlung über die Freiheit des Willens, wo man es ausführlich und unwiderleglich auseinandergesetzt findet; daher eben die Philosophieprofessoren diese gekrönte Preisschrift durch das unverbrüchlichste Schweigen zu sekretiren gesucht haben. – Die Schuld der Sünde und des Uebels fällt allemal von der Natur auf ihren Urheber zurück. Ist nun dieser der zu allen ihren Erscheinungen sich darstellende Wille selbst; so ist jene an den rechten Mann gekommen: soll es hingegen ein Gott seyn; so widerspricht die Urheberschaft der Sünde und des Uebels seiner Göttlichkeit. —

      Beim Lesen des Dionysius Areopagita, auf den Erigena sich so häufig beruft, habe ich gefunden, daß derselbe ganz und gar sein Vorbild gewesen ist. Sowohl der Pantheismus Erigena’s, als seine Theorie des Bösen und des Uebels, findet sich, den Grundzügen nach, schon beim Dionysius: freilich aber ist bei Diesem nur angedeutet was Erigena entwickelt, mit Kühnheit ausgesprochen und mit Feuer dargestellt hat. Erigena hat unendlich mehr Geist, als Dionysius: allein den Stoff und die Richtung der Betrachtungen hat ihm Dionysius gegeben und ihm also mächtig vorgearbeitet. Daß Dionysius unächt sei, thut nichts zur Sache, es ist gleichviel, wie der Verfasser des Buches de divinis nominibus geheißen hat. Da er indessen wahrscheinlich in Alexandrien lebte, so glaube ich, daß er, auf eine anderweitige, uns unbekannte Art, auch der Kanal gewesen ist, durch welchen ein Tröpfchen indischer Weisheit bis zum Erigena gelangt seyn mag; da, wie Colebrooke in seiner Abhandlung über die Philosophie der Hindu (in Colebrooke’s miscellaneous essays Vol. I, p. 244) bemerkt hat, der Lehrsatz III der Karika des Kapila sich beim Erigena findet.

      §. 10. Die Scholastik

      Den eigentlich bezeichnenden Charakter der Scholastik möchte ich darin setzen, daß ihr das oberste Kriterium der Wahrheit die heilige Schrift ist, an welche man demnach von jedem Vernunftschluß noch immer appelliren kann. – Zu ihren Eigenthümlichkeiten gehört, daß ihr Vortrag durchgängig einen polemischen Charakter hat: jede Untersuchung wird bald in eine Kontroverse verwandelt, deren pro et contra neues pro et contra erzeugt und ihr dadurch den Stoff giebt, der ihr außerdem bald ausgehn würde. Die verborgene, letzte Wurzel dieser Eigenthümlichkeit liegt aber in dem Widerstreit zwischen Vernunft und Offenbarung. —

      Die gegenseitige Berechtigung des Realismus und Nominalismus und dadurch die Möglichkeit des so lange und hartnäckig geführten Streites darüber läßt sich folgendermaaßen recht faßlich machen.

      Die verschiedenartigsten Dinge nenne ich roth, wenn sie diese Farbe haben. Offenbar ist roth ein bloßer Name, durch den ich diese Erscheinung bezeichne, gleichviel, woran sie vorkomme. Eben so nun sind alle Gemeinbegriffe bloße Namen, Eigenschaften zu bezeichnen, die an verschiedenen Dingen vorkommen: diese Dinge hingegen sind das Wirkliche und Reale. So hat der Nominalismus offenbar Recht.

      Hingegen wenn wir beachten, daß alle jene wirklichen Dinge, welchen allein die Realität soeben zugesprochen wurde, zeitlich sind, folglich bald untergehn; während die Eigenschaften, wie Roth, Hart, Weich, Lebendig, Pflanze, Pferd, Mensch, welche es sind, die jene Namen bezeichnen, davon unangefochten fortbestehn und demzufolge allezeit dasind; so finden wir, daß diese Eigenschaften, welche eben durch Gemeinbegriffe, deren Bezeichnung jene Namen sind, gedacht werden, kraft ihrer unvertilgbaren Existenz, viel mehr Realität haben; daß mithin diese den Begriffen, nicht den Einzelwesen, beizulegen sei: demnach hat der Realismus Recht.

      Der Nominalismus führt eigentlich zum Materialismus: denn, nach Aufhebung sämmtlicher Eigenschaften, bleibt am Ende nur die Materie übrig. Sind nun die Begriffe bloße Namen, die Einzeldinge aber das Reale; ihre Eigenschaften, als einzelne an ihnen, vergänglich; so bleibt als das Fortbestehende, mithin Reale, allein die Materie.

      Genau genommen nun aber kommt die oben dargelegte Berechtigung des Realismus eigentlich nicht ihm, sondern der Platonischen Ideenlehre zu, deren Erweiterung er ist. Die ewigen Formen und Eigenschaften der natürlichen Dinge, ειδη, sind es, welche unter allem Wechsel fortbestehn und denen daher eine Idealität höherer Art beizulegen ist, als den Individuen, in denen sie sich darstellen. Hingegen den bloßen, nicht anschaulich zu belegenden Abstraktis ist Dies nicht nachzurühmen: was ist z. B. Reales an solchen Begriffen wie Verhältniß, Unterschied, Sonderung, Nachtheil, Unbestimmtheit u. dgl. m.?

      Eine gewisse Verwandtschaft, oder wenigstens ein Parallelismus der Gegensätze, wird augenfällig, wenn man den Platon dem Aristoteles, den Augustinus dem Pelagius, die Realisten den Nominalisten gegenüberstellt. Man könnte behaupten, daß gewissermaaßen ein polares Auseinandertreten der menschlichen Denkweise hierin sich kund gäbe, – welches, höchst merkwürdigerweise, zum ersten Male und am entschiedensten sich in zwei sehr grossen Männern ausgesprochen hat, die zugleich und neben einander lebten.

      §. 11. Bako von Verulam.

      In einem anderen und specieller bestimmten Sinn, als der eben bezeichnete, war der ausdrückliche und absichtliche Gegensatz zum Aristoteles Bako von Verulam. Jener nämlich hatte zuvörderst die richtige Methode, um von allgemeinen Wahrheiten zu besondern zu gelangen, also den Weg abwärts, gründlich dargelegt: das ist die Syllogistik, das Organum Aristotelis. Dagegen zeigte Bako den Weg aufwärts, indem er die Methode, von besondern Wahrheiten zu allgemeinen zu gelangen, darlegte: dies ist die Induktion, im Gegensatz der Deduktion, und ihre Darstellung ist das novum organum, welcher Ausdruck, im Gegensatz zum Aristoteles gewählt, besagen soll: eine ganz andere Manier es anzugreifen. – Des Aristoteles, aber noch viel mehr der Aristoteliker Irrthum lag in der Voraussetzung, daß sie eigentlich schon alle Wahrheit besäßen, daß diese nämlich enthalten sei in ihren Axiomen, also in gewissen Sätzen a priori, oder die für solche gelten, und daß es, um die besonderen Wahrheiten zu gewinnen, bloß der Ableitung aus jenen bedürfe. Ein Aristotelisches Beispiel hievon gaben seine Bücher de coelo. Dagegen nun zeigte Bako mit Recht, daß jene Axiome solchen Gehalt gar nicht hätten, daß die Wahrheit noch gar nicht in dem damaligen System des menschlichen Wissens läge, vielmehr außerhalb, also nicht daraus zu entwickeln, sondern erst hineinzubringen wäre, und daß folglich erst durch Induktion allgemeine und wahre Sätze, von großem und reichem Inhalt, gewonnen werden müßten.

      Die Scholastiker, an der Hand des Aristoteles, dachten: wir wollen zuvörderst das Allgemeine feststellen: das Besondere wird daraus fließen, oder mag überhaupt nachher darunter Platz finden, wie es kann. Wir wollen demnach zuvörderst ausmachen, was dem ens, dem Dinge überhaupt zukomme: das den einzelnen Dingen Eigenthümliche mag nachher allmälig, allenfalls auch durch die Erfahrung, herangebracht werden: am Allgemeinen kann Das nie etwas ändern. – Bako dagegen sagte: wir wollen zuvörderst die einzelnen Dinge so vollständig, wie nur immer möglich, kennen lernen: dann werden wir zuletzt erkennen, was das Ding überhaupt sei.

      Inzwischen steht Bako dem Aristoteles darin nach, daß seine Methode zum Wege aufwärts keineswegs so regelrecht, sicher und unfehlbar ist, wie die des Aristoteles zum Wege abwärts. Ja, Bako selbst hat, bei seinen physikalischen Untersuchungen, die im neuen

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