Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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das objektive Wesen der Dinge, oder die von unserer Auffassung unabhängige Realität derselben, zwar soweit, als das Apriori in unserer Erkenntniß sich erstreckt; jedoch nicht weiter; weil eben der Grund zum Ableugnen nicht weiter reicht: was darüber hinausliegt lässt er demnach bestehn, also alle solche Eigenschaften der Dinge, welche sich nicht a priori konstruiren lassen. Denn keineswegs ist das ganze Wesen der gegebenen Erscheinungen, d. h. der Körperwelt, von uns a priori bestimmbar, sondern bloß die allgemeine Form ihrer Erscheinung ist es, und diese läßt sich zurückführen auf Raum, Zeit und Kausalität, nebst der gesammten Gesetzlichkeit dieser drei Formen. Hingegen das durch alle jene a priori vorhandenen Formen unbestimmt Gelassene, also das hinsichtlich auf sie Zufällige, ist eben die Manifestation des Dinges an sich selbst. Nun kann der empirische Gehalt der Erscheinungen, d. h. jede nähere Bestimmung derselben, jede in ihnen auftretende physische Qualität, nicht anders, als a posteriori erkannt werden: diese empirischen Eigenschaften (oder vielmehr die gemeinsame Quelle derselben) verbleiben sonach dem Dinge an sich selbst, als Aeußerungen seines selbsteigenen Wesens, durch das Medium aller jener apriorischen Formen hindurch. Dieses Aposteriori, welches, bei jeder Erscheinung, in das Apriori gleichsam eingehüllt, auftritt, aber doch jedem Wesen seinen speciellen und individuellen Charakter ertheilt, ist demnach der Stoff der Erscheinungswelt, im Gegensatz ihrer Form. Da nun dieser Stoff keineswegs aus den von Kant so sorgfältig nachgesuchten und, durch das Merkmal der Apriorität, sicher nachgewiesenen, am Subjekt haftenden Formen der Erscheinung abzuleiten ist, vielmehr nach Abzug alles aus diesen Fließenden noch übrig bleibt, also sich als ein zweites völlig distinktes Element der empirischen Erscheinung und als eine jenen Formen fremde Zuthat vorfindet; dabei aber auch andrerseits keineswegs von der Willkür des erkennenden Subjekts ausgeht, vielmehr dieser oft entgegensteht, so nahm Kant keinen Anstand, diesen Stoff der Erscheinung dem Dinge an sich selbst zu lassen, mithin als ganz von außen kommend anzusehn; weil er doch irgend woher kommen, oder, wie Kant sich ausdrückt, irgend einen Grund haben muß. Da wir nun aber solche allein a posteriori erkennbare Eigenschaften durchaus nicht isoliren und von den a priori gewissen getrennt und gereinigt auffassen können, sondern sie immer in diese gehüllt auftreten; so lehrt Kant, daß wir zwar das Daseyn der Dinge an sich, aber nichts darüber hinaus erkennen, also nur wissen, daß sie sind, aber nicht was sie sind; daher denn das Wesen der Dinge an sich bei ihm als eine unbekannte Größe, ein x, stehn bleibt. Denn die Form der Erscheinung bekleidet und verbirgt überall das Wesen des Dinges an sich selbst. Höchstens läßt sich noch Dieses sagen: da jene apriorischen Formen allen Dingen, als Erscheinungen, ohne Unterschied zukommen, indem sie von unserm Intellekt ausgehn; die Dinge dabei aber doch sehr bedeutende Unterschiede aufweisen; so ist Das, was diese Unterschiede, also die specifische Verschiedenheit der Dinge, bestimmt, das Ding an sich selbst.

      Die Sache so angesehn, scheint also Kants Annahme und Voraussetzung der Dinge an sich, ungeachtet der Subjektivität aller unserer Erkenntnißformen, ganz wohl befugt und gegründet. Dennoch weist sie sich als unhaltbar aus, wenn man jenes, ihr alleiniges Argument, nämlich den empirischen Gehalt in allen Erscheinungen, genau prüft und ihn bis zu seinem Ursprunge verfolgt. Allerdings nämlich ist in der empirischen Erkenntniß und deren Quelle, der anschaulichen Vorstellung, ein von ihrer, uns a priori bewußten Form unabhängiger Stoff vorhanden. Die nächste Frage ist, ob dieser Stoff objektiven, oder subjektiven Ursprungs sei; weil er nur im erstern Falle das Ding an sich verbürgen kann. Gehn wir ihm daher bis zu seinem Ursprunge nach; so finden wir diesen nirgends anders, als in unsrer Sinnesempfindung: denn eine auf der Netzhaut des Auges, oder im Gehörnerven, oder in den Fingerspitzen eintretende Veränderung ist es, welche die anschauliche Vorstellung einleitet, d. h. den ganzen Apparat unsrer a priori bereit liegenden Erkenntnißformen zuerst in dasjenige Spiel versetzt, dessen Resultat die Wahrnehmung eines äußerlichen Objekts ist. Auf jene empfundene Veränderung im Sinnesorgane nämlich wird zunächst, mittelst einer nothwendigen und unausbleiblichen Verstandesfunktion a priori, das Gesetz der Kausalität angewandt: dieses leitet, mit seiner apriorischen Sicherheit und Gewißheit, auf eine Ursache jener Veränderung, welche, da sie nicht in der Willkür des Subjekts steht, jetzt als ein ihm Aeußerliches sich darstellt, eine Eigenschaft, die ihre Bedeutung erst erhält mittelst der Form des Raumes, welche letztere aber ebenfalls der eigene Intellekt zu diesem Behuf alsbald hinzufügt, wodurch nun also jene nothwendig vorauszusetzende Ursache sich sofort anschaulich darstellt, als ein Objekt im Raume, welches die von ihr in unsern Sinnesorganen bewirkten Veränderungen als seine Eigenschaften an sich trägt. Diesen ganzen Hergang findet man ausführlich und gründlich dargelegt in meiner Abhandlung über den Satz vom Grunde §. 21. Nun aber ist ja doch die Sinnesempfindung, welche zu diesem Vorgange den Ausgangspunkt und unstreitig den ganzen Stoff zur empirischen Anschauung liefert, etwas ganz und gar Subjektives, und da nun sämmtliche Erkenntniß-Formen, mittelst welcher aus jenem Stoffe die objektive anschauliche Vorstellung entsteht und nach außen projicirt wird, Kants ganz richtiger Nachweisung zufolge, ebenfalls subjektiven Ursprungs sind; so ist klar, daß sowohl Stoff als Form der anschaulichen Vorstellung aus dem Subjekt entspringen. Hienach löst nun unsere ganze empirische Erkenntniß sich in zwei Bestandtheile auf, welche beide ihren Ursprung in uns selbst haben, nämlich die Sinnesempfindung und die a priori gegebenen, also in den Funktionen unsers Intellekts, oder Gehirns, gelegenen Formen, Zeit, Raum und Kausalität, denen übrigens Kant noch elf andere, von mir als überflüssig und unstatthaft nachgewiesene Kategorien des Verstandes hinzugefügt hatte. Demzufolge liefert die anschauliche Vorstellung und unsre, auf ihr beruhende, empirische Erkenntniß in Wahrheit keine Data zu Schlüssen auf Dinge an sich, und Kant war, nach seinen Prinzipien, nicht befugt, solche anzunehmen. Wie alle früheren, so hatte auch die Lockesche Philosophie das Gesetz der Kausalität als ein absolutes genommen und war dadurch berechtigt, von der Sinnesempfindung auf äußere, unabhängig von uns wirklich vorhandene Dinge zu schließen. Dieser Uebergang von der Wirkung zur Ursache ist jedoch der einzige Weg, um geradezu vom Innern und subjektiv Gegebenen zum Aeußern und objektiv Vorhandenen zu gelangen. Nachdem aber Kant das Gesetz der Kausalität der Erkenntnißform des Subjekts vindicirt hatte, stand ihm dieser Weg nicht mehr offen: auch hat er selbst oft genug davor gewarnt, von der Kategorie der Kausalität transscendenten, d. h. über die Erfahrung und ihre Möglichkeit hinausgehenden Gebrauch zu machen.

      In der That ist das Ding an sich auf diesem Wege nimmermehr zu erreichen, und überhaupt nicht auf dem der rein objektiven Erkenntniß, als welche immer Vorstellung bleibt, als solche aber im Subjekt wurzelt und nie etwas von der Vorstellung wirklich Verschiedenes liefern kann. Sondern nur dadurch kann man zum Dinge an sich gelangen, daß man ein Mal den Standpunkt verlegt, nämlich statt wie bisher immer nur von Dem auszugehn, was vorstellt, ein Mal ausgeht von Dem was vorgestellt wird. Dies ist Jedem aber nur bei einem einzigen Dinge möglich, als welches ihm auch von innen zugänglich und dadurch ihm auf zweifache Weise gegeben ist: es ist sein eigener Leib, der, in der objektiven Welt, eben auch als Vorstellung im Raume dasteht, zugleich aber sich dem eigenen Selbstbewußtseyn als Wille kund giebt. Dadurch aber liefert er den Schlüssel aus, zunächst zum Verständniß aller seiner durch äußere Ursachen (hier Motive) hervorgerufenen Aktionen und Bewegungen, als welche, ohne diese innere und unmittelbare Einsicht in ihr Wesen, uns eben so unverständlich und unerklärbar bleiben würden, wie die nach Naturgesetzen und als Aeußerungen der Naturkräfte eintretenden Veränderungen der uns in objektiver Anschauung allein gegebenen übrigen Körper; und sodann zu dem des bleibenden Substrats aller dieser Aktionen, in welchem die Kräfte zu denselben wurzeln, – also dem Leibe selbst. Diese unmittelbare Erkenntniß, welche Jeder vom Wesen seiner eigenen, ihm außerdem ebenfalls nur in der objektiven Anschauung, gleich allen andern, gegebenen Erscheinung hat, muß nachher auf die übrigen, in letzterer Weise allein gegebenen Erscheinungen analogisch übertragen werden, und wird alsdann der Schlüssel zur Erkenntniß des innern Wesens der Dinge, d. h. der Dinge an sich selbst. Zu dieser also kann man nur gelangen auf einem, von der rein objektiven Erkenntniß, welche bloße Vorstellung bleibt, ganz verschiedenen Wege, indem man nämlich das Selbstbewußtseyn des immer nur als animalisches Individuum auftretenden Subjekts der Erkenntniß zu Hülfe nimmt und es zum Ausleger des Bewußtseyns andrer Dinge, d. i. des anschauenden Intellekts macht. Dies ist der Weg, den ich gegangen bin, und

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