Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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auch, daß der wahre Grund, weshalb Konstantin der Große und eben so Chlodowig der Frankenkönig ihre Religion gewechselt haben, dieser war, daß sie von dem neuen Gott bessere Unterstützung im Kriege hofften. Einige wenige Völker giebt es, welche, gleichsam das Moll dem Dur vorziehend, statt der Götter, bloß böse Geister haben, von denen durch Opfer und Gebete erlangt wird, daß sie nicht schaden. Im Resultat ist, der Hauptsache nach, kein großer Unterschied. Dergleichen Völker scheinen auch die Urbewohner der Indischen Halbinseln und Ceylons, vor Einführung des Brahmanismus und Buddhaismus, gewesen zu seyn, und deren Abkömmlinge sollen zum Theil noch eine solche kakodämonologische Religion haben; wie auch manche wilde Völker. Daher stammt auch der dem Cingalesischen Buddhaismus beigemischte Kappuismus. Imgleichen gehören hieher die von Layard besuchten Teufelsanbeter in Mesopotamien. – Mit dem dargelegten wahren Ursprung alles Theismus genau verwandt und ebenso aus der Natur des Menschen hervorgehend ist der Drang seinen Göttern Opfer zu bringen, um ihre Gunst zu erkaufen, oder, wenn sie solche schon bewiesen haben, die Fortdauer derselben zu sichern, oder ein Uebel ihnen abzukaufen. (S. Sanchoniathonis fragmenta, ed. 0relli, Lips. 1826. p. 42.) Dies ist der Sinn jedes Opfers und eben dadurch der Ursprung und die Stütze des Daseyns aller Götter; so daß man mit Wahrheit sagen kann, die Götter lebten vom Opfer. Denn eben weil der Drang, den Beistand übernatürlicher Wesen anzurufen und zu erkaufen, wiewohl ein Kind der Noth und der intellektuellen Beschränktheit, dem Menschen natürlich und seine Befriedigung ein Bedürfniß ist, schafft er sich Götter. Daher die Allgemeinheit des Opfers, in allen Zeitaltern und bei den allerverschiedensten Völkern, und die Identität der Sache, beim größten Unterschiede der Verhältnisse und Bildungsstufe. So z. B. erzählt Herodot (IV, 152), daß ein Schiff aus Samos, durch den überaus vortheilhaften Verkauf seiner Ladung in Tartessos einen unerhört großen Gewinn gehabt habe, worauf diese Samier den zehnten Theil desselben, der sechs Talente betrug, auf eine große eherne und sehr kunstvoll gearbeitete Vase verwandt und solche der Here in ihrem Tempel geschenkt haben. Und als Gegenstück zu diesen Griechen sehn wir, in unsern Tagen, den armsäligen, zur Zwerggestalt eingeschrumpften, nomadisirenden Rennthierlappen sein erübrigtes Geld an verschiedenen heimlichen Stellen der Felsen und Schlüchte verstecken, die er keinem bekannt macht, als nur in der Todesstunde seinem Erben, – bis auf eine, die er auch diesem verschweigt, weil er das dort Hingelegte dem genio loci, dem Schutzgott seines Reviers, zum Opfer gebracht hat. (S. Albrecht Paneritius, Hägringar, Reise durch Schweden, Lappland, Norwegen und Dänemark im Jahre 1850. Königsberg 1852. S. 162.) – So wurzelt der Götterglaube im Egoismus. Bloß im Christenthum ist das eigentliche Opfer weggefallen, wiewohl es in Gestalt von Seelenmessen, Kloster-, Kirchen-und Kapellen-Bauten noch da ist. Im Uebrigen aber, und zumal bei den Protestanten, muß als Surrogat des Opfers Lob, Preis und Dank dienen, die daher zu den äußersten Superlativen getrieben werden, sogar bei Anlässen, welche dem unbefangenen wenig dazu geeignet scheinen: übrigens ist dies Dem analog, daß auch der Staat das Verdienst nicht allemal mit Gaben, sondern auch mit bloßen Ehrenbezeugungen belohnt und so sich seine Fortwirkung erhält. In dieser Hinsicht verdient wohl in Erinnerung gebracht zu werden, was der große David Hume darüber sagt: Whether this god, therefore, be considered as their peculiar Patron, or as the general sovereign of heaven, his votaries will endeavour, by every art, to insinuate themselves into his favour; and supposing him to be pleased, like themselves, with praise and flattery, there is no eulogy or exaggeration, which will be spared in their addresses to him. In proportion as men’s fears or distresses become more urgent, they still invent new strains of adulation; and even he who outdoes his predecessors in swelling up the titles of his divinity, is sure to he outdone by his successors in newer and more pompous epithets of praise. Thus they proceed; till at last they arrive at infinity itself, beyond which there is no farther progress. (Essays and Treatises on several subjects, London 1777, Vol. II. p. 429.) Ferner: It appears certain, that, though the original notions of the vulgar represent the Divinity as a limited being, and consider him only as the particular cause of health or sickness; plenty or want; prosperity or adversity; yet when more magnificent ideas are urged upon them, they esteem it dangerous to refuse their assent. Will you say, that your deity is finite and bounded in his perfections; may be overcome by a greater force; is subject to human Passions, pains and infirmities; has a beginning and may have an end? This they dare not affirm; but thinking it safest to comply with the higher encomiums, the endeavour, by an affected ravishment and devotion to ingratiate themselves with him. As a confirmation of this, we may observe, that the assent of the vulgar is, in this case, merely verbal, and that they are incapable of conceiving those sublime qualities which they seemingly attribute to the Deity. Their real idea of him, notwithstanding their pompous language, is still as poor and frivolous as ever. (Daselbst p. 432.)18

      Kant hat, um das Anstößige seiner Kritik aller spekulativen Theologie zu mildern, derselben nicht nur die Moraltheologie, sondern auch die Versicherung beigefügt, daß, wenn gleich das Daseyn Gottes unbewiesen bleiben müßte, es doch auch eben so unmöglich sei, das Gegentheil davon zu beweisen; wobei sich Viele beruhigt haben, indem sie nicht merkten, daß er, mit verstellter Einfalt, das affirmanti incumbit probatio ignorirte, wie auch, daß die Zahl der Dinge, deren Nichtdaseyn sich nicht beweisen läßt, unendlich ist. Noch mehr hat er natürlich sich gehütet, die Argumente nachzuweisen, deren man zu einem apagogischen Gegenbeweise sich wirklich bedienen könnte, wenn man etwan nicht mehr sich bloß defensiv verhalten, sondern ein Mal aggressiv verfahren wollte. Dieser Art wären etwan folgende:

      1) Zuvörderst ist die traurige Beschaffenheit einer Welt, deren lebende Wesen dadurch bestehn, daß sie einander auffressen, die hieraus hervorgehende Noth und Angst alles Lebenden, die Menge und kolossale Größe der Uebel, die Mannigfaltigkeit und Unvermeidlichkeit der oft zum Entsetzlichen anwachsenden Leiden, die Last des Lebens selbst und sein Hineilen zum bittern Tode, ehrlicherweise nicht damit zu vereinigen, daß sie das Werk vereinter Allgüte, Allweisheit und Allmacht seyn sollte. Hiegegen ein Geschrei zu erheben, ist ebenso leicht, wie es schwer ist, der Sache mit triftigen Gründen zu begegnen.

      2) Zwei Punkte sind es, die nicht nur jeden denkenden Menschen beschäftigen, sondern auch den Anhängern jeder Religion zumeist am Herzen liegen, daher Kraft und Bestand der Religion auf ihnen beruht: erstlich die transscendente moralische Bedeutsamkeit unsers Handelns, und zweitens unsere Fortdauer nach dem Tode. Wenn eine Religion für diese beiden Punkte gut gesorgt hat; so ist alles Uebrige Nebensache. Ich werde daher hier den Theismus in Beziehung auf den ersten, unter der folgenden Nummer aber in Beziehung auf den zweiten Punkt prüfen.

      Mit der Moralität unsers Handelns also hat der Theismus einen zwiefachen Zusammenhang, nämlich einen a parte ante und einen a parte post, d. h. hinsichtlich der Gründe und hinsichtlich der Folgen unsers Thuns. Den letztern Punkt zuerst zu nehmen; so giebt der Theismus zwar der Moral eine Stütze, jedoch eine von der rohesten Art, ja, eine, durch welche die wahre und reine Moralität des Handelns im Grunde aufgehoben wird, indem dadurch jede uneigennützige Handlung sich sofort in eine eigennützige verwandelt, vermittelst eines sehr langsichtigen, aber sichern Wechsels, den man als Zahlung dafür erhält. Der Gott nämlich, welcher Anfangs der Schöpfer war, tritt zuletzt als Rächer und Vergelter auf. Rücksicht auf einen solchen kann allerdings tugendhafte Handlungen hervorrufen: allein diese werden, da Furcht vor Strafe, oder Hoffnung auf Lohn ihr Motiv ist, nicht rein moralisch seyn; vielmehr wird das Innere einer solchen Tugend auf klugen und wohl überlegenden Egoismus zurücklaufen. In letzter Instanz kommt es dabei allein auf die Festigkeit des Glaubens an unerweisliche Dinge an: ist diese vorhanden; so wird man allerdings nicht anstehen, eine kurze Frist Leiden für eine Ewigkeit Freuden zu übernehmen, und der eigentlich leitende Grundsatz der Moral wird seyn: warten können. Allein Jeder, der einen Lohn seiner Thaten sucht, sei es in dieser Welt, oder in einer künftigen, ist ein Egoist: entgeht ihm der gehoffte Lohn; so ist es gleichviel, ob Dies durch den Zufall geschehe, der diese Welt beherrscht, oder durch die Leerheit des Wahns, der ihm die künftige erbaute. Dieserwegen untergräbt auch Kants Moraltheologie eigentlich die Moral.

      A parte ante nun wieder ist der Theismus ebenfalls mit der Moral im Widerstreit; weil er Freiheit und Zurechnungsfähigkeit aufhebt. Denn an einem Wesen, welches, seiner existentia

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