Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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Regel, kein Mensch sich weniger träumen, als ein Docent derselben; gleichwie der ungläubigste Christ der Papst zu seyn pflegt. Daher gehört es denn auch zu den seltensten Fällen, daß ein wirklicher Philosoph zugleich ein Docent der Philosophie gewesen wäre21. Daß gerade Kant diesen Ausnahmsfall darstellt, habe ich, nebst den Gründen und Folgen der Sache, im zweiten Bande meines Hauptwerkes, 2.Aufl., K. 17, S. 162 (3. Aufl., S. 179), bereits erörtert. Uebrigens liefert zu der oben aufgedeckten konditionellen Existenz aller Universitätsphilosophie einen Beleg das bekannte Schicksal Fichte’s; wenn auch dieser im Grunde ein bloßer Sophist, kein wirklicher Philosoph war. Er hatte es nämlich gewagt, in seinem Philosophiren die Lehren der Landesreligion außer Acht zu lassen; wovon die Folge seine Kassation war, und zudem noch, daß der Pöbel ihn insultirte. Auch hat die Strafe bei ihm angeschlagen, indem, nach seiner spätern Anstellung in Berlin, das absolute Ich sich ganz gehorsamst in den lieben Gott verwandelt hat und die ganze Lehre überhaupt einen überaus christlichen Anstrich erhielt; wovon besonders die Anweisung zum seligen Leben zeugt. Bemerkenswerth ist bei seinem Falle noch der Umstand, daß man ihm zum Hauptvergehn den Satz, Gott sei nichts Anderes, als eben die moralische Weltordnung selbst, anrechnete; während solcher doch nur wenig verschieden ist vom Ausspruch des Evangelisten Johannes: Gott ist die Liebe22.

      Es ist demnach leicht abzusehn, daß, unter solchen Umständen, die Kathederphilosophie nicht wohl umhin kann, es zu machen Wie eine der langbeinigen Cikaden, Die immer fliegt und fliegend springt —

      Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt. Das Bedenkliche bei der Sache ist auch bloß die doch einzuräumende Möglichkeit, daß die letzte dem Menschen erreichbare Einsicht in die Natur der Dinge, in sein eigenes Wesen und das der Welt nicht gerade zusammenträfe mit den Lehren, welche theils dem ehemaligen Völkchen der Juden eröffnet worden, theils vor 1800 Jahren in Jerusalem aufgetreten sind. Dieses Bedenken auf Ein Mal niederzuschlagen erfand der Philosophieprofessor Hegel den Ausdruck absolute Religion, mit dem er denn auch seinen Zweck erreichte; da er sein Publikum gekannt hat: auch ist sie für die Kathederphilosophie wirklich und recht eigentlich absolut, d. h. eine solche, die absolut und schlechterdings wahr seyn soll und muß, sonst …! – Andere wieder, von diesen Wahrheitsforschern, schmelzen Philosophie und Religion zu einem Kentauren zusammen, den sie Religionsphilosophie nennen; pflegen auch zu lehren, Religion und Philosophie seien eigentlich das Selbe; – welcher Satz jedoch nur in dem Sinne wahr zu seyn scheint, in welchem Franz I., in Beziehung auf Karl V., sehr versöhnlich gesagt haben soll: was mein Bruder Karl will, das will ich auch, – nämlich Mailand. Wieder andere machen nicht so viele Umstände, sondern reden geradezu von einer Christlichen Philosophie; – welches ungefähr so herauskommt, wie wenn man von einer Christlichen Arithmetik reden wollte, die fünf gerade seyn ließe. Dergleichen von Glaubenslehren entnommene Epitheta sind zudem der Philosophie offenbar unanständig, da sie sich für den Versuch der Vernunft giebt, aus eigenen Mitteln und unabhängig von aller Auktorität das Problem des Daseyns zu lösen. Als eine Wissenschaft hat sie es durchaus nicht damit zu thun, was geglaubt werden darf, oder soll, oder muß; sondern bloß damit, was sich wissen läßt. Sollte Dieses nun auch als etwas ganz Anderes sich ergeben, als was man zu glauben hat; so würde selbst dadurch der Glaube nicht beeinträchtigt seyn: denn dafür ist er Glaube, daß er enthält was man nicht wissen kann. Könnte man dasselbe auch wissen; so würde der Glaube als ganz unnütz und selbst lächerlich dastehn; etwan wie wenn über Gegenstände der Mathematik noch eine Glaubenslehre aufgestellt würde. Ist man aber etwan überzeugt, Daß die ganze und volle Wahrheit in der Landesreligion enthalten und ausgesprochen sei; nun, so halte man sich daran und begebe sich alles Philosophirens. Aber man wolle nicht scheinen was man nicht ist. Das Vorgeben unbefangener Wahrheitsforschung, mit dem Entschluß, die Landesreligion zum Resultat, ja zum Maaßstabe und zur Kontrole derselben zu machen, ist unerträglich, und eine solche, an die Landesreligion, wie der Kettenhund an die Mauer, gebundene Philosophie ist nur das ärgerliche Zerrbild der höchsten und edelsten Bestrebung der Menschheit. Inzwischen ist gerade ein Hauptabsatzartikel der Universitätsphilosophen eben jene, oben als Kentaur bezeichnete Religionsphilosophie, die eigentlich auf eine Art Gnosis hinausläuft, auch wohl auf ein Philosophiren unter gewissen beliebten Voraussetzungen, die durchaus nicht erhärtet werden. Auch Programmentitel, wie de verae philosophiae erga religionem pietate, eine passende Inschrift auf so einen philosophischen Schaafstall, bezeichnen recht deutlich die Tendenz und die Motive der Kathederphilosophie. Zwar nehmen diese zahmen Philosophen bisweilen einen Anlauf, der gefährlich aussieht; allein man kann die Sache mit Ruhe abwarten, überzeugt, daß sie doch bei dem Ein für alle Mal gesteckten Ziele anlangen werden. Ja, bisweilen fühlt man sich versucht zu glauben, daß sie ihre ernstlich gemeinten philosophischen Forschungen schon vor ihrem zwölften Jahre abgethan und bereits damals ihre Ansicht vom Wesen der Welt, und was dem anhängt, auf immer festgestellt hätten; weil sie, nach allen philosophischen Diskussionen und halsbrechenden Abwegen, unter verwegenen Führern, doch immer wieder bei Dem anlangen, was uns in jenem Alter plausibel gemacht zu werden pflegt, und es sogar als Kriterium der Wahrheit zu nehmen scheinen. Alle die heterodoxen philosophischen Lehren, mit welchen sie dazwischen, im Laufe ihres Lebens, sich haben beschäftigen müssen, scheinen ihnen nur dazuseyn, um widerlegt zu werden und dadurch jene ersteren desto fester zu etabliren. Man muß sogar es bewundern, wie sie, mit so vielen argen Ketzereien ihr Leben zubringend, doch ihre innere philosophische Unschuld so rein zu bewahren gewußt haben.

      Wem, nach diesem Allen, noch ein Zweifel über Geist und Zweck der Universitätsphilosophie bliebe, der betrachte das Schicksal der Hegelschen Afterweisheit. Hat es ihr etwan geschadet, daß ihr Grundgedanken der absurdeste Einfall, daß er eine auf den Kopf gestellte Welt, eine philosophische Hanswurstiade23 war und ihr Inhalt der hohlste, sinnleerste Wortkram, an welchem jemals Strohköpfe ihr Genüge gehabt, und daß ihr Vortrag, in den Werken des Urhebers selbst, der widerwärtigste und unsinnigste Gallimathias ist, ja, an die Deliramente der Tollhäusler erinnert? O nein, nicht im Mindesten! Vielmehr hat sie dabei, 20 Jahre hindurch, als die glänzendeste Kathederphilosophie, die je Gehalt und Honorar einbrachte, florirt und ist fett geworden, ist nämlich in ganz Deutschland, durch Hunderte von Büchern, als der endlich erreichte Gipfel menschlicher Weisheit und als die Philosophie der Philosophien, verkündet, ja in den Himmel erhoben worden: Studenten wurden darauf examinirt und Professoren darauf angestellt; wer nicht mitwollte, wurde von dem dreist gemachten Repetenten ihres so lenksamen, wie geistlosen Urhebers für einen Narren auf eigene Hand erklärt, und sogar die Wenigen, welche eine schwache Opposition gegen diesen Unfug wagten, traten mit derselben nur schüchtern, unter Anerkennung des großen Geistes und überschwenglichen Genies – jenes abgeschmackten Philosophasters auf. Den Beleg zu dem hier Gesagten giebt die gesammte Litteratur des saubern Treibens, welche, als nunmehr geschlossene Akten, hingeht, durch den Vorhof höhnisch lachender Nachbarn, zu jenem Richterstuhle, wo wir uns wiedersehn, zum Tribunal der Nachwelt, welches, unter andern Implementen, auch eine Schandglocke führt, die sogar über ganze Zeitalter geläutet werden kann. – Was nun aber ist es denn endlich gewesen, das jener Gloria ein so plötzliches Ende gemacht, den Sturz der bestia triunfante herbei gezogen und die ganze große Armee ihrer Söldner und Gimpel zerstreut hat, bis auf einige Ueberbleibsel, die noch als Nachzügler und Marodeurs, unter der Fahne der Halle’schen Jahrbücher zusammengerottet, ein Weilchen ihr Unwesen, zum öffentlichen Skandal, treiben durften, und ein Paar armsälige Pinsel, die was man ihnen in den Jünglingsjahren aufgebunden noch heute glauben und damit hausiren gehn? – Nichts Anderes, als daß Einer den boshaften Einfall gehabt hat, nachzuweisen, daß das eine Universitätsphilosophie sei, die bloß scheinbar und nur den Worten nach, nicht aber wirklich und im eigentlichen Sinne mit der Landesreligion übereinstimme. An und für sich war dieser Vorwurf gerecht; denn dies hat nachher der Neu-Katholicismus bewiesen. Der Deutsch-oder Neu-Katholicismus ist nämlich nichts Anderes, als popularisirte Hegelei. Wie diese, läßt er die Welt unerklärt, sie steht da, ohne weitere Auskunft. Bloß erhält sie den Namen Gott, und die Menschheit den Namen Christus. Beide sind Selbstzweck, d. h. sind eben da, sich’s wohlgehn zu lassen, so lange das kurze Leben währt. Gaudeamus igitur! Und die Hegelsche Apotheose des Staats wird bis zum Kommunismus weiter geführt. Eine sehr gründliche

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