Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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genau auseinandersetzten und ihnen die Sachen klein kauten: – Das gienge, sage ich, allenfalls, wenn sie dazu nur soviel Urtheil, oder wenigstens Takt, mitbrächten, nicht bloße Sophisten, wie z. B. einen Fichte, einen Schelling, geschweige einen Hegel, auch für Philosophen zu halten. Allein nicht nur fehlt es in der Regel ihnen an besagten Eigenschaften, sondern sie sind in dem unglücklichen Wahne befangen, es gehöre zu ihrem Amte, daß auch sie selbst die Philosophen spielten und die Welt mit den Früchten ihres Tiefsinns beschenkten. Aus diesem Wahne gehen nun jene so kläglichen, wie zahlreichen Produktionen hervor, in welchen Alltagsköpfe, ja mitunter solche, die nicht ein Mal Alltagsköpfe sind, die Probleme behandeln, auf deren Lösung seit Jahrtausenden die äußersten Anstrengungen der seltensten, mit den außerordentlichsten Fähigkeiten ausgerüsteten, ihre eigene Person über die Liebe zur Wahrheit vergessenden und von der Leidenschaft des Strebens nach Licht mitunter bis in den Kerker, ja, auf’s Schafott getriebenen Köpfe gerichtet gewesen sind; Köpfe, deren Seltenheit so groß ist, daß die Geschichte der Philosophie, welche, seit dritthalbtausend Jahren neben der Geschichte der Staaten, als ihr Grundbaß, hergeht, kaum 1/100 so viele namhafte Philosophen aufzuweisen hat, als die Staatengeschichte namhafte Monarchen: denn es sind keine andern, als die ganz vereinzelten Köpfe, in welchen die Natur zu einem deutlicheren Bewußtseyn ihrer selbst gekommen war, als in andern. Eben diese aber stehn der Gewöhnlichkeit und der Menge so fern, daß den meisten erst nach ihrem Tode, oder höchstens im späten Alter, eine gerechte Anerkennung geworden ist. Hat doch z. B. sogar der eigentliche, hohe Ruhm des Aristoteles, der später sich weiter, als irgend einer, verbreitete, allem Anschein nach, erst 200 Jahre nach seinem Tode begonnen. Epikuros, dessen Name, noch heut zu Tage, sogar dem großen Haufen bekannt ist, hat in Athen, bis zu seinem Tode, völlig unbekannt gelebt. (Sen. ep. 79.) Bruno und Spinoza kamen erst im zweiten Jahrhundert nach ihrem Tode zur Geltung und Ehre. Selbst der so klar und populär schreibende David Hume war, obwohl er seine Werke längst geliefert hatte, 50 Jahre alt, als man anfing ihn zu beachten. Kant wurde erst nach seinem 60. Jahre berühmt. Mit den Kathederphilosophen unserer Tage freilich gehn die Sachen schneller; da sie keine Zeit zu verlieren haben: nämlich der eine Professor verkündet die Lehre seines aus der benachbarten Universität florirenden Kollegen, als den endlich erreichten Gipfel menschlicher Weisheit; und sofort ist dieser ein großer Philosoph, der unverzüglich seinen Platz in der Geschichte der Philosophie einnimmt, nämlich in derjenigen, welche ein dritter Kollege zur nächsten Messe in Arbeit hat, der nun ganz unbefangen den unsterblichen Namen der Märtyrer der Wahrheit, aus allen Jahrhunderten, die werthen Namen seiner eben jetzt florirenden wohlbestallten Kollegen anreiht, als eben so viele Philosophen, die auch in Reihe und Glied treten können, da sie sehr viel Papier gefüllt und allgemeine kollegialische Beachtung gefunden haben. Da heißt es denn z. B. Aristoteles und Herbart, oder Spinoza und Hegel, Platon und Schleiermacher, und die erstaunte Welt muß sehn, daß die Philosophen, welche die karge Natur ehemals im Lauf der Jahrhunderte nur vereinzelt hervorzubringen vermochte, während dieser letzten Decennien, unter den bekanntlich so hoch begabten Deutschen, überall wie die Pilze aufgeschossen sind. Natürlich wird dieser Glorie des Zeitalters auf alle Weise nachgeholfen; daher, sei es in gelehrten Zeitschriften, oder auch in seinen eigenen Werken, der eine Philosophieprofessor nicht ermangeln wird, die verkehrten Einfälle des andern mit wichtiger Miene und amtlichem Ernst in genaue Erwägung zu ziehn; so daß es ganz aussieht, als handelte es sich hier um wirkliche Fortschritte der menschlichen Erkenntniß. Dafür widerfährt seinem Abortus nächstens dieselbe Ehre, und wir wissen ja, daß nihil officiosius, quam cum mutuum muli scabunt. So viele gewöhnliche Köpfe, die sich von Amts und Berufs wegen verpflichtet glauben, Das vorzustellen, was die Natur mit ihnen am allerwenigsten beabsichtigt hatte, und die Lasten zu wälzen, welche die Schultern geistiger Riesen erfordern, bieten aber im Ernst ein gar klägliches Schauspiel dar. Denn den Heisern singen zu hören, den Lahmen tanzen zu sehn, ist peinlich; aber den beschränkten Kopf philosophirend zu vernehmen ist unerträglich. Um nun den Mangel an wirklichen Gedanken zu verbergen, machen Manche sich einen imponirenden Apparat von langen, zusammengesetzten Worten, intrikaten Floskeln, unabsehbaren Perioden, neuen und unerhörten Ausdrücken, welches Alles zusammen dann einen möglichst schwierigen und gelehrt klingenden Jargon abgiebt. Jedoch sagen sie, mit dem Allen, – nichts: man empfängt keine Gedanken, fühlt seine Einsicht nicht vermehrt, sondern muß aufseufzen: das Klappern der Mühle höre ich wohl, aber das Mehl sehe ich nicht; oder auch, man sieht nur zu deutlich, welche dürftige, gemeine, platte und rohe Ansichten hinter dem hochtrabenden Bombast stecken. O! daß man solchen Spaaßphilosophen einen Begriff beibringen könnte von dem wahren und furchtbaren Ernst, mit welchem das Problem des Daseyns den Denker ergreift und sein Innerstes erschüttert! Da würden sie keine Spaaßphilosophen mehr seyn können, nicht mehr, mit Gelassenheit, müßige Flausen aushecken, vom absoluten Gedanken, oder vom Widerspruch, der in allen Grundbegriffen stecken soll, noch mit beneidenswerthem Genügen sich an hohlen Nüssen letzen, wie die Welt ist das Daseyn des Unendlichen im Endlichen, und der Geist ist der Reflex des Unendlichen im Endlichen u. s. w. Es wäre schlimm für sie: denn sie wollen nun ein Mal Philosophen seyn und ganz originelle Denker. Nun aber ist, daß ein gewöhnlicher Kopf ungewöhnliche Gedanken haben sollte, gerade so wahrscheinlich, wie daß eine Eiche Aprikosen trüge. Die gewöhnlichen Gedanken hingegen hat Jeder schon selbst und braucht sie nicht zu lesen: folglich kann, da es in der Philosophie bloß auf Gedanken, nicht auf Erfahrungen und Thatsachen ankommt, durch gewöhnliche Köpfe hier nie etwas geleistet werden. Einige, des Uebelstandes sich bewußt, haben sich einen Vorrath fremder, meist unvollkommen, stets flach aufgefaßter Gedanken aufgespeichert, die freilich in ihren Köpfen immer noch in Gefahr sind, sich in bloße Phrasen und Worte zu verflüchtigen. Mit diesen schieben sie dann hin und her, und suchen allenfalls, sie, wie Dominosteine, an einander zu passen: sie vergleichen nämlich was Dieser gesagt hat, und was Jener, und was wieder ein Anderer, und noch Einer, und suchen daraus klug zu werden. Vergeblich würde man bei solchen Leuten irgend eine feste, auf anschaulicher Basis ruhende und daher durchweg zusammenhängende Grundansicht von den Dingen und der Welt suchen: eben deshalb haben sie über nichts eine ganz entschiedene Meinung, oder bestimmtes, festes Urtheil; sondern sie tappen mit ihren erlernten Gedanken, Ansichten und Exceptionen wie im Nebel umher. Sie haben eigentlich auch nur auf Wissen und Gelehrsamkeit zum Weiterlehren hingearbeitet. Das möchte seyn: aber dann sollen sie nicht die Philosophen spielen, hingegen den Hafer von der Spreu zu unterscheiden verstehn. Die wirklichen Denker haben auf Einsicht, und zwar ihrer selbst wegen, hingearbeitet, weil sie die Welt, in der sie sich befanden, doch irgend wie sich verständlich zu machen inbrünstiglich begehrten; nicht aber um zu lehren und zu schwätzen. Daher erwächst in ihnen langsam und allmälig, in Folge anhaltender Meditation, eine feste, zusammenhängende Grundansicht, die zu ihrer Basis allemal die anschauliche Auffassung der Welt hat, und von der Wege ausgehn zu allen speciellen Wahrheiten, welche selbst wieder Licht zurückwerfen auf jene Grundansicht. Daraus folgt denn auch, daß sie über jedes Problem des Lebens und der Welt wenigstens eine entschiedene, wohl verstandene und mit dem Ganzen zusammenhängende Meinung haben, und daher niemanden mit leeren Phrasen abzufinden brauchen, wie hingegen jene Ersteren thun, die man stets mit dem Vergleichen und Abwägen fremder Meinungen, statt mit den Dingen selbst, beschäftigt findet, wonach man glauben könnte, es sei die Rede von entfernten Ländern, über welche man die Berichte der wenigen, dort hingelangten Reisenden kritisch zu vergleichen hätte, nicht aber von der, auch vor ihnen ausgebreitet und klar daliegenden, wirklichen Welt. Jedoch bei ihnen heißt es:

      Pour nous, Messieurs, nous avons l’habitude

      De rédiger au long, de point en point,

      Ce qu’on pensa, mais nous ne pensons point.

      Voltaire.

      Das Schlimmste bei dem ganzen Treiben, das sonst immerhin, für den kuriosen Liebhaber, seinen Fortgang haben möchte, ist jedoch Dieses: es liegt in ihrem Interesse, daß das Flache und Geistlose für etwas gelte. Das kann es aber nicht, wenn dem etwan auftretenden Aechten, Großen, Tiefgedachten sofort sein Recht widerfährt. Um daher dieses zu ersticken und das Schlechte ungehindert in Cours zu bringen, ballen sie, nach Art aller Schwachen, sich zusammen, bilden Kliquen und

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