Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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mit dem Wesen der Sache, glaubte mit jener auch dieses widerlegt, hielt was im Grunde nur argumenta ad hominem waren für argumenta ad rem, und erklärte demnach, in Folge jener Schultzischen Angriffe, Kants Philosophie für unhaltbar. – Dadurch ward nunmehr das Feld für die Sophisten und Windbeutel frei. Als der erste dieser Art stellte sich Fichte ein, der, da das Ding an sich eben in Mißkredit gekommen war, flugs ein System ohne alles Ding an sich verfertigte, mithin die Annahme von irgend etwas, das nicht durch und durch bloß unsere Vorstellung wäre, verwarf, also das erkennende Subjekt Alles in Allem seyn, oder doch aus eigenen Mitteln Alles hervorbringen ließ. Zu diesem Zweck hob er sogleich das Wesentliche und Verdienstlichste der Kantischen Lehre, die Unterscheidung des Apriori vom Aposteriori, und dadurch der Erscheinung vom Ding an sich, auf, indem er alles für Apriori erklärte, natürlich ohne Beweise für solche monstrose Behauptung: statt derer gab er theils sophistische, ja, sogar aberwitzige Scheindemonstrationen, deren Absurdität sich unter der Larve des Tiefsinns und der angeblich aus diesem entsprungenen Unverständlichkeit verbarg; theils berief er sich, frank und frech, auf intellektuale Anschauung, d. h. eigentlich auf Inspiration. Für ein aller Urtheilskraft ermangelndes, Kants unwürdiges Publikum, reichte das freilich aus: dieses hielt Ueberbieten für Uebertreffen und erklärte sonach Fichten für einen noch viel größern Philosophen als Kant. Ja, noch bis auf den heutigen Tag fehlt es nicht an philosophischen Schriftstellern, die jenen traditionell gewordenen falschen Ruhm Fichte’s auch der neuen Generation aufzubinden bemüht sind und ganz ernsthaft versichern, was Kant bloß versucht habe, das wäre durch den Fichte zu Stande gebracht: er sei eigentlich der Rechte. Diese Herren legen durch ihr Midas-Urtheil in zweiter Instanz ihre gänzliche Unfähigkeit, Kanten irgend zu verstehn, ja, überhaupt ihren deplorabeln Unverstand so palpabel deutlich an den Tag, daß hoffentlich das heranwachsende, endlich entäuschte Geschlecht sich hüten wird, mit ihren zahlreichen Geschichten der Philosophie und sonstigen Schreibereien Zeit und Kopf zu verderben. – Bei dieser Gelegenheit will ich eine kleine Schrift ins Andenken zurückrufen, aus der man ersehen kann, welchen Eindruck Fichte’s persönliche Erscheinung und Treiben auf unbefangene Zeitgenossen machte: sie heißt Kabinet Berliner Charaktere und ist 1808, ohne Druckort erschienen: sie soll von Buchholz seyn; worüber ich jedoch keine Gewißheit habe. Man vergleiche damit, was der Jurist Anselm von Feuerbach, in seinen 1852 von seinem Sohne herausgegebenen Briefen, über Fichte sagt; desgleichen auch Schiller’s und Fichte’s Briefwechsel, 1847; und man wird eine richtigere Vorstellung von diesem Scheinphilosophen erhalten11.

      Bald trat, seines Vorgängers würdig, Schelling in Fichte’s Fußstapfen, die er jedoch verließ, um seine eigene Erfindung, die absolute Identität des Subjektiven und Objektiven, oder Idealen und Realen, zu verkündigen, welche darauf hinausläuft, daß Alles, was seltene Geister, wie Locke und Kant, mit unglaublichem Aufwand von Scharfsinn und Nachdenken gesondert hatten, nur wieder zusammenzugießen sei in den Brei jener absoluten Identität. Denn die Lehre dieser beiden Denker läßt sich ganz passend bezeichnen als die von der absoluten Diversität des Idealen und Realen, oder Subjektiven und Objektiven. Jetzt aber ging es weiter von Verirrungen zu Verirrungen. War ein Mal durch Fichten die Unverständlichkeit der Rede eingeführt und der Schein des Tiefsinns an die Stelle des Denkens gesetzt; so war der Saame gestreut, dem eine Korruption nach der andern und endlich die in unsern Tagen aufgegangene, gänzliche Demoralisation der Philosophie, und durch sie der ganzen Litteratur, entsprießen sollte.

      Auf Schelling folgte jetzt schon eine philosophische Ministerkreatur, der, in politischer, obendrein mit einem Fehlgriff bedienter Absicht, von oben herunter zum großen Philosophen gestempelte Hegel, ein platter, geistloser, ekelhaft-widerlicher, unwissender Scharlatan, der, mit beispielloser Frechheit, Aberwitz und Unsinn zusammenschmierte, welche von seinen feilen Anhängern als unsterbliche Weisheit ausposaunt und von Dummköpfen richtig dafür genommen wurden, wodurch ein so vollständiger Chorus der Bewundrung entstand, wie man ihn nie zuvor vernommen hatte12. Die einem solchen Menschen gewaltsam verschaffte, ausgebreitete geistige Wirksamkeit hat den intellektuellen Verderb einer ganzen gelehrten Generation zur Folge gehabt. Der Bewunderer jener Afterphilosophie wartet der Hohn der Nachwelt, dem jetzt schon der Spott der Nachbarn, lieblich zu hören, präludirt; – oder sollte es meinen Ohren nicht wohlklingen, wenn die Nation, deren gelehrte Kaste meine Leistungen, dreißig Jahre hindurch, für nichts und weniger als nichts, für keines Blickes würdig, geachtet hat, – von den Nachbarn den Ruhm erhält, das ganz Schlechte, das Absurde, das Unsinnige und dabei materiellen Absichten Dienende, als höchste und unerhörte Weisheit 30 Jahre lang verehrt, ja vergöttert zu haben? Ich soll wohl auch, als ein guter Patriot, mich im Lobe der Deutschen und des Deutschthums ergehn, und mich freuen, dieser und keiner andern Nation angehört zu haben? Allein es ist, wie das Spanische Sprichwort sagt: cada uno cuenta de la feria, oomo le va en ella. (Jeder berichtet von der Messe, je nachdem es ihm darauf ergangen.) Geht zu den Demokolaken und laßt euch loben. Tüchtige, plumpe, von Ministern aufgepuffte, brav Unsinn schmierende Scharlatane, ohne Geist und ohne Verdienst, Das ist’s, was den Deutschen gehört; nicht Männer wie ich. – Dies ist das Zeugniß, welches ich ihnen, beim Abschiede, zu geben habe. Wieland (Briefe an Merck S. 239) nennt es ein Unglück, als ein Deutscher geboren zu seyn: Bürger, Mozart, Beethoven u. A. m. würden ihm beigestimmt haben: ich auch. Es beruht darauf, daß σοφον ειναι δει τον επιγνωσομενον τον σεφον, oder il n’y a que l’esprit qui sente l’esprit13.

      Zu den glänzendesten und verdienstlichsten Seiten der Kantischen Philosophie gehört unstreitig die transscendentale Dialektik, durch welche er die spekulative Theologie und Psychologie dermaaßen aus dem Fundament gehoben hat, daß man seitdem, auch mit dem besten Willen, nicht im Stande gewesen ist, sie wieder aufzurichten. Welche Wohlthat für den menschlichen Geist! Oder sehn wir nicht, während der ganzen Periode, seit dem Wiederaufleben der Wissenschaften bis zu ihm, die Gedanken selbst der größten Männer eine schiefe Richtung annehmen, ja, oft sich völlig verrenken, in Folge jener beiden, den ganzen Geist lähmenden, aller Untersuchung erst entzogenen und danach ihr abgestorbenen, schlechterdings unantastbaren Voraussetzungen? Werden uns nicht die ersten und wesentlichsten Grundansichten unserer selbst und aller Dinge verschroben und verfälscht, wenn wir mit der Voraussetzung daran gehn, daß das Alles von außen, nach Begriffen und durchdachten Absichten, durch ein persönliches, mithin individuelles Wesen hervorgebracht und eingerichtet sei? imgleichen, daß das Grundwesen des Menschen ein Denkendes wäre und er aus zwei gänzlich heterogenen Theilen bestehe, die zusammengekommen und zusammengelöthet wären, ohne zu wissen, wie, und nun mit einander fertig zu werden hätten, so gut es gehn wollte, um bald wieder nolentes volentes sich auf immer zu trennen? Wie stark Kants Kritik dieser Vorstellungen und ihrer Gründe auf alle Wissenschaften eingewirkt habe, ist daraus ersichtlich, daß seitdem, wenigstens in der höhern deutschen Litteratur, jene Voraussetzungen allenfalls nur noch in einem figürlichen Sinne vorkommen, aber nicht mehr ernstlich gemacht werden: sondern man überläßt sie den Schriften für das Volk und den Philosophieprofessoren, die damit ihr Brod verdienen. Namentlich halten unsere naturwissenschaftlichen Werke sich von dergleichen rein, während hingegen die englischen, durch dahin zielende Redensarten und Diatriben, oder durch Apologien, sich in unsern Augen herabsetzen14. Noch dicht vor Kant freilich stand es in dieser Hinsicht ganz anders: so sehn wir z. B. selbst den eminenten Lichtenberg, dessen Jugendbildung noch vorkantisch war, in seinem Aufsatz über Physiognomik, ernsthaft und mit Ueberzeugung jenen Gegensatz von Seele und Leib festhalten und dadurch seine Sache verderben. Wer diesen hohen Werth der transscendentalen Dialektik erwägt, wird es nicht überflüssig finden, daß ich hier etwas specieller auf dieselbe eingehe. Zunächst lege ich daher Kennern und Liebhabern der Vernunftkritik folgenden Versuch vor, in der Kritik der rationalen Psychologie, wie sie allein in der ersten Ausgabe vollständig vorliegt, – während sie in den folgenden kastrirt auftritt, – das Argument, welches daselbst S. 361 fg. unter dem Titel Paralogismus der Personalität kritisirt wird, ganz anders zu fassen und demnach zu kritisiren. Denn Kants allerdings tiefsinnige Darstellung desselben ist nicht nur überaus subtil und schwer verständlich, sondern ihr ist auch vorzuwerfen, daß sie den Gegenstand des Selbstbewußtseyns

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