Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Parerga und Paralipomena - Arthur Schopenhauer страница 50

Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

Скачать книгу

style="font-size:15px;">      Dieser ist zudem nicht ein Mal das eigentliche, das neutestamentliche Christenthum, oder der Geist desselben, als welcher ihnen zu hoch, zu ätherisch, zu excentrisch, zu sehr nicht von dieser Welt, daher zu pessimistisch und hiedurch zur Apotheose des Staats ganz ungeeignet ist; sondern es ist bloß das Judenthum, die Lehre, daß die Welt ihr Daseyn von einem höchst vortrefflichen, persönlichen Wesen habe, daher auch ein allerliebstes Ding und παντα καλα λιαν sei. Dies ist ihnen aller Weisheit Kern, und dahin soll die Philosophie führen, oder, sträubt sie sich, geführt werden. Daher denn auch der Krieg, den, seit dem Sturz der Hegelei, alle Professoren gegen den sogenannten Pantheismus führen, in dessen Perhorrescirung sie wetteifern, einmüthig den Stab über ihn brechend. Ist etwa dieser Eifer aus der Entdeckung triftiger und schlagender Gründe gegen denselben entsprungen? Oder sieht man nicht vielmehr, mit welcher Rathlosigkeit und Angst sie nach Gründen gegen jenen in ursprünglicher Kraft ruhig dastehenden und sie belächelnden Gegner suchen? kann man daher noch bezweifeln, daß bloß die Inkompatibilität jener Lehre mit der absoluten Religion es ist, warum sie nicht wahr seyn soll, nicht soll, und wenn die ganze Natur sie mit tausend und aber tausend Kehlen verkündigte. Die Natur soll schweigen, damit das Judenthum spreche. Wenn nun ferner, neben der absoluten Religion, noch irgend etwas bei ihnen Berücksichtigung findet; so versteht es sich, daß es die sonstigen Wünsche eines hohen Ministeriums, bei dem die Macht Professuren zu geben und zu nehmen ist, seyn werden. Ist doch dasselbe die Muse, welche sie begeistert und ihren Lukubrationen vorsteht, daher wohl auch am Eingange, in Form einer Dedikation, ordentlich angerufen wird. Das sind mir die Leute, die Wahrheit aus dem Brunnen zu ziehn, den Schleier des Truges zu zerreißen und aller Verfinsterung Hohn zu sprechen.

      Zu keinem Lehrfache wären, der Natur der Sache nach, so entschieden Leute von überwiegenden Fähigkeiten und durchdrungen von Liebe zur Wissenschaft und Eifer für die Wahrheit erfordert, als da, wo die Resultate der höchsten Anstrengungen des menschlichen Geistes, in der wichtigsten aller Angelegenheiten, der Blüthe einer neuen Generation, im lebendigen Worte, übergeben, ja, der Geist der Forschung in ihr erweckt werden soll. Andrerseits aber wieder halten die Ministerien dafür, daß kein Lehrfach auf die innerste Gesinnung der künftigen gelehrten, also den Staat und die Gesellschaft eigentlich lenkenden Klasse so viel Einfluß habe, wie gerade dieses; daher es nur mit den allerdevotesten, ihre Lehre gänzlich nach dem Willen und jedesmaligen Ansichten des Ministeriums zuschneidenden Männern besetzt werden darf. Natürlich ist es dann die erstere dieser beiden Anforderungen, welche zurückstehn muß. Wer nun aber mit diesem Stande der Dinge nicht bekannt ist, dem kann es zu Zeiten vorkommen, als ob seltsamerweise gerade die entschiedensten Schaafsköpfe sich der Wissenschaft des Platon und Aristoteles gewidmet hätten.

      Ich kann hier nicht die beiläufige Bemerkung unterdrücken, daß eine sehr nachtheilige Vorschule zur Professur der Philosophie die Hauslehrerstellen sind, welche beinahe Alle, die jemals jene bekleideten, nach ihren Universitätsstudien, mehrere Jahre hindurch versehen haben. Denn solche Stellen sind eine rechte Schule der Unterwürfigkeit und Fügsamkeit. Besonders wird man darin gewohnt, seine Lehren ganz und gar dem Willen des Brodherrn zu unterwerfen und keine anderen, als dessen Zwecke zu kennen. Diese, früh angenommene Gewohnheit wurzelt ein und wird zur zweiten Natur; so daß man nachher, als Philosophieprofessor, nichts natürlicher findet, als auch die Philosophie eben so den Wünschen des die Professuren besetzenden Ministeriums gemäß zuzuschneiden und zu modeln; woraus denn am Ende philosophische Ansichten, oder gar Systeme, wie auf Bestellung gemacht, hervorgehn. Da hat die Wahrheit schönes Spiel! – Hier stellt sich freilich heraus, daß nun dieser unbedingt zu huldigen, um wirklich zu philosophiren, zu so vielen Bedingungen fast unumgänglich auch noch diese kommt, daß man auf eigenen Beinen stehe und keinen Herrn kenne, wonach denn das δος μοι που στω in gewissem Sinne auch hier gälte.

      Wenigstens haben die allermeisten von Denen, die je etwas Großes in der Philosophie leisteten, sich in diesem Falle befunden. Spinoza war sich der Sache so deutlich bewußt, daß er die ihm angetragene Professur gerade deshalb ausschlug.

      ΄Ημισυ γαρ τ΄αρετης αποαινυται ευρυοπα Ζευς

      Ανερος, ευτ΄ αν μιν κατα δουλιον ήμαρ έλησιν.

      Das wirkliche Philosophiren verlangt Unabhängigkeit.

      Πας γαρ ανης πενιη δεδμημενος ουτε τι ειπειν,

      Ουθ΄ έρξαι δυναται, λγωσσα δε οί δεδεται.

      Theogn.

      Auch in Sadis Gulistan wird gesagt, daß wer Nahrungssorgen hat nichts leisten kann. (S. Sadi’s Gulistan übers. von Graf. Leipzig 1846, S. 185.) Dafür jedoch ist der ächte Philosoph, seiner Natur nach, ein genügsames Wesen und bedarf nicht viel, um unabhängig zu leben: denn allemal wird sein Wahlspruch Shenstone’s Satz seyn: liberty is a more invigorating cordial than Tokay. (Freiheit ist eine kräftigere Herzstärkung, als Tokayer.)

      Wenn nun also es sich bei der Sache um nichts Anderes handelte, als um die Förderung der Philosophie und das Vordringen auf dem Wege zur Wahrheit; so würde ich als das Beste empfehlen, daß man die Spiegelfechterei, welche damit auf den Universitäten getrieben wird, einstellte. Denn diese sind wahrlich nicht der Ort für ernstlich und redlich gemeinte Philosophie, deren Stelle dort nur zu oft eine in ihre Kleider gesteckte und aufgeputzte Drahtpuppe einnehmen und als ein nervis alienis mobile lignum paradiren und gestikuliren muß. Wenn nun aber gar eine solche Kathederphilosophie noch durch unverständliche, gehirnbetäubende Phrasen, neugeschaffene Worte und unerhörte Einfälle, deren Absurdes spekulativ und transscendental genannt wird, die Stelle wirklicher Gedanken ersetzen will; so wird sie zu einer Parodie der Philosophie, die diese in Mißkredit bringt; welches in unsern Tagen der Fall gewesen ist. Wie kann denn auch, unter allem solchen Treiben, selbst nur die Möglichkeit jenes tiefen Ernstes, der neben der Wahrheit Alles geringschätzt und die erste Bedingung zur Philosophie ist, bestehen? – Der Weg zur Wahrheit ist steil und lang: mit einem Block am Fuße wird ihn Keiner zurücklegen; vielmehr thäten Flügel Noth. Demnach also wäre ich dafür, daß die Philosophie aufhörte, ein Gewerbe zu seyn: die Erhabenheit ihres Strebens verträgt sich nicht damit; wie ja Dieses schon die Alten erkannt haben. Es ist gar nicht nöthig, daß auf jeder Universität ein Paar schaale Schwätzer gehalten werden, um den jungen Leuten alle Philosophie auf Zeit Lebens zu verleiden. Auch Voltaire sagt ganz richtig: les gens de lettres, qui ont rendu le plus de services au petit nombre d’êtres pensans répandus dans le monde, sont les lettrés isolés, les vrais savans, renfermés dans leur cabinet, qui n’ont ni argumenté sur les bancs de l’université, ni dit les choses à moitié dans les académies: et ceux-là out presque toujours été persécutés. – Alle der Philosophie von außen gebotene Hülfe ist, ihrer Natur nach, verdächtig: denn das Interesse jener ist zu hoher Art, als daß es mit dem Treiben dieser niedrig gesinnten Welt eine aufrichtige Verbindung eingehn könnte.

      Dagegen hat sie ihren eigenen Leitstern, der nie untergeht. Darum lasse man sie gewähren, ohne Beihülfe, aber auch ohne Hindernisse, und gebe nicht dem ernsten, von der Natur geweihten und ausgerüsteten Pilger zum hochgelegenen Tempel der Wahrheit den Gesellen bei, dem es eigentlich nur um ein gutes Nachtlager und eine Abendmahlzeit zu thun ist: denn es ist zu besorgen, daß er, um nach diesen einlenken zu dürfen, Jenem ein Hinderniß in den Weg wälzen werde.

      Diesem Allen zufolge halte ich, von den Staatszwecken, wie gesagt, absehend und bloß das Interesse der Philosophie betrachtend, für wünschenswerth, daß aller Unterricht in derselben auf Universitäten streng beschränkt werde auf den Vortrag der Logik, als einer abgeschlossenen und streng beweisbaren Wissenschaft, und auf eine

Скачать книгу