Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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der Verschiedenheit der Köpfe gemäß, die eine vor der andern geeignet seyn, Diesem oder Jenem das rechte Verständniß jener sehr tiefen und deshalb schwierigen Lehre zu eröffnen. Folgendes ist ein abermaliger Versuch dieser Art, welcher auf Kants Tiefe meine Klarheit zu werfen unternimmt8.

      Der Mathematik liegen Anschauungen unter, auf welche ihre Beweise sich stützen: weil aber diese Anschauungen nicht empirisch, sondern a priori sind; so sind ihre Lehren apodiktisch. Die Philosophie hingegen hat, als das Gegebene, davon sie ausgeht und welches ihren Beweisen Nothwendigkeit (Apodikticität) ertheilen soll, bloße Begriffe. Denn auf der bloß empirischen Anschauung geradezu fußen, kann sie nicht; weil sie das Allgemeine der Dinge, nicht das Einzelne, zu erklären unternimmt, wobei ihre Absicht ist, über das empirisch Gegebene hinaus zu führen. Da bleiben ihr nun nichts, als die allgemeinen Begriffe, indem diese doch nicht das Anschauliche, rein Empirische, sind. Dergleichen Begriffe müssen also die Grundlage ihrer Lehren und Beweise abgeben, und von ihnen muß, als einem Vorhandenen und Gegebenen, ausgegangen werden. Demnach nun ist die Philosophie eine Wissenschaft aus bloßen Begriffen; während die Mathematik eine aus der Konstruktion (anschaulichen Darstellung) ihrer Begriffe ist. Genau genommen jedoch ist es nur die Beweisführung der Philosophie, welche von bloßen Begriffen ausgeht. Diese nämlich kann nicht, gleich der mathematischen, von einer Anschauung ausgehn; weil eine solche entweder die reine a priori, oder die empirische seyn müßte: die letztere giebt keine Apodikticität; die erstere liefert nur Mathematik. Will sie daher irgendwie ihre Lehren durch Beweisführung stützen; so muß diese bestehn in der richtigen logischen Folgerung aus den zum Grunde gelegten Begriffen. – Hiemit war es denn auch recht gut von Statten gegangen, die ganze lange Scholastik hindurch und selbst noch in der von Kartesius begründeten neuen Epoche; so daß wir noch den Spinoza und Leibnitzen diese Methode befolgen sehn. Endlich aber war es dem Locke eingefallen, den Ursprung der Begriffe zu untersuchen, und da war das Resultat gewesen, daß alle Allgemein-Begriffe, so weit gefaßt sie auch seyn mögen, aus der Erfahrung, d. h. aus der vorliegenden, sinnlich anschaulichen, empirisch realen Welt, oder aber auch aus der innern Erfahrung, wie sie die empirische Selbstbeobachtung einem Jeden liefert, geschöpft sind, mithin ihren ganzen Inhalt nur von diesen Beiden haben, folglich auch nie mehr liefern können, als was äußere, oder innere Erfahrung hineingelegt hat. Hieraus hätte, der Strenge nach, schon geschlossen werden sollen, daß sie nie über die Erfahrung hinaus, d. h. nie zum Ziele führen können: allein Locke ging, mit den aus der Erfahrung geschöpften Grundsätzen, über die Erfahrung hinaus.

      Im weitergeführten Gegensatz zu den früheren und zur Berichtigung der Lockischen Lehre zeigte nun Kant, daß es zwar einige Begriffe gebe, die eine Ausnahme von obiger Regel machen, also nicht aus der Erfahrung stammen; aber zugleich auch, daß eben diese theils aus der reinen, d. i. a priori gegebenen Anschauung des Raumes und der Zeit geschöpft sind, theils die eigenthümlichen Funktionen unsers Verstandes selbst, zum Behuf der, beim Gebrauch, nach ihnen sich richtenden Erfahrung, ausmachen; daß mithin ihre Gültigkeit sich nur auf mögliche, und allemal durch die Sinne zu vermittelnde Erfahrung erstreckt, indem sie selbst bloß bestimmt sind, diese, mit sammt ihrem gesetzmäßigen Hergange, auf Anregung der Sinnesempfindung, in uns zu erzeugen; daß sie also, an sich selbst gehaltlos, allen Stoff und Gehalt allein von der Sinnlichkeit erwarten, um mit ihr alsdann die Erfahrung hervorzubringen, abgesehn von dieser aber keinen Inhalt, noch Bedeutung haben, indem sie nur unter Voraussetzung der auf Sinnesempfindung beruhenden Anschauung gültig sind und sich wesentlich auf diese bezieht. Hieraus nun folgt, daß sie nicht die Führer abgeben können, uns über alle Möglichkeit der Erfahrung hinaus zu leiten; und hieraus wieder, daß Metaphysik, als Wissenschaft von Dem, was jenseits der Natur, d. h. eben über die Möglichkeit der Erfahrung hinaus, liegt, unmöglich ist.

      Weil nun also der eine Bestandtheil der Erfahrung, nämlich der allgemeine, formelle und gesetzmäßige, a priori erkennbar ist, eben deshalb aber auf den wesentlichen und gesetzmäßigen Funktionen unsers eigenen Intellekts beruht; der andere hingegen, nämlich der besondere, materielle und zufällige, aus der Sinnesempfindung entspringt; so sind ja beide subjektiven Ursprungs. Hieraus folgt, daß die gesammte Erfahrung, nebst der in ihr sich darstellenden Welt, eine bloße Erscheinung, d. h. ein zunächst und unmittelbar nur für das es erkennende Subjekt Vorhandenes, ist: jedoch weist diese Erscheinung auf irgend ein ihr zum Grunde liegendes Ding an sich selbst hin, welches jedoch, als solches, schlechthin unerkennbar ist. – Dies sind nun die negativen Resultate der Kantischen Philosophie.

      Ich habe dabei zu erinnern, daß Kant thut, als ob wir bloß erkennende Wesen wären und also außer der Vorstellung durchaus kein Datum hätten; während wir doch allerdings noch ein anderes, in dem von jener toto genere verschiedenen Willen in uns, besitzen. Er hat diesen zwar auch in Betrachtung genommen, aber nicht in der theoretischen, sondern bloß in der bei ihm von dieser ganz gesonderten praktischen Philosophie, nämlich einzig und allein um die Thatsache der rein moralischen Bedeutsamkeit unsers Handelns festzustellen und darauf eine moralische Glaubenslehre, als Gegengewicht der theoretischen Unwissenheit, folglich auch Unmöglichkeit aller Theologie, welcher wir, laut Obigem, anheim fallen, zu gründen. —

      Kants Philosophie wird auch, zum Unterschiede und sogar im Gegensatz aller andern, als Transscendentalphilosophie, näher, als transscendentaler Idealismus, bezeichnet. Der Ausdruck transscendent ist nicht mathematischen, sondern philosophischen Ursprungs, da er schon den Scholastikern geläufig war. In die Mathematik wurde er allererst durch Leibnitz eingeführt, um zu bezeichnen quod Algebrae vires transscendit, also alle Operationen, welche zu vollziehn die gemeine Arithmetik und die Algebra nicht ausreichen, wie z. B. zu einer Zahl den Logarithmus, oder umgekehrt, zu finden; oder auch zu einem Bogen, rein arithmetisch, seine trigonometrischen Funktionen, oder umgekehrt; überhaupt alle Probleme, die nur durch einen ins Unendliche fortgesetzten Kalkul zu lösen sind. Die Scholastiker aber bezeichneten als transscendent die allerobersten Begriffe, nämlich solche, welche noch allgemeiner, als die zehn Kategorien des Aristoteles wären: noch Spinoza braucht das Wort in diesem Sinn. Jordanus Brunus (della causa etc. dial. 4.) nennt transscendent die Prädikate, welche allgemeiner sind, als der Unterschied der körperlichen und unkörperlichen Substanz, welche also der Substanz überhaupt zukommen: sie betreffen, nach ihm, jene gemeinschaftliche Wurzel, in der das Körperliche mit dem Unkörperlichen Eines sei, und welche die wahre, ursprüngliche Substanz ist, ja er sieht eben hierin einen Beweis, daß es eine solche geben müsse. Kant nun endlich versteht zuvörderst unter transscendental die Anerkennung des Apriorischen und daher bloß Formalen in unsrer Erkenntniß, als eines solchen; d. h. die Einsicht, daß dergleichen Erkenntniß von der Erfahrung unabhängig sei, ja, dieser selbst die unwandelbare Regel, nach der sie ausfallen muß, vorschreibe; verbunden mit dem Verständniß, warum solche Erkenntniß dies sei und vermöge; nämlich weil sie die Form unsers Intellekts ausmache; also in Folge ihres subjektiven Ursprungs: demnach ist eigentlich nur die Kritik der reinen Vernunft transscendental. Im Gegensatz hiezu nennt er transscendent den Gebrauch, oder vielmehr Mißbrauch, jenes rein Formalen in unsrer Erkenntniß über die Möglichkeit der Erfahrung hinaus: Dasselbe benennt er auch hyperphysisch. Demnach heißt, kurz gesagt, transscendental so viel, wie vor aller Erfahrung; transscendent hingegen über alle Erfahrung hinaus. Demgemäß läßt Kant die Metaphysik nur als Transscendentalphilosophie gelten, d. h. als die Lehre von dem in unserm erkennenden Bewußtseyn enthaltenen Formalen, als einem solchen, und von der dadurch herbeigeführten Beschränkung, vermöge welcher die Erkenntniß der Dinge an sich uns unmöglich ist, indem die Erfahrung nichts, als bloße Erscheinungen liefern kann. Das Wort metaphysisch ist jedoch bei ihm nicht ganz synonym mit transscendental: nämlich alles a priori Gewisse, aber die Erfahrung Betreffende heißt bei ihm metaphysisch; hingegen die Belehrung darüber, daß es eben nur wegen seines subjektiven Ursprungs und als rein Formales a priori gewiß sei, heißt allein transscendental. Transscendental ist die Philosophie, welche sich zum Bewußtseyn bringt, daß die ersten und wesentlichsten Gesetze dieser sich uns darstellenden Welt in unserm Gehirn wurzeln und dieserhalb a priori erkannt werden. Sie heißt transscendental, weil sie über die ganze gegebene Phantasmagorie hinausgeht,

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