Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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und des Zeitalters bei der Nachwelt. Denn wie man’s treibt, so gehts, und da wird nichts geschenkt.

      Oben habe ich von dem mächtigen Einfluß der Geistesnahrung auf das Zeitalter geredet. Dieser nun beruht darauf, daß sie sowohl den Stoff wie die Form des Denkens bestimmt. Daher kommt gar viel darauf an, was gelobt und demnach gelesen wird. Denn das Denken mit einem wahrhaft großen Geiste stärkt den eigenen, ertheilt ihm eine regelrechte Bewegung, versetzt ihn in den richtigen Schwung: es wirkt analog der Hand des Schreibmeisters, welche die des Kindes führt. Hingegen das Denken mit Leuten, die es eigentlich auf bloßen Schein, mithin auf Täuschung des Lesers abgesehn haben, wie Fichte, Schelling und Hegel, verdirbt den Kopf in eben dem Maaße; nicht weniger das Denken mit Queerköpfen oder mit solchen, die sich ihren Verstand verkehrt angezogen haben, von denen Herbart ein Beispiel ist. Ueberhaupt ist das Lesen der Schriften selbst auch nur gewöhnlicher Köpfe, in Fächern, wo es sich nicht um Thatsachen, oder deren Ermittelung, handelt, sondern bloß eigene Gedanken den Stoff ausmachen, eine heillose Verschwendung der eigenen Zeit und Kraft. Denn was dergleichen Leute denken kann jeder Andere auch denken: daß sie sich zum Denken förmlich zurechtgesetzt und es darauf angelegt haben, bessert die Sache durchaus nicht; da es ihre Kräfte nicht erhöht und man meistens dann am wenigsten denkt, wenn man förmlich sich dazu zurecht gesetzt hat. Dazu kommt noch, daß ihr Intellekt seiner natürlichen Bestimmung, im Dienste des Willens zu arbeiten, getreu bleibt; wie dies eben normal ist. Darum aber liegt ihrem Treiben und Denken stets eine Absicht zum Grunde: sie haben allezeit Zwecke und erkennen nur in Bezug auf diese, mithin nur Das, was diesen entspricht.

      Die willensfreie Aktivität des Intellekts, welche die Bedingung der reinen Objektivität und dadurch aller grosser Leistungen ist, bleibt ihnen ewig fremd, ist ihrem Herzen eine Fabel. Für sie haben nur Zwecke Interesse, nur Zwecke Realität: denn in ihnen bleibt das Wollen vorwaltend. Daher also ist es doppelt thöricht, an ihren Produktionen seine Zeit zu verschwenden. Allein was das Publikum nie erkennt und begreift, weil es gute Gründe hat, es nicht erkennen zu wollen, ist die Aristokratie der Natur. Daher legt es so bald die Seltenen und Wenigen, welchen, im Laufe der Jahrhunderte, die Natur den hohen Beruf des Nachdenkens über sie, oder auch der Darstellung des Geistes ihrer Werke, ertheilt hatte, aus den Händen, um sich mit den Produktionen des neuesten Stümpers bekannt zu machen. Ist einmal ein Heros dagewesen; so stellt es bald einen Schächer daneben, – als ungefähr auch so Einen. Hat ein Mal die Natur in günstigster Laune das seltenste ihrer Erzeugnisse, einen wirklich über das gewöhnliche Maaß hinaus begabten Geist, aus ihren Händen hervorgehn lassen, hat das Schicksal, in milder Stimmung, seine Ausbildung gestattet, ja, haben seine Werke endlich den Widerstand der stumpfen Welt besiegt und sind als Muster anerkannt und anempfohlen, da dauert es nicht lange so kommen die Leute mit einem Erdenkloß ihres Gelichters herangeschleppt, um ihn daneben auf den Altar zu stellen; eben weil sie nicht begreifen, nicht ahnden, wie aristokratisch die Natur ist: sie ist es so sehr, daß auf 300 Millionen ihrer Fabrikwaare noch nicht Ein wahrhaft großer Geist kommt; daher man alsdann Diesen gründlich kennen lernen, seine Werke als eine Art Offenbarung betrachten, sie unermüdlich lesen und diurna nocturnaque manu abnutzen, dagegen aber sämmtliche Alltagsköpfe liegen lassen soll, als Das, was sie sind, als etwas so Gemeines und Alltägliches wie die Fliegen an der Wand.

      In der Philosophie ist der oben geschilderte Hergang auf das Trostloseste eingetreten: neben Kant wird durchgängig und überall, nämlich als eben noch so Einer, Fichte genannt: Kant und Fichte ist zur stehenden Phrase geworden. Seht, wie wir Aepfel schwimmen! sagte der – — —. Gleiche Ehre widerfährt dem Schelling, ja, – proh pudor! sogar dem Unsinnschmierer und Kopfverderber Hegel! Der Gipfel dieses Parnassus wurde nämlich immer breiter getreten. – Habt ihr Augen? habt ihr Augen? möchte man, wie Hamlet seiner nichtswürdigen Mutter, einem solchen Publiko zurufen. Ach, sie haben keine! es sind ja noch immer die Selben, welche überall und jederzeit das ächte Verdienst haben verkümmern lassen, um ihre Huldigung Nachäffern und Manieristen, in jeder Gattung, darzubringen. So wähnen sie denn auch, Philosophie zu studiren, wenn sie die allmessentlichen Ausgeburten von Köpfen lesen, in deren dumpfen Bewußtseyn sogar die bloßen Probleme der Philosophie so wenig anklingen, wie die Glocke im luftleeren Recipienten; ja, von Köpfen, welche, streng genommen, von der Natur zu nichts Anderem gemacht und ausgerüstet wurden, als, eben wie die Uebrigen, ein ehrliches Gewerbe in der Stille zu treiben, oder das Feld zu bauen, und die Vermehrung des Menschengeschlechts zu besorgen, jedoch vermeinen, von Amts und Pflicht wegen, schellenlaute Thoren seyn zu müssen. Ihr beständiges Dareinreden und Mitredenwollen gleicht dem der Tauben, die sich in die Konversation mischen, wirkt daher auf die zu allen Zeiten nur ganz vereinzelt Erscheinenden, welche von Natur den Beruf und daher den wirklichen Trieb haben, der Erforschung der höchsten Wahrheiten obzuliegen, nur als ein störendes und verwirrendes Geräusch; wenn es nicht gar, wie sehr oft der Fall ist, ihre Stimme absichtlich erstickt, weil was sie vorbringen nicht in den Kram jener Leute paßt, denen es mit nichts als mit Absichten und materiellen Zwecken Ernst seyn kann, und die, vermöge ihrer beträchtlichen Anzahl, bald ein Geschrei zu Wege bringen, bei dem Keiner mehr sein eigenes Wort vernimmt.

      Heut zu Tage haben sie sich die Aufgabe gestellt, der Kantischen Philosophie, wie der Wahrheit, zum Trotz, spekulative Theologie, rationale Psychologie, Freiheit des Willens, totale und absolute Verschiedenheit des Menschen von den Thieren, mittelst Ignoriren der allmäligen Abstufungen des Intellekts in der Thierreihe, zu lehren, wodurch sie nur als remora der redlichen Wahrheitsforschung wirken. Spricht ein Mann, wie ich, so stellen sie sich als hörten sie nichts. Der Pfiff ist gut, wenn auch nicht neu. Ich will aber doch ein Mal sehn, ob man nicht einen Dachs aus seinem Loche herauszerren kann.

      Die Universitäten nun aber sind offenbar der Heerd alles jenes Spiels, welches die Absicht mit der Philosophie treibt. Nur mittelst ihrer konnten Kants, eine Weltepoche in der Philosophie begründende Leistungen verdrängt werden durch die Windbeuteleien eines Fichte, die wieder bald darauf ihm ähnliche Gesellen verdrängten. Dies hätte nimmermehr geschehn können vor einem eigentlich philosophischen Publiko, d. h. einem solchen, welches die Philosophie, ohne andere Absicht, bloß ihrer selbst wegen sucht, also vor dem freilich zu allen Zeiten äußerst kleinen Publiko wirklich denkender und ernstlich von der räthselhaften Beschaffenheit unsers Daseyns ergriffener Köpfe. Nur mittelst der Universitäten, vor einem Publiko aus Studenten, die Alles, was dem Herrn Professor zu sagen beliebt, gläubig annehmen, ist der ganze philosophische Skandal dieser letzten 50 Jahre möglich gewesen. Der Grundirrthum hiebei liegt nämlich darin, daß die Universitäten auch in Sachen der Philosophie das große Wort und die entscheidende Stimme sich anmaaßen, welche allenfalls den drei obern Fakultäten, jeder in ihrem Bereiche, zukommt.

      Daß jedoch in der Philosophie, als einer Wissenschaft, die erst gefunden werden soll, die Sache sich anders verhält, wird übersehn; wie auch, daß bei Besetzung philosophischer Lehrstühle, nicht, wie bei andern, allein die Fähigkeiten, sondern noch mehr die Gesinnungen des Kandidaten in Betracht kommen. Demgemäß nun aber denkt der Student, daß, wie der Professor der Theologie seine Dogmatik, der juristische Professor seine Pandekten, der medicinische seine Pathologie inne hat und besitzt; so müßte auch der allerhöchsten Orts angestellte Professor der Metaphysik diese inne haben und besitzen. Er geht demnach mit kindlichem Vertrauen in dessen Kollegia, und da er daselbst einen Mann findet, der, mit der Miene wohlbewußter Ueberlegenheit, alle je dagewesenen Philosophen von oben herab kritisirt; so zweifelt er nicht, daß er vor die rechte Schmiede gekommen sei, und prägt sich alle hier sprudelnde Weisheit so gläubig ein, als säße er vor dem Dreifuß der Pythia. Natürlich giebt es, von Dem an, für ihn keine andere Philosophie, als die seines Professors.

      Die wirklichen Philosophen, die Lehrer der Jahrhunderte, ja Jahrtausende, die aber in den Bücherschränken schweigend und ernst auf Die warten, welche ihrer begehren, läßt er, als veraltet und widerlegt, ungelesen: er hat sie, wie sein Professor, hinter sich. Dagegen kauft er sich die messentlich erscheinenden Geisteskinder seines Professors, deren meistens oft wiederholte Auflagen allein auf solchem Hergang der Sache zu erklären sind.

      Denn auch nach den Universitätsjahren behält,

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