Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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für unsere Spaaßphilosophen nicht gerathen. Aber die Ausdrücke hätten sie doch gar zu gern; weil sie so gelehrt klingen. Da bringen sie diese denn so an, daß, weil ja doch ihre Philosophie zum Hauptgegenstande immer nur den lieben Gott hat, welcher daher auch als ein guter alter Bekannter, der keiner Einführung bedarf, darin auftritt, sie nun disputiren, ob er in der Welt drinnen stecke, oder aber draußen bleibe, d. h. also in einem Raume, wo keine Welt ist, sich aufhalte: im ersten Falle nun tituliren sie ihn immanent, und im andern transscendent, thun dabei natürlich höchst ernsthaft und gelehrt, reden Hegeljargon dazu, und es ist ein allerliebster Spaaß, – der nur uns älteren Leute an den Kupferstich in Falk’s satirischem Almanach erinnert, welchen Kanten darstellt, im Luftballon gen Himmel fahrend und seine sämmtlichen Garderobenstücke, nebst Hut und Perücke, herabwerfend auf die Erde, woselbst Affen sie auflesen und sich damit schmücken.

      Daß nun aber das Verdrängtwerden der ernsten, tiefsinnigen und redlichen Philosophie Kants, durch die Windbeuteleien bloßer, von persönlichen Zwecken geleiteten Sophisten, den nachtheiligsten Einfluß auf die Bildung des Zeitalters gehabt habe, ist nicht zu bezweifeln. Zumal ist die Anpreisung eines so völlig werthlosen, ja, durchaus verderblichen Kopfes, wie Hegel, als des ersten Philosophen dieser und jeder Zeit, zuverlässig die Ursache der ganzen Degradation der Philosophie und, in Folge davon, des Verfalls der höhern Litteratur überhaupt, während der letzten 30 Jahre gewesen. Wehe der Zeit, wo, in der Philosophie, Frechheit und Unsinn Einsicht und Verstand verdrängt haben! Denn die Früchte nehmen den Geschmack des Bodens an, auf welchem sie gewachsen sind. Was laut, öffentlich, allseitig angepriesen wird, das wird gelesen, ist also die Geistesnahrung des sich ausbildenden Geschlechts: diese aber hat aus dessen Säfte und nachher auf dessen Erzeugnisse den entschiedensten Einfluß. Daher bestimmt die herrschende Philosophie einer Zeit ihren Geist. Herrscht nun also die Philosophie des absoluten Unsinns, gelten aus der Luft gegriffene und unter Tollhäuslergeschwätz vorgebrachte Absurditäten für große Gedanken, – nun da entsteht, nach solcher Aussaat, das saubere Geschlecht, ohne Geist, ohne Wahrheitsliebe, ohne Redlichkeit, ohne Geschmack, ohne Aufschwung zu irgend etwas Edlem, zu irgend etwas über die materiellen Interessen, zu denen auch die politischen gehören, Hinausliegendem, – wie wir es da vor uns sehn. Hieraus ist es zu erklären, wie auf das Zeitalter, da Kant philosophirte, Goethe dichtete, Mozart komponirte, das jetzige hat folgen können, das der politischen Dichter, der noch politischeren Philosophen, der hungrigen, vom Lug und Trug der Litteratur ihr Leben fristenden Litteraten und der die Sprache muthwillig verhunzenden Tintenklexer jeder Art. – Es nennt sich, mit einem seiner selbstgemachten Worte, so charakteristisch, wie euphonisch, die Jetztzeit: ja wohl Jetztzeit, d. h. da man nur an das Jetzt denkt und keinen Blick auf die kommende und richtende Zeit zu werfen wagt. Ich wünsche ich könnte dieser Jetztzeit in einem Zauberspiegel zeigen, wie sie in den Augen der Nachwelt sich ausnehmen wird. Sie nennt inzwischen jene so eben belobte Vergangenheit die Zopfzeit. Aber an jenen Zöpfen saßen Köpfe; jetzt hingegen scheint mit dem Stengel auch die Frucht verschwunden zu seyn.

      Die Anhänger Hegels haben demnach ganz Recht, wenn sie behaupten, daß der Einfluß ihres Meisters auf seine Zeitgenossen unermeßlich gewesen sei. Eine ganze Gelehrten-Generation am Geiste völlig paralysirt, zu allem Denken unfähig gemacht, ja, so weit gebracht zu haben, daß sie nicht mehr weiß, was Denken sei, sondern das muthwilligste und zugleich abgeschmackteste Spielen mit Worten und Begriffen, oder das gedankenloseste Saalbadern über die hergebrachten Themata der Philosophie, mit aus der Luft gegriffenen Behauptungen, oder völlig sinnleeren, oder gar aus Widersprüchen bestehenden Sätzen für philosophisches Denken hält, – das ist der gerühmte Einfluß des Hegels gewesen. Man vergleiche nur ein Mal die Lehrbücher der Hegelianer, wie sie noch heut zu Tage zu erscheinen sich erdreisten, mit denen einer geringgeschätzten, besonders aber von ihnen und allen Nachkantischen Philosophen mit unendlicher Verachtung angesehenen Zeit, der sogenannten eklektischen Periode, dicht vor Kant; und man wird finden, daß die letzteren zu jenen sich immer noch verhalten wie Gold, – nicht zu Kupfer, sondern zu Mist.

      Denn in jenen Büchern von Feder, Plattner u. A. m. findet man doch immer noch einen reichen Vorrath wirklicher und zum Theil wahrer, selbst werthvoller Gedanken und treffender Bemerkungen, ein redliches Ventiliren philosophischer Probleme, eine Anregung zum eigenen Nachdenken, eine Anleitung zum Philosophiren, zumal aber durchweg ein ehrliches Verfahren.

      In so einem Produkte der Hegelschen Schule hingegen sucht man vergeblich nach irgend einem wirklichen Gedanken, – es enthält keinen einzigen, – nach irgend einer Spur ernstlichen und aufrichtigen Nachdenkens, – das ist der Sache fremd: nichts findet man, als verwegene Zusammenstellungen von Worten, die einen Sinn, ja, einen tiefen Sinn zu haben scheinen sollen, aber bei einiger Prüfung sich entlarven als ganz hohle, völlig sinn-und gedankenleere Floskeln und Wortgehäuse, mit denen der Schreiber seinen Leser keineswegs zu belehren, sondern bloß zu täuschen sucht, damit dieser glaube, einen Denker vor sich zu haben, während es ein Mensch ist, der gar nicht weiß, was denken ist, ein Sünder ohne alle Einsicht und noch dazu ohne Kenntnisse.

      Dies ist die Folge davon, daß, während andere Sophisten, Scharlatane und Obskuranten doch nur die Erkenntniß verfälschten und verdarben, Hegel sogar das Organ der Erkenntniß, den Verstand selbst verdorben hat. Indem er nämlich die Verleiteten nöthigte, einen aus dem gröbsten Unsinn bestehenden Gallimathias, ein Gewebe aus contradictionibus in adjecto, ein Gewäsche wie aus dem Tollhause, als Vernunfterkenntniß in ihren Kopf hineinzuzwängen, wurde das Gehirn der armen jungen Leute, die so etwas mit gläubiger Hingebung lasen und als die höchste Weisheit sich anzueignen suchten, so aus den Fugen gerenkt, daß es zum wirklichen Denken auf immer unfähig geblieben ist. Demzufolge sieht man sie noch bis auf den heutigen Tag herumgehn, im ekelhaften Hegeljargon reden, den Meister preisen und ganz ernstlich vermeinen, Sätze, wie die Natur ist die Idee in ihrem Andersseyn sagten etwas. Junges frisches Gehirn auf solche Art zu desorganisiren ist wahrlich eine Sünde, die weder Verzeihung noch Schonung verdient. Dies also ist der gerühmte Einfluß Hegel’s auf seine Zeitgenossen gewesen und leider hat er wirklich sich weit erstreckt und verbreitet.

      Denn die Folge war auch hier der Ursache angemessen. – Wie nämlich das Schlimmste, was einem Staate widerfahren kann, ist, daß die verworfenste Klasse, der Hefen der Gesellschaft an’s Ruder kommt; so kann der Philosophie und allem von ihr Abhängigen, also dem ganzen Wissen und Geistesleben der Menschheit, nichts Schlimmeres begegnen, als daß ein Alltagskopf, der sich bloß einerseits durch seine Obsequiosität, und andrerseits durch seine Frechheit im Unsinnschreiben auszeichnet, mithin so ein Hegel, als das größte Genie und als der Mann, in welchem die Philosphie ihr lang verfolgtes Ziel endlich und für immer erreicht hat, mit größtem, ja beispiellosem Nachdruck proklamirt wird. Denn die Folge eines solchen Hochverraths am Edelsten der Menschheit ist nachher ein Zustand, wie jetzt der philosophische, und dadurch der litterarische überhaupt, in Deutschland: Unwissenheit und Unverschämtheit verbrüdert an der Spitze, Kamaraderie an der Stelle der Verdienste, völlige Verworrenheit aller Grundbegriffe, gänzliche Desorientation und Desorganisation der Philosophie, Plattköpfe als Reformatoren der Religion, freches Auftreten des Materialismus und Bestialismus, Unkenntniß der alten Sprachen und Verhunzen der eigenen durch hirnlose Wortbeschneiderei und niederträchtige Buchstabenzählerei, nach selbsteigenem Ermessen der Ignoranten und Dummköpfe, u. s. f. u. s. f. – seht nur um euch! Sogar als äußerliches Symptom der überhand nehmenden Rohheit erblickt ihr den konstanten Begleiter derselben, – den langen Bart, dieses Geschlechtsabzeichen mitten im Gesicht, welches besagt, daß man die Maskulinität, die man mit den Thieren gemein hat, der Humanität vorzieht, indem man vor Allem ein Mann, mas, und erst nächstdem ein Mensch seyn will. Das Abscheeren der Bärte, in allen hochgebildeten Zeitaltern und Ländern, ist aus dem richtigen Gefühl des Gegentheils entstanden, vermöge dessen man vor allem ein Mensch, gewissermaaßen ein Mensch in abstracto, mit Hintansetzung des thierischen Geschlechtsunterschiedes, seyn möchte. Hingegen hat die Bartlänge stets mit der Barbarei, an die schon ihr Name erinnert, gleichen Schritt gehalten. Daher florirten die Bärte im Mittelalter, diesem Millennium der Rohheit und Unwissenheit, dessen Tracht und Bauart nachzuahmen unsre edelen Jetztzeitler bemüht sind24. – Die fernere und sekundäre

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