Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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Da sodann die ernste und genaue Reflexion auf uns selbst uns als den Kern unsres Wesens den Willen erkennen läßt; so haben wir daran eine unmittelbare Offenbarung der natura naturans, die wir danach auf alle übrigen, uns nur einseitig bekannten Wesen zu übertragen befugt sind. So gelangen wir dann zu der großen Wahrheit, daß die natura naturans, oder das Ding an sich, der Wille in unserm Herzen; die natura naturata aber, oder die Erscheinung, die Vorstellung in unserm Kopfe ist. Von diesem Resultate jedoch auch abgesehn, ist so viel offenbar, daß die bloße Unterscheidung einer natura naturans und naturata noch lange kein Theismus, ja noch nicht ein Mal Pantheismus ist; da zu diesem (wenn er nicht bloße Redensart seyn soll) die Hinzufügung gewisser moralischer Eigenschaften erfordert wäre, die der Welt offenbar nicht zukommen, z. B. Güte, Weisheit, Glücksäligkeit u. s. w. Ueberdies ist Pantheismus ein sich selbst aufhebender Begriff; weil der Begriff eines Gottes eine von ihm verschiedene Welt, als wesentliches Korrelat desselben, voraussetzt. Soll hingegen die Welt selbst seine Rolle übernehmen; so bleibt eben eine absolute Welt, ohne Gott; daher Pantheismus nur eine Euphemie für Atheismus ist. Dieser letztere Ausdruck aber enthält seinerseits eine Erschleichung, indem er vorweg annimmt, der Theismus verstehe sich von selbst, wodurch er das affirmanti incumbit probatio schlau umgeht; während vielmehr der sogenannte Atheismus das jus primi occupantis hat und erst vom Theismus aus dem Felde geschlagen werden muß. Ich erlaube mir hiezu die Bemerkung, daß die Menschen unbeschnitten, folglich nicht als Juden auf die Welt kommen. – Aber sogar auch die Annahme irgend einer von der Welt verschiedenen Ursache derselben ist noch kein Theismus. Dieser verlangt nicht nur eine von der Welt verschiedene, sondern eine intelligente, d. h. erkennende und wollende, also persönliche, mithin auch individuelle Weltursache: eine solche ist es ganz allein, die das Wort Gott bezeichnet. Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein mißbrauchtes Wort, ein Unbegriff, eine contradictio in adjecto, ein Schiboleth für Philosophieprofessoren, welche, nachdem sie die Sache haben aufgeben müssen, mit dem Worte durchzuschleichen bemüht sind. Andrerseits nun aber ist die Persönlichkeit, d. h. die selbstbewußte Individualität, welche erst erkennt und dann dem Erkannten gemäß will, ein Phänomen, welches uns ganz allein aus der, auf unserm kleinen Planeten vorhandenen, animalischen Natur bekannt und mit dieser so innig verknüpft ist, daß es von ihr getrennt und unabhängig zu denken, wir nicht nur nicht befugt, sondern auch nicht ein Mal fähig sind. Ein Wesen solcher Art nun aber als den Ursprung der Natur selbst, ja, alles Daseyns überhaupt anzunehmen, ist ein kolossaler und überaus kühner Gedanke, über den wir erstaunen würden, wenn wir ihn zum ersten Male vernähmen und er nicht, durch die frühzeitigste Einprägung und beständige Wiederholung, uns geläufig, ja, zur zweiten Natur, fast möchte ich sagen, zur fixen Idee geworden wäre. Daher sei es beiläufig erwähnt, daß nichts mir die Aechtheit des Kaspar Hauser so sehr beglaubigt hat, als die Angabe, daß die ihm vorgetragene, sogenannte natürliche Theologie ihm nicht sonderlich hat einleuchten wollen, wie man es doch erwartet hatte; wozu noch kommt, daß er (nach dem Briefe des Grafen Stanhope an den Schullehrer Meyer) eine sonderbare Ehrfurcht vor der Sonne bezeugte. – Nun aber in der Philosophie zu lehren, jener theologische Grundgedanke verstände sich von selbst und die Vernunft wäre eben nur die Fähigkeit, denselben unmittelbar zu fassen und als wahr zu erkennen, ist ein unverschämtes Vorgehen. Nicht nur darf in der Philosophie ein solcher Gedanke nicht ohne den vollgültigsten Beweis angenommen werden, sondern sogar der Religion ist er durchaus nicht wesentlich: Dies bezeugt die auf Erden am zahlreichsten vertretene Religion, der uralte, jetzt 370 Millionen Anhänger zählende, höchst moralische, ja asketische, sogar auch den zahlreichsten Klerus ernährende Buddhaismus, indem er einen solchen Gedanken nicht zuläßt, vielmehr ihn ausdrücklich perhorrescirt, und recht ex professo, nach unserm Ausdruck, atheistisch ist17.

      Dem Obigen zufolge ist der Anthropomorphismus eine dem Theismus durchaus wesentliche Eigenschaft, und zwar besteht derselbe nicht etwan bloß in der menschlichen Gestalt, selbst nicht allein in den menschlichen Affekten und Leidenschaften; sondern in dem Grundphänomen selbst, nämlich in dem eines, zu seiner Leitung, mit einem Intellekt ausgerüsteten Willens, welches Phänomen uns, wie gesagt, bloß aus der animalischen Natur, am vollkommensten aus der menschlichen, bekannt ist und sich allein als Individualität, die, wenn sie eine vernünftige ist, Persönlichkeit heißt, denken läßt. Dies bestätigt auch der Ausdruck so wahr Gott lebt: er ist eben ein Lebendes, d. h. mit Erkenntniß Wollendes. Sogar gehört eben deshalb zu einem Gotte auch ein Himmel, darin er thront und regiert. Viel mehr dieserhalb, als wegen der Redensart im Buche Josua, wurde das Kopernikanische Weltsystem von der Kirche sogleich mit Ingrimm empfangen, und wir finden, dem entsprechend, 100 Jahre später den Jordanus Brunus als Verfechter jenes Systems und des Pantheismus zugleich. Die Versuche, den Theismus vom Anthropomorphismus zu reinigen, greifen, indem sie nur an der Schaale zu arbeiten wähnen, geradezu sein innerstes Wesen an: durch ihr Bemühen, seinen Gegenstand abstrakt zu fassen, sublimiren sie ihn zu einer undeutlichen Nebelgestalt, deren Umriß, unter dem Streben die menschliche Figur zu vermeiden, allmälig ganz verfließt; wodurch denn der kindliche Grundgedanke selbst endlich zu nichts verflüchtigt wird. Den rationalistischen Theologen aber, denen dergleichen Versuche eigenthümlich sind, kann man überdies vorwerfen, daß sie geradezu mit der heiligen Urkunde in Widerspruch treten, welche sagt: Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde: zum Bilde Gottes schuf er ihn. Also weg mit dem Philosophieprofessoren-Jargon! Es giebt keinen andern Gott, als Gott, und das A. T. ist seine Offenbarung: besonders im Buche Josua. Dem Gott, der ursprünglich Jehovah war, haben Philosophen und Theologen eine Hülle nach der andern ausgezogen, bis am Ende nichts, als das Wort, übrig geblieben ist.

      In einem gewissen Sinne könnte man allerdings, mit Kant, den Theismus ein praktisches Postulat nennen, jedoch in einem ganz andern, als den er gemeint hat. Der Theismus nämlich ist in der That kein Erzeugniß der Erkenntniß, sondern des Willens. Wenn er ursprünglich theoretisch wäre, wie könnten denn alle seine Beweise so unhaltbar seyn? Aus dem Willen aber entspringt er folgendermaaßen. Die beständige Noth, welche das Herz (Willen) des Menschen bald schwer beängstigt, bald heftig bewegt und ihn fortwährend im Zustande des Fürchtens und Hoffens erhält, während die Dinge, von denen er hofft und fürchtet, nicht in seiner Gewalt stehn, ja, der Zusammenhang der Kausalketten, an denen solche herbeigeführt werden, nur eine kurze Spanne weit von seiner Erkenntniß erreicht werden kann; – diese Noth, dies stete Fürchten und Hoffen, bringt ihn dahin, daß er die Hypostase persönlicher Wesen macht, von denen Alles abhienge. Von solchen nun läßt sich voraussehen, daß sie, gleich andern Personen, für Bitte und Schmeichelei, Dienst und Gabe, empfänglich, also traktabler seyn werden, als die starre Nothwendigkeit, die unerbittlichen, gefühllosen Naturkräfte und die dunklen Mächte des Weltlaufs. Sind nun Anfangs, wie es natürlich ist und die Alten es sehr zweckmäßig durchgeführt hatten, dieser Götter, nach Verschiedenheit der Angelegenheiten, mehrere; so werden sie später, durch das Bedürfniß, Konsequenz, Ordnung und Einheit in die Erkenntniß zu bringen, Einem unterworfen, oder gar auf Einen reducirt werden, – der nun freilich, wie mir Goethe ein Mal bemerkt hat, sehr undramatisch ist; weil mit Einer Person sich nichts anfangen läßt. Das Wesentliche jedoch ist der Drang des geängsteten Menschen, sich niederzuwerfen und Hülfe anzuflehen, in seiner häufigen, kläglichen und großen Noth und auch hinsichtlich seiner ewigen Seeligkeit. Der Mensch verläßt sich lieber auf fremde Gnade, als auf eignes Verdienst: Dies ist eine Hauptstütze des Theismus. Damit also sein Herz (Wille) die Erleichterung des Betens und den Trost des Hoffens habe, muß sein Intellekt ihm einen Gott schaffen; nicht aber umgekehrt, weil sein Intellekt auf einen Gott logisch geschlossen hat, betet er. Laßt ihn ohne Noth, Wünsche und Bedürfnisse seyn, etwan ein bloß intellektuelles, willenloses Wesen; so braucht er keinen Gott und macht auch keinen. Das Herz, d. i. der Wille, hat in seiner schweren Bedrängniß das Bedürfniß, allmächtigen, folglich übernatürlichen Beistand anzurufen; weil also gebetet werden soll, wird ein Gott hypostasirt; nicht umgekehrt. Daher ist das Theoretische der Theologie aller Völker sehr verschieden, an Zahl und Beschaffenheit der Götter: aber daß sie helfen können und es thun, wenn man ihnen dient und sie anbetet, – Dies haben sie alle gemein; weil es der Punkt ist, darauf es ankommt. Zugleich aber ist Dieses das Muttermal, woran man die Abkunft aller Theologie erkennt, nämlich, daß sie aus

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