Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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re eget ad existendum: dieser so etablirten Welt ertheilt er sodann, honoris causa, den Titel Deus, – um alle Leute zufrieden zu stellen. Es ist aber eben noch immer derselbe tour de passepasse, der das logisch Nothwendige für ein real Nothwendiges uns in die Hände spielen will, und der, nebst andern ähnlichen Täuschungen, endlich Anlaß gab zu Locke’s großer Untersuchung des Ursprunges der Begriffe, mit welcher nunmehr der Grund zur kritischen Philosophie gelegt war. Eine speciellere Darstellung des Verfahrens jener beiden Dogmatiker enthält meine Abhandlung über den Satz vom Grunde, in der 2. (und 3.) Auflage, §§. 7 und 8.

      Nachdem nun Kant, durch seine Kritik der spekulativen Theologie, dieser den Todesstoß gegeben hatte,16 mußte er den Eindruck hievon zu mildern suchen, also ein Besänftigungsmittel, als Anodynon, darauf legen; analog dem Verfahren Hume’s, der, im letzten seiner so lesenswerthen, wie unerbittlichen Dialogues on natural religion, uns eröffnet, das Alles wäre nur Spaaß gewesen, ein bloßes exercitium logicum. Dem also entsprechend gab Kant, als Surrogat der Beweise des Daseyns Gottes, sein Postulat der praktischen Vernunft und die daraus entstehende Moraltheologie, welche, ohne allen Anspruch auf objektive Gültigkeit für das Wissen, oder die theoretische Vernunft, volle Gültigkeit in Beziehung auf das Handeln, oder für die praktische Vernunft, haben sollte, wodurch denn ein Glauben ohne Wissen begründet wurde, – damit die Leute doch nur etwas in die Hand kriegten. Seine Darstellung, wenn wohl verstanden, besagt nichts Anderes, als daß die Annahme eines nach dem Tode vergeltenden, gerechten Gottes ein brauchbares und ausreichendes regulatives Schema sei, zum Behuf der Auslegung der gefühlten, ernsten, ethischen Bedeutsamkeit unsers Handelns, wie auch der Leitung dieses Handelns selbst; also gewissermaaßen eine Allegorie der Wahrheit, so daß, in dieser Hinsicht, auf welche allein es doch zuletzt ankommt, jene Annahme die Stelle der Wahrheit vertreten könne, wenn sie auch theoretisch, oder objektiv, nicht zu rechtfertigen sei. – Ein analoges Schema, von gleicher Tendenz, aber viel größerm Wahrheitsgehalt, stärkerer Plausibilität und demnach unmittelbarerem Werth, ist das Dogma des Brahmanismus von der vergeltenden Metempsychose, wonach wir in der Gestalt eines jeden von uns verletzten Wesens einst müssen wiedergeboren werden, um alsdann die selbe Verletzung zu erleiden. – Im angegebenen Sinne also hat man Kants Moraltheologie zu nehmen, indem man dabei berücksichtigt, daß er selbst nicht so unumwunden, wie hier geschieht, über das eigentliche Sachverhältniß sich ausdrücken durfte, sondern, indem er das Monstrum einer theoretischen Lehre von bloß praktischer Gültigkeit aufstellte, bei den Klügeren auf das granum salis gerechnet hat. Die theologischen und philosophischen Schriftsteller dieser letzteren, der Kantischen Philosophie entfremdeten Zeit haben daher meistens gesucht, der Sache das Ansehn zu geben, als sei Kants Moraltheologie ein wirklicher dogmatischer Theismus, ein neuer Beweis des Daseyns Gottes. Das ist sie aber durchaus nicht; sondern sie gilt ganz allein innerhalb der Moral, bloß zum Behuf der Moral und kein Strohbreit weiter.

      Auch ließen nicht ein Mal die Philosophieprofessoren sich lange daran genügen; obwohl sie durch Kants Kritik der spekulativen Theologie in bedeutende Verlegenheit gesetzt waren. Denn von Alters her hatten sie ihren speciellen Beruf darin erkannt, das Daseyn und die Eigenschaften Gottes darzulegen und ihn zum Hauptgegenstand ihres Philosophirens zu machen; daher, wenn die Schrift lehrt, daß Gott die Raben auf dem Felde ernährt, ich hinzusetzen muß: und die Philosophieprofessoren auf ihren Kathedern. Ja, sogar noch heutigen Tages versichern sie ganz dreist, das Absolutum (bekanntlich der neumodische Titel für den lieben Gott) und dessen Verhältniß zur Welt sei das eigentliche Thema der Philosophie, und dieses näher zu bestimmen, auszumalen und durchzuphantasiren sind sie nach wie vor beschäftigt. Denn allerdings möchten die Regierungen, welche für ein dergleichen Philosophiren Geld hergeben, aus den philosophischen Hörsälen auch gute Christen und fleißige Kirchengänger hervorgehn sehn. Wie mußte also den Herren von der lukrativen Philosophie zu Muthe werden, als, durch den Beweis, daß alle Beweise der spekulativen Theologie unhaltbar und daß alle, ihr auserwähltes Thema betreffenden Erkenntnisse unserm Intellekt schlechterdings unzugänglich seien, Kant ihnen das Koncept so sehr weit verrückt hatte? Sie hatten sich anfänglich durch ihr bekanntes Hausmittel, das Ignoriren, dann aber durch Bestreiten zu helfen gesucht: aber das hielt auf die Länge nicht Stich. Da haben sie denn sich auf die Behauptung geworfen, das Daseyn Gottes sei zwar keines Beweises fähig, bedürfe aber auch desselben nicht; denn es verstände sich von selbst, wäre die ausgemachteste Sache von der Welt, wir könnten es gar nicht bezweifeln, wir hätten ein Gottesbewußtseyn, unsre Vernunft wäre das Organ für unmittelbare Erkenntnisse von überweltlichen Dingen, die Belehrung über diese würde unmittelbar von ihr vernommen, und darum eben heiße sie Vernunft! (Ich bitte freundlichst, hier meine Abhandlung über den Satz vom Grunde in der 2. [und 3.] Aufl. §. 34, desgleichen meine Grundprobleme der Ethik S. 148—154 [2. Aufl. S. 146—151], endlich auch meine Kritik der Kantischen Philosophie, 2. Aufl. S. 584—585, 3. Aufl. S. 617 bis 618 nachzusehn.) Von der Genesis dieses Gottesbewußtseyns haben wir kürzlich eine, in dieser Hinsicht merkwürdige bildliche Darstellung erhalten, nämlich einen Kupferstich, der uns eine Mutter zeigt, die ihr dreijähriges, mit gefalteten Händen auf dem Bette knieendes Kind zum Beten abrichtet; gewiß ein häufiger Vorgang, der eben die Genesis des Gottesbewußtseyns ausmacht; denn es ist nicht zu bezweifeln, daß nachdem, im zartesten Alter, das im ersten Wachsthum begriffene Gehirn so zugerichtet worden, ihm das Gottesbewußtseyn so fest eingewachsen ist, als wäre es wirklich angeboren. – Nach Andern lieferte die Vernunft jedoch bloße Ahndungen; hingegen wieder Andere hatten gar intellektuale Anschauungen! Abermals Andere erfanden das absolute Denken, d. i. ein solches, bei welchem der Mensch sich nicht nach den Dingen umzusehn braucht, sondern, in göttlicher Allwissenheit, bestimmt, wie sie ein für alle Mal seien. Dies ist unstreitig die bequemste unter allen jenen Erfindungen. Sämmtlich aber griffen sie zum Wort Absolutum, welches eben nichts Anderes ist, als der kosmologische Beweis in nuce, oder vielmehr in einer so starken Zusammenziehung, daß er, mikroskopisch geworden, sich den Augen entzieht, so unerkannt durchschlüpft und nun für etwas sich von selbst Verstehendes ausgegeben wird: denn in seiner wahren Gestalt darf er, seit dem Kantischen examen rigorosum, sich nicht mehr blicken lassen; wie ich dies in der 2. Aufl. meiner Abhandlung über den Satz vom Grunde S. 36 fg. (3. Aufl. S. 37 fg.) und auch in meiner Kritik der Kantischen Philosophie, 2.Aufl. S. 544 (3. Aufl. S. 574) näher ausgeführt habe. Wer zuerst, vor ungefähr 50 Jahren, den Pfiff gebraucht habe, unter diesem alleinigen Wort Absolutum den explodirten und proskribirten kosmologischen Beweis incognito einzuschwärzen, weiß ich nicht mehr anzugeben: aber der Pfiff war den Fähigkeiten des Publikums richtig angemessen: denn bis auf den heutigen Tag kursirt Absolutum als baare Münze. Kurzum, es hat den Philosophieprofessoren, trotz der Kritik der Vernunft und ihren Beweisen, noch nie an authentischen Nachrichten vom Daseyn Gottes und seinem Verhältniß zur Welt gefehlt, in deren ausführlicher Mittheilung, nach ihnen, das Philosophiren ganz eigentlich bestehen soll. Allein, wie man sagt, kupfernes Geld, kupferne Waare, so ist dieser bei ihnen sich von selbst verstehende Gott eben auch danach: er hat weder Hand, noch Fuß. Darum halten sie mit ihm so hinterm Berge, oder vielmehr hinter einem schallenden Wortgebäude, daß man kaum einen Zipfel von ihm gewahr wird. Wenn man sie nur zwingen könnte, sich deutlich darüber zu erklären, was bei dem Worte Gott so eigentlich zu denken sei; dann würden wir sehn, ob er sich von selbst versteht. Nicht ein Mal eine natura naturans (in die ihr Gott oft überzugehn droht) versteht sich von selbst; da wir den Leukipp, Demokrit, Epikur und Lukrez ohne eine solche die Welt aufbauen sehn: diese Männer aber waren, bei allen ihren Irrthümern, immer noch mehr werth, als eine Legion Wetterfahnen, deren Erwerbs-Philosophie sich nach dem Winde dreht. Eine natura naturans wäre aber noch lange kein Gott. Im Begriffe derselben ist vielmehr bloß die Einsicht enthalten, daß hinter den so sehr vergänglichen und rastlos wechselnden Erscheinungen der natura naturata eine unvergängliche und unermüdliche Kraft verborgen liegen müsse, vermöge deren jene sich stets erneuerten, indem vom Untergange derselben sie selbst nicht mitgetroffen würde. Wie die natura naturata der Gegenstand der Physik ist, so die natura naturans der der Metaphysik. Diese wird zuletzt uns darauf führen, daß auch wir selbst zur Natur gehören, und folglich sowohl von natura naturata

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