Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
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Ueber
Die Universitäts Philosophie.
΄Η άτιμία φιλοσοφία διά ταύτα προσπέπτωκεν,
ότι ού κατ΄ άξίαν αυτής άπτονται. ού γάρ νο
θους έδει άπτεσθαι, άλλά γνησίους.
Plato, de rep. VII.
Ueber die Universitäts Philosophie.
Inhaltsverzeichnis
Daß die Philosophie auf Universitäten gelehrt wird, ist ihr allerdings auf mancherlei Weise ersprießlich. Sie erhält damit eine öffentliche Existenz und ihre Standarte ist aufgepflanzt vor den Augen der Menschen; wodurch stets von Neuem ihr Daseyn in Erinnerung gebracht und bemerklich wird. Der Hauptgewinn hieraus wird aber seyn, daß mancher junge und fähige Kopf mit ihr bekannt gemacht und zu ihrem Studio auferweckt wird. Inzwischen muß man zugeben, daß der zu ihr Befähigte und eben daher ihrer Bedürftige sie auch wohl auf andern Wegen antreffen und kennen lernen würde. Denn was sich liebt und für einander geboren ist findet sich leicht zusammen: Verwandte Seelen grüßen sich schon aus der Ferne. Einen Solchen nämlich wird jedes Buch irgend eines ächten Philosophen, das ihm in die Hände fällt, mächtiger und wirksamer anregen, als der Vortrag eines Kathederphilosophen, wie ihn der Tag giebt, es vermag. Auch sollte auf den Gymnasien der Platon fleißig gelesen werden, als welcher das wirksamste Erregungsmittel des philosophischen Geistes ist. Ueberhaupt aber bin ich allmälig der Meinung geworden, daß der erwähnte Nutzen der Kathederphilosophie von dem Nachtheil überwogen werde, den die Philosophie als Profession der Philosophie als freier Wahrheitsforschung, oder die Philosophie im Auftrage der Regierung der Philosophie im Auftrage der Natur und der Menschheit bringt.
Zuförderst nämlich wird eine Regierung nicht Leute besolden, um Dem, was sie durch tausend von ihr angestellte Priester, oder Religionslehrer, von allen Kanzeln verkünden läßt, direkt, oder auch nur indirekt, zu widersprechen; da Dergleichern, in dem Maaße, als es wirkte, jene erstere Veranstaltung unwirksam machen müßte. Denn bekanntlich heben Urtheile einander nicht allein durch den kontradiktorischen, sondern auch durch den bloß konträren Gegensatz auf: z. B. dem Urtheil die Rose ist roth widerspricht nicht allein dieses sie ist nicht roth; sondern auch schon dieses sie ist gelb, als welches hierin eben so viel, ja, mehr leistet. Daher der Grundsatz improbant secus docentes. Durch diesen Umstand gerathen aber die Universitätsphilosophen in eine ganz eigenthümliche Lage, deren öffentliches Geheimniß hier ein Mal Worte finden mag. In allen andern Wissenschaften nämlich haben die Professoren derselben bloß die Verpflichtung, nach Kräften und Möglichkeit, zu lehren was wahr und richtig ist. Ganz allein bei den Professoren der Philosophie ist die Sache cum grano salis zu verstehn. Hier nämlich hat es mit derselben ein eigenes Bewandtniß, welches darauf beruht, daß das Problem ihrer Wissenschaft das selbe ist, worüber auch die Religion, in ihrer Weise, Aufschluß ertheilt; deshalb ich diese als die Metaphysik des Volkes bezeichnet habe. Demnach nun sollen zwar auch die Professoren der Philosophie allerdings lehren was wahr und richtig ist: aber eben dieses muß im Grunde und im Wesentlichen das Selbe seyn, was die Landesreligion auch lehrt, als welche ja ebenfalls wahr und richtig ist. Hieraus entsprang jener naive, schon in meiner Kritik der Kantischen Philosophie angezogene Ausspruch eines ganz reputirlichen Philosophieprofessors, im Jahr 1840: leugnet eine Philosophie die Grundideen des Christenthums; so ist sie entweder falsch, oder, wenn auch wahr, doch unbrauchbar. Man sieht daraus, daß in der Universitätsphilosophie die Wahrheit nur eine sekundäre Stelle einnimmt und, wenn es gefordert wird, aufstehn muß, einer andern Eigenschaft Platz zu machen. – Dies also unterscheidet auf den Universitäten die Philosophie von allen andern daselbst kathedersässigen Wissenschaften.
In Folge hievon wird, so lange die Kirche besteht, auf den Universitäten stets nur eine solche Philosophie gelehrt werden dürfen, welche, mit durchgängiger Rücksicht auf die Landesreligion abgefaßt, dieser im Wesentlichen parallel läuft und daher stets, – allenfalls kraus figurirt, seltsam verbrämt und dadurch schwer verständlich gemacht, – doch im Grunde und in der Hauptsache nichts Anderes, als eine Paraphrase und Apologie der Landesreligion ist. Den unter diesen Beschränkungen Lehrenden bleibt sonach nichts Anderes übrig, als nach neuen Wendungen und Formen zu suchen, unter welchen sie den in abstrakte Ausdrücke verkleideten und dadurch fade gemachten Inhalt der Landesreligion aufstellen, der alsdann Philosophie heißt. Will jedoch Einer oder der Andre außerdem noch etwas thun; so wird er entweder in benachbarte Fächer divagiren, oder seine Zuflucht zu allerlei unschuldigen Pößchen nehmen, wie etwan schwierige analytische Rechnungen über das Aequilibrium der Vorstellungen im menschlichen Kopfe auszuführen, und ähnliche Späße. Inzwischen bleiben die solchermaaßen beschränkten Universitätsphilosophen bei der Sache ganz wohlgemuth; weil ihr eigentlicher Ernst darin liegt, mit Ehren ein redliches Auskommen für sich, nebst Weib und Kind, zu erwerben, auch ein gewisses Ansehn vor den Leuten zu genießen; hingegen das tiefbewegte Gemüth eines wirklichen Philosophen, dessen ganzer und großer Ernst im Aufsuchen eines Schlüssels zu unserm, so räthselhaften wie mißlichen Daseyn liegt, von ihnen zu den mythologischen Wesen gezählt wird; wenn nicht etwan gar der damit Behaftete, sollte er ihnen je vorkommen,